Lange vorwiegend als Erkrankung bei Säuglingen angesehen, ist spätestens seit der letzten Wintersaison klar: Das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) verursacht auch bei älteren Menschen zum Teil schwere bis lebensbedrohliche Infektionen der unteren Atemwege. Während für gefährdete Kleinkinder zur passiven Prophylaxe monoklonale Antikörper verfügbar sind, stehen nun erstmals gleich mehrere Vakzine für eine aktive RSV-Impfung Älterer vor der Zulassung.

Prof. Dr. Tino Schwarz
Aktuelle Ergebnisse der hierzu laufenden Phase-3-Studien erläuterte Prof. Dr. Tino Schwarz vom Impfzentrum des Klinikums Würzburg Mitte (KWM) beim 24. Forum Reisen und Gesundheit des CRM Centrum für Reisemedizin, das als Hybridveranstaltung in Berlin und online stattfand [1] .
Hospitalisierungsraten und Fallschwere: Parallelen zur Influenza
RSV tritt weltweit, in allen Altersklassen und in einer der Influenza vergleichbaren Saisonalität auf. In Deutschland wird die höchste Inzidenz im Zeitraum zwischen November und April beobachtet. Auf Europa bezogene Schätzungen für die Altersgruppe 60+ gehen davon aus, dass das Virus pro Jahr für mehr als 2 Millionen akuter Atemwegsinfektionen, mehr als eine Viertelmillion Krankenhausaufenthalte und rund 17.000 Todesfälle verantwortlich ist.
„Wichtigste Risikofaktoren für schwere Verläufe bei Erwachsenen sind höheres Alter, kardiovaskuläre oder pulmonale Vorerkrankungen, Diabetes mellitus sowie Immunsuppression und Immundefizienz“, erklärte Schwarz. Sowohl hinsichtlich der Hospitalisierungsraten als auch der Fallschwere sei eine RSV-Infektion mit der durch das Influenzavirus vergleichbar.
„Die klinische Relevanz einer Infektion Älterer mit RSV wurde allerdings bis vor kurzem vielfach unterbewertet.“ Einer der Gründe dafür: Früher bzw. bis zur Anwendung der Multiplex-PCRs zum Nachweis respiratorischer Erreger sei gar nicht auf RSV getestet worden.
5 Impfstoffe – 5 technologische Plattformen
Aktuell sind für Menschen ab 60 Jahren 5 aktive Impfstoff-Kandidaten in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung bzw. bereits in deren Phase 3. Sie alle zielen auf das Prä-Fusionsprotein (präF) als immundominante Zielstruktur von RSV. „Das Besondere dabei ist, dass diese 5 Impfstoffe auf 5 unterschiedlichen technologischen Plattformen basieren“, so der Würzburger Experte.
Dabei handelt es sich um:
einen mit AS01 adjuvantierten rekombinanten präF3-Impfstoff (GSK),
einen rekombinanten bivalenten präF-Subtyp-A+B-Impfstoff (Pfizer),
einen mRNA-basierten Impfstoff (Moderna),
einen vektorbasierten Ad26/rekombinanten präF-Impfstoff (Janssen) sowie
einen modifizierten Vaccinia-Ankara-basierten RSV-Impfstoff mit 5 Antigenen (Bavarian Nordic).
Hohe Effektivität zur Vermeidung unterer Atemwegserkrankungen
Die klinischen Endpunkte der verschiedenen Impfstudien sind Schwarz zufolge weitgehend vergleichbar: Für den adjuvantierten rekombinanten präF3-, den bivalenten rekombinanten präF-Subtyp-A+B- und den mRNA-basierten RSV-Impfstoff gebe es bereits erste Ergebnisse aus den laufenden Phase-3-Studien, die eine hohe Wirksamkeit vor RT-PCR-bestätigter ARI (acute respiratory infection), LRTD (lower respiratory tract disease) und schwerer LRTD demonstrierten.
So zeigten kürzlich im NEJM veröffentlichte Ergebnisse zur Impfung mit dem adjuvantierten rekombinanten präF3-Impfstoff eine Effektivität zur Vermeidung akuter Erkrankungen der unteren Atemwege (LRTD) von mehr als 82%. Zur Vermeidung schwerer LRTD lag die Effektivität sogar bei 94%. „Angesichts der im Alter zunehmenden Immunoseneszenz sind solche Ergebnisse für eine Seniorenimpfung bemerkenswert“, konstatierte Schwarz.
