Brustkrebspatientinnen, die keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten, sollten innerhalb von 8 Wochen nach der Diagnose operiert werden. Bei längerer Verzögerung der chirurgischen Therapie droht ein schlechteres Überleben, berichtet eine US-Forschungsgruppe in JAMA Surgery [1].

PD Dr. Maggie Banys-Paluchowski
„Ein längerer Zeitraum von der Brustkrebsdiagnose bis zur Primäroperation ist bereits in anderen großen Studien mit einem schlechteren Überleben in Verbindung gebracht worden. Aber der spezifische Zeitpunkt, ab dem Nachteile hinsichtlich des Überlebens zu erwarten sind, war ungeklärt“, schreiben Dr. Alyssa A. Wiener vom Wisconsin Surgical Outcomes Research Program der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health in Madison, USA, und ihre Kollegen.
AGO: Therapieverzögerungen sollen vermieden werden
„Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) empfiehlt die Vermeidung von erheblichen Therapieverzögerungen“, erklärt Kommissionsmitglied PD Dr. Maggie Banys-Paluchowski, die am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, das Brustzentrum leitet. „Aber zwischen Diagnose und Therapie soll ausreichend Zeit gelassen werden, um notwendige Untersuchungen und Beratungsgespräche, etwa zum Wiederaufbau oder dem Fertilitätserhalt, zu führen.“
„Andere Analysen haben zum Beispiel gezeigt, dass jede Verzögerung der Brustkrebs-OP um 4 Wochen das Überleben um 8% verschlechtert – aber ohne Daten dazu zu liefern, ab wann es mit dieser Verschlechterung losgeht“, bestätigt Banys-Paluchowski. „Genau das haben die Autoren versucht, herauszufinden“, lobt sie im Gespräch mit Medscape.
Die Forschungsgruppe um Wiener nutzte für ihre Analyse Daten aus dem US-Krebsregister, in dem 70% aller Krebserkrankungen erfasst werden, die in den USA diagnostiziert werden. Die eingeschlossenen Brustkrebspatientinnen waren über 18 Jahre alt, hatten ein duktales oder lobuläres Mammakarzinom im Stadium I-III und wurden im Schnitt 5 Jahre lang nachbeobachtet.
Keine Patientinnen mit neoadjuvanter Chemotherapie eingeschlossen
Die Operation war der erste Behandlungsschritt. Ausgeschlossen wurden alle Patientinnen, die zuvor schon einmal Brustkrebs gehabt hatten, für die keine Informationen zum Rezeptorstatus vorlagen, die eine neoadjuvante oder experimentelle Therapie erhalten hatten oder bei denen der Brustkrebs am Tag der Primäroperation diagnostiziert worden war.
Bei der Interpretation der Studienergebnisse gilt es zu beachten, dass es hinsichtlich der Durchführung von neoadjuvanten Chemotherapien bei Brustkrebs erhebliche Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gibt: „In Deutschland erhalten viele Frauen eine neoadjuvante Chemotherapie, die im Ausland, auch in den USA, keine bekommen würden. Wir sind damit schon seit 10 bis 15 Jahren sehr viel großzügiger“, erklärt Banys-Paluchowski. 2020 wurden in Deutschland 24% der invasiven Mammakarzinome neoadjuvant behandelt.
In Deutschland erhalten die meisten Frauen mit tripelnegativem Mammakarzinom und ein Teil der Frauen mit HER2-positivem Mammakarzinom eine neoadjuvante Chemotherapie, seltener auch Frauen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom, das Merkmale eines aggressiven Wachstums aufweist, etwa den Befall vieler Lymphknoten oder eine schlechte Differenzierung.
In der Studie aus den USA sind dagegen auch viele Frauen mit tripelnegativen oder HER2-positiven Tumoren enthalten, die entsprechend der Einschlusskriterien vor der Operation keine neoadjuvante Chemotherapie erhielten.
Jüngere und ärmere Patientinnen werden später operiert
Insgesamt umfasst die Studienkohorte 373.334 Patientinnen, die median 61 Jahre alt waren. Frauen, bei denen zwischen Brustkrebsdiagnose und Operation mehr als 9 Wochen (57-63 Tage) vergingen, zeigten ein schlechteres Überleben (Hazard Ratio [HR] 1,15) als Frauen, deren Operation innerhalb von 4 Wochen (1-28 Tage) stattfand.
Wiener und ihre Kollegen identifizierten mehrere Faktoren, die Einfluss darauf hatten, wie schnell eine Patientin nach der Brustkrebsdiagnose operiert wurde – einer davon war das Alter der Patientin: Frauen im Alter von 45 Jahren oder darunter wurden mit einer Odds Ratio von 1,32 nach 31 bis 60 Tagen operiert. Die Odds Ratio für eine Operation nach 61 bis 74 Tagen betrug 1,64. Und für eine Verzögerung von mehr als 74 Tagen lag die Odds Ratio bei 1,58.
Darüber hinaus waren aber auch der Versicherungsstatus – keine (private) Krankenversicherung bedeutete eine spätere Operation – und ein niedrigeres Haushaltseinkommen mit einer Verzögerung der Brustkrebs-Operation assoziiert.
Wirklich kein Unterschied zwischen den Subtypen?
„Alle Operationsgruppen bis 9 Wochen nach Diagnose zeigten keine statistisch signifikante Assoziation zwischen der Zeit bis zur Operation und dem Gesamtüberleben“, ergänzen die Autoren. Auch der Subtyp des Tumors spielte dabei offenbar keine Rolle.
Allerdings kritisiert Banys-Paluchowski, dass hierzu keine näheren Angaben gemacht wurden: „Die Autoren geben nur an, dass keine statistisch signifikante Interaktion zwischen der Zeit bis zur Operation, der Rezeptorstatus-Risikogruppe und dem Überleben bestanden habe – das ist zu wenig.“
„Ich würde davor warnen, bei tripelnegativen, schnell wachsenden Tumoren zu sagen, 8 Wochen sind unproblematisch“, so die Brustkrebsexpertin. „Bei einer älteren Dame, die einen hormonrezeptorpositiven Tumor hat, der langsam wächst, kann man dagegen sehr wohl davon ausgehen, dass 8 Wochen keinen Unterschied machen.“
Qualitätsindikator für das US-Gesundheitssystem
Wiener und ihre Kollegen schlagen vor, den Maximalzeitraum von 8 Wochen bis zur Operation als Qualitätsindikator zu verwenden – insbesondere da „ein Zeitraum von mehr als 8 Wochen zumindest teilweise mit einem schlechteren sozioökonomischen Status in Zusammenhang zu stehen scheint“.
„In dieser US-Studie wurde die Operation bei 12% der Patientinnen nicht innerhalb von 8 Wochen durchgeführt. Dieses Problem haben wir in Deutschland nicht wirklich“, betont Banys-Paluchowski. „Jede Patientin, die sich behandeln lassen möchte, hat die Möglichkeit, innerhalb von 8 Wochen mit der Therapie zu starten, in der Regel schneller. Im deutschen onkologischen Zertifizierungssystem lautet die Vorgabe, mit der Therapie nicht zu lange zu warten, aber auch nicht zu kurz. Die Brustkrebsdiagnose ist kein Notfall – und die Patientin soll Zeit haben, sich mit der Brustkrebsdiagnose und den Behandlungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.“
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Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Nicht zu lange warten: US-Forscher raten zur Brustkrebs-OP innerhalb von 8 Wochen – sonst drohe Nachteil beim Überleben - Medscape - 27. Mär 2023.
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