Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 23. März 2023
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 40 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 22. März lag der Wert bei 41.
Unsere Themen heute:
US-Experten: Ist es an der Zeit, nicht mehr von einer Pandemie zu sprechen?
Arcturus – eine neue Variante von SARS-CoV-2 ante portas
Hydrocortison verringert Mortalität bei ambulant erworbener Pneumonie
Candida auris breitet sich aus – eine Folge der Pandemie?
US-Experten: Ist es an der Zeit, nicht mehr von einer Pandemie zu sprechen?
Vor 3 Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation COVID-19 offiziell als Pandemie eingestuft. Seit rund 1 Jahr sind keine neuen, besorgniserregenden Varianten mehr aufgetreten. Das ist Grund genug für viele Experten, die Pandemie für beendet zu erklären, wie Medscape.com berichtet. Viele Virologen aus Deutschland sehen dies ähnlich.
Dr. Eric Topol, Gründer und Direktor des Scripps Research Translational Institute in La Jolla, Kalifornien, und Editor-in-Chief von Medscape, sagte, es sei jetzt an der Zeit, COVID-19 als endemisch zu bezeichnen. Etliche Anzeichen – von der genomischen Überwachung des Virus über das Abwasser bis hin zu Daten aus Kliniken – würden auf eine neue Situation hindeuten: Die endemische Phase sei endlich eingetreten.
Dennoch hat Topol folgende Bedenken:
US-weit werden pro Tag laut COVID-Tracker der New York Times immer noch pro Tag 26.000 COVID-19-Patienten ins Krankenhaus eingewiesen, und 350 sterben.
Neue Mutationen könnten sich entwickeln, die kontagiöser sind und/oder zu deutlich schwereren Krankheitsverläufen führen als bislang zirkulierende Omikron-Varianten.
Dr. William Schaffner, Experte für Infektionskrankheiten am Vanderbilt University Medical Center in Nashville, weist ebenfalls auf die hohe Zahl an Hospitalisierungen und an Todesfällen hin, relativiert jedoch, es gebe, verglichen mit dem Beginn der Pandemie, eben keine Krise im Gesundheitswesen mehr. Neue Varianten des Virus hält er für wahrscheinlich, aber kaum für bedrohlich, denn:
Mittlerweile haben große Teile der Bevölkerung Immunität gegen SARS-CoV-2, die – wenn auch vielleicht abgeschwächt – gegen bislang unbekannte Mutationen schützt.
Tritt eine neue Variante auf, rechnet Schaffner auch evolutionsbiologisch mit einem milderen Verlauf.
Arcturus – eine neue Variante von SARS-CoV-2 ante portas
Genau diese Fragestellungen könnten schneller als erwartet von Bedeutung sein. Sorgen bereitet die neue Variante XBB.1.16. Nach dem hellsten Stern des Nordhimmels wird sie „Arcturus“ genannt.
Arcturus hat die Infektionszahlen in Indien innerhalb von 14 Tagen um 281% ansteigen lassen. Im gleichen Zeitraum sollen die Todeszahlen um 17% gestiegen sein. Das schreibt Vipin M. Vashishtha, ein Kinderarzt aus dem indischen Bijnor, auf Twitter. Die Aussagekraft solcher Zahlen ist noch begrenzt; absolut handelt es sich um einige hundert Fälle.
Doch Arcturus scheint sich weiter auszubreiten. Die Variante wurde in etlichen Ländern nachgewiesen, laut Daten-Dashboard vereinzelt auch in Deutschland mit 2 Fällen in Bayern bzw. mit je 1 Fall in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen.
Was steckt dahinter? XBB.1.16 weist zahlreiche Mutationen auf, die schon bei der weit verbreiteten Virusvariante XBB.1.5 zu finden sind. Hinzu kommen jedoch weitere Mutationen innerhalb des Spike-Proteins und an anderen Stellen. Eine dieser genetischen Veränderungen führt zur verminderten Ausschüttung von Interferonen. Damit könnte sich Arcturus der Immunabwehr entziehen. Vorläufige Daten deuten laut WHO aber nicht auf eine erhöhte Krankheitsschwere hin.
„Da es auch schon Fälle in Deutschland gibt, wäre auch hier ein breiteres Monitoring wieder sinnvoll, jedoch haben wir kaum noch Test- und entsprechend Varianten-Analyse-Ergebnisse“, kritisiert der Virologe PD Dr. Dr. Martin Stürmer aus Frankfurt. Insgesamt sei es aber zu früh, um „in Alarmstimmung zu verfallen“.