Im Fokus der Indikation: Über 60-Jährige mit Vorerkrankungen
Sowohl die EMA als auch die FDA haben für den adjuvantierten rekombinanten präF3-Impfstoff und den rekombinanten bivalenten präF-Subtyp-A+B-Impfstoff ein „Fast Track“-Zulassungsverfahren genehmigt. „Somit ist davon auszugehen, dass die ersten RSV-Impfstoffe für Menschen ab 60 Jahre in Deutschland bereits zum Herbst dieses Jahres zugelassen und zur Verfügung stehen werden.“ Primär im Fokus für die Immunisierung sind Patienten mit den zuvor genannten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf der RSV-Infektion, also solche mit kardiovaskulären oder pulmonalen Vorerkrankungen, Diabetes mellitus oder Immundefizienz.
„Derzeit läuft jedoch auch eine Studie, die den eventuellen Nutzen der Impfung bei jüngeren Vorerkrankten ab 50 Jahren untersucht“, berichtete Schwarz. Weitere Forschung sei nötig, um herauszufinden, ob die Impfung eventuell sogar allen über 60-Jährigen als Prophylaxe zu empfehlen wäre.
Weitere aktuell noch offene Fragen zur Anwendung der RSV-Impfstoffe bei Älteren betreffen unter anderem die Dauer des Schutzes, die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen und ob eine Koadministration – z.B. mit Impfstoffen gegen Influenza, Zoster, Pneumokokken und Tdap (Tetanus-Diphtherie-Pertussis) – möglich und sinnvoll sein könnte.
Zeitnahe STIKO-Bewertung angestrebt
Dem Thema RSV-Impfstoffe widmet sich auch das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) finanzierte Versorgungsforschungsprojekt VIPER – Vergleich von Impfstrategien zur Prävention von Erkrankung durch Respiratorische Synzytial-Viren: Auswirkungen auf Krankheitslast und Kosten. Dabei heißt es: „Es besteht ein hohes öffentliches Interesse an einer zeitnahen Bewertung dieser Impfstoffe durch die Ständige Impfkommission (STIKO).“
Mehr über RSV-Infektionen zu informieren, dies hält Impfexperte Schwarz nicht zuletzt im hausärztlichen Bereich für angebracht: „Denn dass RSV-Infektionen nicht nur für gefährdete Kleinkinder, sondern auch für ältere Erwachsene und Personen mit diversen Grunderkrankungen von medizinischer Relevanz sein können, wurde sicher auch im allgemeinärztlichen Praxisalltag bisher noch oft unterschätzt.“
In der Pipeline: Maternale Vakzine zur aktiven Immunisierung von Säuglingen
Was Kleinkinder betrifft, so haben fast alle von ihnen bis zum Ende des 2. Lebensjahrs bereits eine RSV-Infektion mit erkältungsähnlichen Symptomen durchgemacht, die in der Regel ohne Komplikationen verläuft. Gefahr für pulmonale Komplikationen besteht jedoch bei Frühgeborenen und Kleinkindern mit Risikofaktoren wie einem angeborenen Herzfehler oder Mukoviszidose. Für sie steht zur passiven RSV-Prophylaxe bereits seit mehreren Jahren der monoklonale Antikörper Palivizumab zur Verfügung.
„Vor kurzem wurde zudem der neu entwickelte monoklonale Antikörper Nirsevimab zugelassen, durch den mit 5 Monaten eine im Vergleich zu Palivizumab eine rund 5-mal längere Protektionsdauer erreicht wird“, so Schwarz. Die Prophylaxe mit Nirsevimab bei Säuglingen richte sich vor allem an deren Schutz in der ersten RSV-Saison.
Doch auch für Säuglinge könnte es in nicht allzu ferner Zukunft einen aktiven RSV-Impfschutz geben: „Hierzu liegen erste positive Studienergebnisse mit einem bivalenten präF-Impfstoff vor, der als maternale Vakzine eingeführt werden soll“, berichtete der Würzburger Experte. Dabei induziert die Impfung von Schwangeren im 3. Trimenon einen Anstieg von RSV-Antikörpern, die diaplazentar übertragen werden und später das Neugeborene für mehrere Monate vor einer RSV-bedingten Atemwegserkrankung schützen könnten.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Jarun011
Lead image: Dreamstime.com
Medscape © 2023
Diesen Artikel so zitieren: 5 aktive Impfstoffe gegen RSV für Ältere in klinischer Prüfung: Zulassung bereits in diesem Jahr erwartet - Medscape - 23. Mär 2023.
Kommentar