Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 27. März 2023
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 36 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 26. März lag der Wert ebenfalls bei 36. Doch welchen Wert haben die Zahlen noch?
„Das Meldewesen von Corona ist vorbei. Aber Corona selbst ist nicht vorbei“, sagt Prof. Dr. Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes. Er geht von einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 1.000 und 2.000 aus. Seine Beobachtung: „Wir haben noch viele Infektionen. Sie sind harmloser, aber sie sind existent.“
Lehr erwartet jedenfalls, dass sich die Corona-Welle im April abschwächt; „nicht wegen irgendwelcher Saisonalitäten, daran glaube ich nicht mehr. Sondern weil wieder eine Durchseuchungsrunde vorüber ist.“
Unsere Themen heute:
XBB.1.16 („Arkturus“) in Deutschland: Bislang nur einzelne Nachweise
China lässt eigenes mRNA-COVID-19-Vakzin zu
COVID-19 während der Schwangerschaft scheint die neuronale Entwicklung von Jungen zu beeinträchtigen
USA: Warum die Mortalität durch COVID-19 in Arizona höher war als in Hawaii
Technologie aus Pandemie-Zeiten: Im Abwasser lassen sich viele Viren nachweisen
XBB.1.16 („Arkturus“) in Deutschland: Bislang nur einzelne Nachweise
Wie Medscape im Blog berichtet hat, breitet sich XBB.1.16 stark aus – zuerst in Indien, bald darauf in weiteren Ländern. Die neue Variante hat 3 zusätzliche Mutationen (E180V, K478R, S486P) im Spike-Protein.
Das RKI nimmt im aktuellen Wochenbericht zur Lage in Deutschland Stellung. „Bisher wurden in Deutschland nur sehr wenige Sequenzen (n=6, KW 5-10/2023) übermittelt“, schreiben die Forscher. Sie rechnen in den nächsten Wochen generell mit einem Anstieg bei XBB.1-Sublinien, woben XBB.1.16 – noch – nicht im Fokus steht.
„Vorläufige Daten lassen vermuten, dass die Rekombinante XBB.1.5 einen Übertragungsvorteil gegenüber anderen Sublinien sowie deutliche Immunfluchteigenschaften besitzt“, schreibt das RKI.
Das ECDC sieht bei XBB.1.5 für die allgemeine Bevölkerung ein geringes Risiko. Bei vulnerablen Personen, etwa ältere Menschen sowie nicht geimpften und immungeschwächten, wird das Risiko als moderat bis hoch eingeschätzt. Bewertungen zu XBB.1.16 gibt es noch nicht.
China lässt eigenes mRNA-COVID-19-Vakzin zu
China hat seinen ersten im Inland entwickelten mRNA-Impfstoff gegen COVID-19 zugelassen, teilte die CSPC Pharmaceutical Group Ltd mit; Medscape.com hat darüber berichtet. Das Land bemüht sich seit Anfang 2020 um Impfstoffe auf Grundlage dieser Technologie.
Die lang erwartete Zulassung kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Infektionen in ganz China stark zurückgegangen sind, seit das Land im Dezember plötzlich seine strengen „Null-COVID“-Beschränkungen aufgehoben hatte. Das CSPC gab nicht an, wie viele Dosen es produzieren kann. Der Impfstoff könne bei einer Temperatur von 2 bis 8°C lange gelagert werden, hieß es.
Laut CSPC hätten Versuche mit dem Impfstoff gezeigt, dass die Nebenwirkungen in einer Gruppe älterer Menschen wesentlich geringer seien seien, als bei jüngeren Erwachsenen. Das Unternehmen gab an, dass sein unabhängig entwickelter mRNA-Impfstoff SYS6006 auf einige der wichtigsten Omikron-Varianten abziele und seine Booster-Dosis in klinischen Studien eine gute Neutralisierungswirkung gegen BA.5, BF.7, BQ.1.1., XBB.1.5 und CH.1.1. aufweisen würde.
