Am 23. März beginnt in diesem Jahr der Ramadan und endet am 21. April (in der geografischen Region von Deutschland). Mehrere Studien haben statistisch signifikante Assoziationen zwischen Fasten während einer Schwangerschaft im Ramadan und einer schlechteren Gesundheit der Kinder gezeigt. Negativen Auswirkungen des Fastens auf das Geburtsgewicht könnten durch eine Erhöhung des Fettgehalts in der Ernährung während der fastenfreien Stunden gemindert werden können, berichten Forscher jetzt in PLOSONE [1].
„Unsere Studie zeigt, dass es zur Minimierung der negativen Auswirkungen auf das Geburtsgewicht wichtig zu sein schein, sicherzustellen, dass Frauen, die sich für das Fasten entscheiden, ausreichend Kalorien zu sich nehmen“, sagt Fabienne Pradella von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. „Interessanterweise verschwanden die negativen Auswirkungen auf das Geburtsgewicht bei Frauen, die während des Ramadans [ihren Speiseplan] auf eine fettreiche Ernährung umgestellt haben: vermutlich, weil es eine solche Ernährung in diesem Monat, in dem die Häufigkeit der Mahlzeiten verringert wird, einfacher macht, eine ausreichende Menge an Kalorien zu sich zu nehmen.“
Pradella: „Auch wenn dies für schwangere Frauen, die Fasten möchten, eine gute Nachricht zu sein scheint, ist zu beachten, dass wir noch nicht wissen, ob eine fettreiche Ernährung auch dazu beiträgt, langfristige negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen zu vermeiden.“ Sie gibt zu bedenken: „Wir wissen noch nicht genug darüber, wie der Verzehr spezifischer (Makro-)Nährstoffe und Nahrungsmittelgruppen die langfristigen Auswirkungen des Fastens auf das Kind mindern kann.“ Bis dahin gelte der Rat, mit dem Fasten während der Schwangerschaft vorsichtig zu sein.
Studie mit 326 Schwangeren
Pradella und Kollegen führten eine retrospektive Befragung von 326 muslimischen Frauen durch, die in Mainz geboren worden waren und deren Schwangerschaften sich im Jahr 2017 mit dem Monat Ramadan überschnitten haben. Mit Zustimmung nahmen sie auch Einblick in deren Krankenhausdaten zum Geburtsgewicht und zur Dauer der Schwangerschaft.
Die Erhebung umfasste Fragen zum Fastenverhalten der Frauen, zur Ernährung und zum Schlafmuster während des Ramadans sowie zum Beschäftigungsstatus vor der Elternzeit, zum höchsten Bildungsabschluss, zum Geburtsland, zur Nulliparität und zur Aufenthaltsdauer in Deutschland. Es wurden auch Daten zum BMI während der Schwangerschaft, zu Schwangerschafts-Risikofaktoren (Rauchen, Alkoholkonsum, Drogenkonsum und Konsanguinität) sowie zur Kenntnis der Schwangerschaft während des Ramadans erhoben.
Von den 326 befragten Frauen fasteten im Ramadan 2017 insgesamt 30% zwischen 3 und 29 Tagen. 47% aller Frauen aus dieser Subgruppe fasteten mindestens 20 Tage, wobei sich das 1. Trimenon bei 42% der fastenden Frauen mit dem Ramadan überschnitt.
Die Studie ergab, dass Fasten während der Schwangerschaft mit einem verringerten Geburtsgewicht assoziiert war (-158,19 g; 95 %-KI: -300,83 bis -15,55). Kinder von Müttern, die im 1. Trimenon fasteten, wiesen ein signifikant niedrigeres Geburtsgewicht auf als Kinder von Müttern, die trotz der Überschneidung zwischen ihrem 1. Trimenon und dem Ramadan nicht fasteten (-352,92 g; 95 %-KI: -537,38 bis -168,46). Die Auswirkungen des Fastens waren nach 10 bis 19 Tagen und 20 bis 29 Tagen ähnlich, während die Assoziation zwischen dem Geburtsgewicht und dem Fasten nach 3 bis 9 Tagen nicht signifikant war.
Wichtig ist, dass die negative Assoziation zwischen dem Fasten und dem Geburtsgewicht nur bei Frauen auftrat, die den Fettgehalt ihrer Nahrung verringerten oder ihre Aufnahme von Nahrungsmitteln mit hohem Fettgehalt während des Ramadans nicht veränderten.
Weniger Schlaf oder die Aufnahme süßer Nahrungsmittel zeigten keine signifikante Assoziation mit dem Geburtsgewicht.
„Unsere Forschungsergebnisse werden aufgrund der relativ kleinen Fallzahl nicht alle Fragen darüber beantworten, wie die Ernährung während der fastenfreien Stunden die Auswirkungen des Ramadans während einer Schwangerschaft auf das Kind beeinflussen könnten“, sagt Pradella. „Doch angesichts der zunehmenden Evidenz zu den negativen Gesundheitsauswirkungen des Fastens während einer Schwangerschaft glauben wir, dass sie einen wichtigen Anfang darstellen, dem hoffentlich umfangreiche Forschung folgen wird“.