Hydrocortison verringert Mortalität bei ambulant erworbener Pneumonie
Bislang war unklar, ob die entzündungshemmende und immunmodulatorische Wirkung von Glukokortikoiden die Sterblichkeitsrate von Patienten mit schwerer, ambulant erworbener Lungenentzündung verringert. Neue Erkenntnisse liefert eine multizentrische, randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie der Phase 3. COVID-19 gehört zu den ambulant erworbenen Pneumonien; auch in Zusammenhang mit dieser Erkrankung sind die neuen Erkenntnisse von Bedeutung.
Erwachsene, die wegen einer schweren ambulant erworbenen Lungenentzündung auf die Intensivstation eingeliefert worden waren, erhielten entweder Hydrocortison (200 mg täglich für 4 oder 8 Tage, je nach klinischer Besserung, gefolgt von einer Phase mit Dosisreduktion für insgesamt 8 oder 14 Tage) oder mit Placebo. Das primäre Ergebnis war der Tod nach 28 Tagen.
Als die Studie nach der 2. geplanten Zwischenanalyse abgebrochen worden ist, hatten die Forscher insgesamt 800 Patienten randomisiert. Die Daten von 795 Patienten wurden ausgewertet.
Am 28. Tag waren 25 von 400 Patienten (6,2%; 95%-Konfidenzintervall 3,9% bis 8,6%) in der Hydrocortison-Gruppe und 47 von 395 Patienten (11,9%; 95%-KI 8,7% bis 15,1%) in der Placebo-Gruppe gestrorben. Die absolute Differenz beträgt -5,6 Prozentpunkte (95%-KI -9,6 bis -1,7 Prozentpunkte; p=0,006).
Bei Patienten ohne mechanische Beatmung zu Studienbeginn mussten Ärzte in der Hydrocortison-Gruppe bei 40 von 222 (18,0%) und in der Placebo-Gruppe bei 65 von 220 (29,5%) eine endotracheale Intubation durchführen (Hazard Ratio 0,59; 95%-KI, 0,40 bis 0,86). Und bei Patienten, die initial keine Vasopressoren erhielten, wurde eine solche Therapie bis zum 28. Tag bei 55 von 359 (15,3%) in der Hydrocortison-Gruppe und bei 86 von 344 (25,0%) in der Placebo-Gruppe eingeleitet (HR 0,59; 95%-KI 0,43 bis 0,82).
Die Häufigkeit von Krankenhausinfektionen und gastrointestinalen Blutungen war in beiden Gruppen ähnlich; Patienten der Hydrocortison-Gruppe erhielten in der ersten Behandlungswoche mehr Insulin.
„Bei Patienten mit schwerer, ambulant erworbener Lungenentzündung, die auf der Intensivstation behandelt wurden, hatten diejenigen, die Hydrocortison erhielten, ein geringeres Sterberisiko bis zum 28. Tag“, fassen die Autoren zusammen.
Candida auris breitet sich aus – eine Folge der Pandemie?
In den USA nimmt laut Medscape.com die Zahl an Infektionen mit Candida auris weiter zu. Seit 2019 beobachten die Centers of Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, einen Anstieg um 200%. Ob es kausale Zusammenhänge zur COVID-19-Pandemie gibt, können Experten derzeit nicht sagen.
Für gesunde Menschen stellt der Pilz keine Bedrohung dar. Patienten in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind jedoch einem erhöhten Risiko ausgesetzt, weil sie möglicherweise ein geschwächtes Immunsystem haben oder weil C. auris bei invasiven Maßnahmen direkt in den Körper gelangt.
Im Jahr 2021 gab es US-weit 3.270 Fälle mit einer Infektion und 7.413 Fälle, bei denen der Pilz nur nachweisbar war. Die Zahl der Infektionen ist im Vergleich zum Vorjahr um 95% gestiegen, und der Pilz wurde 3-mal so häufig bei Untersuchungen festgestellt. Auch die Zahl der Fälle, die gegen Medikamente resistent waren, verdreifachte sich.
Die CDC halten einen Zusammenhang mit der Pandemie aufgrund der starken Belastung der Gesundheitsversorgung zumindest für denkbar. Ein weiterer Grund für den sprunghaften Anstieg könnte sein, dass Ärzte verstärkt auf C. auris screenen und der Erreger häufiger gefunden wird. Dennoch scheint die Dunkelziffer hoch zu sein.
„Der rasche Anstieg und die geografische Ausbreitung der Fälle sind besorgniserregend und unterstreichen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung, erweiterter Laborkapazitäten, schnellerer diagnostischer Tests und der Einhaltung bewährter Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle“, so Dr. Meghan Lyman, Epidemiologin bei den CDC.
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Credits:
Photographer: © Dzmitry Dzemidovich
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: „Arcturus“ naht – was bisher über die neue Variante bekannt ist; Ist die Pandemie wirklich zu Ende? - Medscape - 23. Mär 2023.
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