Im Rahmen der zulassungsrelevanten Studie mit 4.000 Teilnehmern, die vom 10. Dezember bis zum 18. Januar durchgeführt wurde, als in China ein Anstieg der Infektionen zu verzeichnen war, zeigte der Impfstoff 14 bis 28 Tage nach einer Auffrischungsimpfung eine Wirksamkeit von 85,3%.
COVID-19 während der Schwangerschaft scheint die neuronale Entwicklung von Jungen zu beeinträchtigen
Jungen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert waren, haben nach neuen Forschungsergebnissen ein höheres Risiko, dass bei ihnen im Alter von 12 Monaten eine neurologische Entwicklungsstörung diagnostiziert wird. Darüber berichten Forscher in JAMA Network Open ; Medscape.com hat das Thema aufgegriffen.
Grundlage der Studie waren Daten von 18.355 Geburten zwischen 1. März 2020 und 31. Mai 2021 aus 8 Krankenhäusern. 883 (4,8%) Mütter hatten sich während der Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert. Bei 26 Kindern (3%) diagnostizierten Ärzte bis zum Alter von 1 Jahr Störungen der neurologischen Entwicklung, einschließlich Störungen der Motorik, der Sprache und der psychologischen Entwicklung. In der Gruppe, die dem Virus nicht ausgesetzt war, erhielten 1,8% eine solche Diagnose.
Nach Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren wie der Ethnie, der Versicherung, dem Alter der Mutter und Frühgeburten stellten die Wissenschaftler fest, dass ein positiver Test auf SARS-CoV-2 während der Schwangerschaft bei Jungen mit einem erhöhten Risiko solcher Diagnosen im Alter von 12 Monaten verbunden war (bereinigte Odds Ratio: 1,94; 95%- Konfidenzintervall: 1,12-3,17; p=0,01). Bei Mädchen traten solche Assoziationen nicht auf.
In einer Subgruppe von Kindern, für die Daten im Alter von 18 Monaten vorlagen, war die Korrelation bei Jungen und statistisch nicht signifikant (bereinigte OR: 1,42; 95%-KI: 0,92-2,11; p=0,10).
Epidemiologische Untersuchungen vor der Pandemie hatten ergeben, dass eine Infektion der Mutter während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für eine Reihe von neurologischen Entwicklungsstörungen einschließlich Autismus und Schizophrenie bei den Nachkommen verbunden ist.
„Das mit einer mütterlichen SARS-CoV-2-Infektion verbundene Risiko für die neurologische Entwicklung war bei männlichen Säuglingen überproportional hoch, was mit der bekannten erhöhten Anfälligkeit von Männern gegenüber pränatalen schädlichen Einflüssen übereinstimmt“, schreiben die Autoren. Größere Studien mit längerer Nachbeobachtung seien nun erforderlich, um das Risiko zuverlässig abzuschätzen.
USA: Warum die Mortalität durch COVID-19 in Arizona höher war als in Hawaii
Eine nach Bundesstaaten aufgeschlüsselte Analyse der Auswirkungen von COVID-19 in den USA zeigt mögliche Gründe auf, warum die Pandemie in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich verlaufen ist. Die Ergebnisse wurden in The Lancet veröffentlicht.
Zwischen 1. Januar 2020 und 31. Juli 2022 waren die kumulativen COVID-19-Todesraten in den USA extrem unterschiedlich. Hawaii und New Hampshire hatten die niedrigsten standardisierten Raten (bereinigt um Alter und Komorbiditäten 147 bzw. 215 Todesfälle pro 100.000 Einwohner); Arizona und Washington, DC, wiesen die höchsten Raten (581 bzw. 526 Todesfälle pro 100.000 hatten) auf. Die Ursachen waren lange Zeit unklar.
Unter Verwendung von Informationen aus öffentlichen Datenbanken analysierten die Forscher politischen Maßnahmen der Regierung und das Verhalten der Bevölkerung (z. B. Verwendung von Masken, Impfungen, Mobilität) in allen 50 US-Bundesstaaten und in Washington, DC, vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Juli 2022.
