Vegane Ernährung als Risiko für Senioren: Kann sie den erhöhten Eiweißbedarf im Alter decken und Muskelkraft erhalten?

Antje Sieb

Interessenkonflikte

23. März 2023

Bonn - Eine pflanzenbasierte Ernährung ist die Ernährung der Zukunft – darüber sind sich viele Experten einig. Denn nur mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel lässt sich auch lange Sicht der Bedarf einer wachsenden Weltbevölkerung decken. „Auch wenn nicht alle Veganer werden müssen, ist eine deutliche Verringerung des Konsums von Fleisch und anderen tierischen Produkten erforderlich, besonders in Ländern des Globalen Nordens.” sagte Prof. Dr. Matin Quaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung [1].

 
Auch wenn nicht alle Veganer werden müssen, ist eine deutliche Verringerung des Konsums von Fleisch und anderen tierischen Produkten erforderlich (…). Prof. Dr. Matin Quaim
 

Mehr pflanzliche Lebensmittel statt Fleisch und Tierprodukte versprechen auch gesundheitliche Vorteile. Zu den nicht komplett geklärten Fragen gehört allerdings, ob und wie pflanzliche Lebensmittel allein, im Sinne einer veganen Ernährung, den menschlichen Eiweißbedarf in allen Lebenssituationen ideal decken können.

Tierisches Eiweiß ist für Menschen relativ leicht verwertbar und enthält einen hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren – Aminosäuren, die wir zum Aufbau von Körpereiweißen benötigen, aber nicht selbst herstellen können. Viele Pflanzen enthalten im Prinzip ausreichend Eiweiß – allerdings sind in Pflanzen häufig einzelne essentielle Aminosäuren knapp, und limitieren damit die Verwertbarkeit.

Denn zum Aufbau von Körpereiweiß werden alle 9 essentiellen Aminosäuren in einem bestimmten Verhältnis benötigt. Ist eine davon nicht mehr verfügbar, wird das Restprotein in der Regel zur Energiegewinnung genutzt, da der Körper Aminosäuren nicht speichern kann.

Pflanzliche Eiweißquellen kombinieren

Das lässt sich entweder durch insgesamt höhere Eiweißaufnahme oder durch intelligente Kombinationen unterschiedlicher pflanzlicher Lebensmittel kompensieren. „Limitierende Aminosäuren gleichen sich bei unterschiedlichen Pflanzenarten recht gut aus“, erklärt die Verfahrenstechnikerin Dr. Susanne Gola vom Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising auf dem DGE-Kongress.

Während z.B. in Hülsenfrüchten oft schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin in geringeren Anteilen vorkommen, ist in Getreide ausreichend Methionin, dafür aber eher wenig Lysin vorhanden. Beide Lebensmittel in Kombination ergänzen sich aber, weil dann alle Aminosäuren ausreichend zur Verfügung stehen.

 
Limitierende Aminosäuren gleichen sich bei unterschiedlichen Pflanzenarten recht gut aus. Dr. Susanne Gola
 

Experten gehen deshalb davon aus, dass etwa Kombinationen wie Reis und Hülsenfrüchte eine gute Proteinmischung ergeben und vollwertiges Protein liefern. In der Studie APPETITE hatten Wissenschaftler um Gola isolierte Pflanzenproteine und Ballaststoffe gezielt miteinander kombiniert, um ideale Aminosäureprofile zu erreichen.

Die Mischungen wurden dann im Vergleich mit Molkenprotein in einer Pilotstudie an 9 Seniorinnen und Senioren getestet. Blutproben ergaben allerdings, dass trotzdem etwa die essentielle Aminosäure Methionin nach den mit Pflanzenprotein angereicherten Mahlzeiten nicht so häufig im Blut zu finden war wie nach Molkenproteinaufnahme. „Vielleicht geht ein Teil durch Verarbeitungsprozesse verloren“, vermutet Gola.

Proteinbedarf besonders bei Senioren erhöht

Die Verarbeitung, aber auch verschiedene Inhaltsstoffe von Pflanzen können die Proteinverfügbarkeit begrenzen. Sogenannte antinutritive Stoffe wie Trypsin-Inhibitoren oder Tannine und Phytinsäure können in Lebensmitteln dafür verantwortlich sein, dass das Pflanzenprotein für den menschlichen Körper nicht so gut verwertbar ist. In Deutschland sind die meisten Menschen ausreichend mit Protein versorgt bzw. überschreiten die Empfehlungen.

 
Generell weisen SeniorInnen ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung auf (…). Dr. Ellen Dresen
 

Ein Teil der Senioren nimmt allerdings zu wenig Protein zu sich. „Generell weisen SeniorInnen ein erhöhtes Risiko für Mangelernährung auf – der Energiebedarf sinkt, aber der Nährstoffbedarf bleibt nahezu unverändert bzw. ist wie im Falle des Proteins erhöht”, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Ellen Dresen vom Universitätsklinikum Würzburg.

Gerade bei dieser Gruppe könnte also die Proteinqualität wichtig sein, wenn man einerseits die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung nutzen und andererseits z.B. einen Muskelabbau mit Kraftverlust und Gebrechlichkeit möglichst verhindern möchte. Es gibt allerdings noch nicht ausreichende Studien, die gerade bei Senioren detailliert klären könnten, wie bestimmte pflanzliche Produkte sich auf die Proteinversorgung sowie den Gesundheits- und Funktionsstatus auswirken. „Auch da besteht noch Forschungsbedarf”, betont Dresen.

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