Kontext und Respekt sind wichtig
Zum Hintergrund: Der Ramadan fällt auf verschiedene Jahreszeiten, da er dem Mondkalender folgt. 2017 lag der Fastenmonat etwa im Mai und Juni. Hier waren die Fastenzeiten in Deutschland mit bis zu 18 Stunden pro Tag besonders lang. Die tägliche Anzahl der Fastenstunden hängt von der geografischen Lage und den Jahreszeiten ab, in die der Ramadan fällt. Die Muster des Lebensstils und die Aufnahme von Nahrungsmitteln können aufgrund kultureller Unterschiede stark variieren.
„Gemäß den meisten islamischen Interpretationen sind schwangere Frauen vom Fasten befreit, wenn sie hinsichtlich ihrer eigenen Gesundheit oder der Gesundheit ihres Babys Bedenken haben“, sagt Pradella. „Das Fasten im Ramadan während einer Schwangerschaft ist ein hochsensibles Thema, da viele Frauen … dies aufgrund tief verwurzelter religiöser Motivationen tun.“
Die Wissenschaftlerin konkretisiert: „Unsere Umfrageergebnisse ergaben, dass 73% der fastenden Frauen dies als Ausdruck ihres Glaubens betrachten, selbst während einer Schwangerschaft. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass medizinische Fachkräfte diese religiösen Überzeugungen anerkennen und respektieren.“ Das Fasten im Ramadan sei nicht die einzige Form des intermittierenden Fastens, die während einer Schwangerschaft eingehalten werde. Andere Praktiken wie das Auslassen des Frühstücks oder das Einhalten einer Diät seien ebenfalls üblich.
Methodische Einschränkungen der Studie
Mohammed Sattar, Allgemeinmediziner der Woodhouse Medical Practice in Leeds im Vereinigten Königreich, der nicht an der Studie beteiligt war, sagt, dass der strukturierte Ansatz der Befragung Einschränkungen aufweise und dass ein Echtzeit-Fragebogen einem retrospektiven Fragebogen möglicherweise vorzuziehen sei.
Die Forscher bestätigen dies, relativieren jedoch, es sei „unmöglich, eine repräsentative Stichprobe von Frauen in allen Stadien der Schwangerschaft zu rekrutieren, die bereit sind, solche Tagebücher während eines bevorstehenden Ramadans zu führen“. Dies sei vor allem schwierig, falls die Stichprobe groß genug sein sollte, um eine multiple lineare Regressionsanalyse des Ausgangs der jeweiligen Schwangerschaften bzw. der Geburten durchzuführen.
Der beratende Endokrinologe Nazim Ghouri von der University of Glasgow im Vereinigten Königreich fügt hinzu, dass eine Hyperemesis gravidarum während des 1. Trimenons einen erschwerenden Effekt haben könnte, der berücksichtigt werden müsse. Ghouri, der nicht an der Studie beteiligt war, stellt die Frage, ob Personen mit höherem sozioökonomischem Hintergrund und mit ohnehin mehr höherkalorischen Nahrungsmitteln am Speiseplan gewesen seien, die niedrigere Geburtsgewichte abgepuffert hätten. Generell handele es sich um eine Assoziationsstudien sind, die keine Kausalität erkennen lasse.
Beratung von Patientinnen im multidisziplinären Team
„Die Entscheidung, ob eine schwangere Patientin fasten kann, muss individuell und unter Berücksichtigung der Gesundheit der Mutter und der bisherigen Schwangerschaftsrisiken getroffen werden und regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden“, sagt Sattar. „Häufig ist ein Ansatz mit einem multidisziplinären Team hilfreich, um Ansichten aller an der Versorgung beteiligter Spezialisten einzubeziehen.“ Wichtig sei, bei Frauen, die fasten möchten, eine Risikostratifizierung durchzuführen. „Letztendlich ist es unser Ziel, die Frauen zu unterstützen und ein gemeinsames Übereinkommen für das sicherste Ergebnis zu erreichen“, betont Sattar.
Ghouri hat gemeinsam mit Kollegen ein Evidenzkompendium zum Fasten im Ramadan erarbeitet. „In unseren Leitlinien fordern wir unter anderem dazu auf, die Person als Ganzes zu betrachten – nicht nur die medizinische Seite, sondern auch soziopsychologische Faktoren, das Alter, den körperlichen Zustand und die bisherigen Erfahrungen mit dem Fasten.“ Er weiß: „Frühere Erfahrungswerte können darauf hindeuten, was in Zukunft passieren könnte.“
Das Kompendium umfasst allgemeine Prinzipien und krankheitsspezifische Leitlinien mit einer Risikostratifizierung und einem Ampel-basierten System. So können Ärzte Aussagen darüber treffen, ob das Fasten als unbedenklich angesehen werden kann, ob davon abzuraten oder sogar ausdrücklich abzuraten ist.
Welche Rolle übernehmen Ärzte?
Das Forschungsteam untersucht nun die Rolle der Ärzte für den Entscheidungsfindungsprozess schwangerer Musliminnen bezüglich des Fastens. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Gespräch mit einer medizinischen Fachkraft über den Ramadan die Entscheidung einer schwangeren Frau zum Fasten während des Ramadans erheblich beeinflussen kann“, sagt Pradella. „Daher ist es für Ärzte von entscheidender Bedeutung, den Zeitpunkt des Ramadans zu berücksichtigen, damit sie das Problem proaktiv mit ihren muslimischen Patientinnen besprechen können“.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Schwangerschaft im Ramadan: Wie gelingt es, trotz des Fastens ein niedriges Geburtsgewicht zu verhindern? - Medscape - 23. Mär 2023.
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