Sie fanden heraus, dass US-Bundesstaaten mit höherer Armut, mit niedrigerem Bildungsniveau, mit schlechterem Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und mit geringerem Vertrauen der Menschen in andere Bürger unverhältnismäßig höhere Raten von SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19-Todesfällen aufwiesen.
Die Studie zeigt auch, dass Staaten mit besserem Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zwar tendenziell besser abschnitten und im Durchschnitt weniger COVID-19-Todesfälle und SARS-CoV-2-Infektionen aufwiesen, dass aber höhere staatliche Gesundheitsausgaben und mehr öffentliches Gesundheitspersonal pro Kopf nicht mit besseren Gesundheitsergebnissen auf Staatsebene verbunden waren.
Assoziationen gab es auch mit der vorherrschenden politischen Meinung, jedoch anders als erwartet. 5 der 10 Bundesstaaten mit den niedrigsten standardisierten Sterberaten – Termont, New Hampshire, Maryland, Ohio und Nebraska – wurden von Republikanern regiert, während die anderen 5 Bundesstaaten mit den höchsten Sterberaten von demokratischen Gouverneuren geführt wurden. Ein wichtiger Prädiktor für die Infektionen und die Gesamtzahl der COVID-19-Todesfälle war jedoch der Stimmanteil für die Republikaner bei den Präsidentschaftswahlen 2020.
Technologie aus Pandemie-Zeiten: Im Abwasser lassen sich viele Viren nachweisen
Vor COVID-19 wurden Atemwegsviren nicht im Abwasser detektiert. Seit der Pandemie gilt die Technik als gute Möglichkeit, SARS-CoV-2 zu detektieren, vor allem in Zeiten sinkender Testraten oder zum Nachweis neuer Varianten.
Doch welches Potenzial hat die Technologie? Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler in einer großen Kläranlage in Kalifornien Abwasserproben systematisch analysiert. Über Details berichten sie jetzt in The Lancet Microbe .
Mittels digitaler RT-PCR wurden die RNA-Konzentrationen von Influenza-A- und Influenza-B-Viren, RSV A und RSV B, Parainfluenza-Viren, Rhinoviren, saisonalen Coronaviren und Metapneumoviren 3-mal pro Woche über 17 Monate gemessen. Die Untersuchung lief zwischen 1. Februar 2021 und 21. Juni 2022. Zum Einsatz kamen u.a. neue Gensonden, die virale Nukleinsäuren erkennen.
Die höchsten Konzentrationen hatten Nukleinsäuren humaner Rhinoviren und saisonaler humaner Coronaviren. Generell korrelierten die Werte signifikant mit Positivraten von Sentinel-Proben. Ausgenommen davon waren Influenza B und RSV A. Die Messungen zeigten, dass das Coronavirus OC43 bei den saisonalen Infektionen mit humanen Coronaviren vorherrschend war, während bei den Parainfluenza-Infektionen im Untersuchungszeitraum das Parainfluenza 3 dominierte.
„Die Konzentrationen aller getesteten viralen RNA nahmen nach dem Omikron BA.1-Anstieg merklich ab, was auf einen Zusammenhang zwischen den Veränderungen im menschlichen Verhalten während des Anstiegs und der Übertragung aller Atemwegsviren schließen lässt“, heißt es im Artikel.
Bleibt als Fazit: „Die abwasserbasierte Epidemiologie kann genutzt werden, um Informationen über die Verbreitung von Atemwegsviren … zu erhalten, ohne dass viele Einzelpersonen getestet werden müssen, da eine einzige Abwasserprobe die gesamte Gemeinschaft repräsentiert“, kommentieren die Autoren. „Die Ergebnisse aus dem Abwasser können innerhalb von 24 Stunden nach der Probenentnahme vorliegen.“ Das erleichtere es, Entscheidungen auf medizinischer oder gesundheitspolitischer Ebene schnell zu treffen.
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Credits:
Photographer: © Kuki Ladron De Guevara
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Hohe Dunkelziffer: 7-Tage-Inzidenz doch zwischen 1.000 und 2.000 - statt 36?; „Arkturus“-Nachweise; Abwasser als Indikator für viele Viren - Medscape - 27. Mär 2023.
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