Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Langzeitergebnisse bei Mamma-, Prostata- und Magenkarzinom. Beim nicht-invasiven Mammakarzinom verhindert eine niedrig dosierte Tamoxifen-Einnahme über 3 Jahre noch nach 10 Jahren ein Rezidiv. Unabhängig von der Therapie ist beim lokalisierten Prostatakarzinom die Sterblichkeit nach 15 Jahren niedrig. Eine Laparoskopie durch einen erfahrenen Chirurgen ist bei Patienten mit Magenkarzinom nach 5 Jahren einer offenen Operation beim rezidivfreien Überleben nicht unterlegen. Und eine retrospektive Kohortenstudie ergab, dass Immuncheckpoint-Inhibitoren das Überleben von älteren Lungenkrebs-Patienten mit 1,1 Monaten im Median nur wenig verlängern, während Patienten unter 55 Jahren im Median 3,5 Monate länger leben.
Mammakarzinom: 10-Jahres-Daten der TAM-01-Studie
Mammakarzinom: Nicht später als 8 Wochen nach Diagnose operieren
Lokalisiertes Prostatakarzinom: Sterblichkeit nach 15 Jahre niedrig
Fortgeschrittenes Magenkarzinom: 5-Jahres-Daten zur laparoskopischen und zur offenen Gastrektomie
NSCLC: Überlebensvorteile bei Älteren mit Erstlinien-Immuntherapie mäßig
AML: MAC-Score erlaubt Vorhersage des Ansprechens auf Venetoclax/Azacitidin
Mammakarzinom: 10-Jahres-Daten der TAM-01-Studie
Niedrig dosiertes Tamoxifen (5 mg/Tag) über 3 Jahre eingenommen verhindert signifikant das Wiederauftreten eines nichtinvasiven Mammakarzinom 7 Jahre nach Behandlungsende ohne Langzeitnebenwirkungen. Diese 10-Jahres-Ergebnisse der Phase-3-Studie TAM-01 hat eine italienische Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology publiziert.
Die TAM-01-Studie schloss 500 Frauen unter 75 Jahren mit nicht-invasivem Mammakarzinom ein, die randomisiert über 3 Jahre hinweg täglich 5 mg Tamoxifen oder Placebo erhielten. Bei den meisten Patientinnen (69-70%) lag ein duktales Karzinom in situ (DCIS) vor, bei 10-11% ein lobuläres Karzinom in situ (LCIS) und bei 20% eine atypische duktale Hyperplasie (ADH).
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9,7 Jahren wurden 66 Brustkrebserkrankungen (15 in situ; 51 invasiv) diagnostiziert, und zwar 25 in der Tamoxifen-Gruppe und 41 in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio 0,58, p=0,03). Die Number Needed to Treat (NNT) betrug 22 in 5 Jahren und 14 in 10 Jahren. Die Nebenwirkungen unterschieden sich nicht zwischen den Studienarmen.
„Zusammenfassend liefern unsere Ergebnisse eine starke Unterstützung für den Einsatz von niedrig dosiertem Tamoxifen nach der Diagnose einer nichtinvasiven Neoplasie und sie öffnen die Tür für neue Studien zur Primärprävention von Brustkrebs bei Frauen mit hohem Risiko“, schreiben die Autoren.
Mammakarzinom: Nicht später als 8 Wochen nach Diagnose operieren
Frauen, die nach der Diagnose ihres Mammakarzinoms erst nach mehr als 8 Wochen operiert worden sind, haben ein höheres Risiko, zu sterben, als bei früherem Eingriff. Eine Arbeitsgruppe aus Wisconsin berichtete in JAMA Surgery , dass es zu solchen Verzögerungen vor allem bei Teilnehmerinnen am Medicaid-Programm (einem US-amerikanischen Gesundheitsfürsorge-Programm für Personen mit geringem Einkommen), bei Älteren, bei Menschen mit Behinderungen sowie bei Frauen mit geringem Einkommen kam.
Anhand der Daten von 373.334 Frauen aus der National Cancer Database fand die Arbeitsgruppe, dass eine Verzögerung der Operation um 9 Wochen oder länger nach der Diagnose mit einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert war im Vergleich zu einer OP nach 0 - 4 Wochen (Hazard-Ratio 1,15, p<0,001). Bei einem Intervall von mehr als 12 Wochen stieg die Hazard-Ratio weiter auf bis 1,47.
Die Autorinnen eines begleitenden Editorials merken an, dass viele Patientinnen in dieser Studie zur Hochrisiko-Gruppe gehörten. Studien wiesen zunehmend darauf hin, dass mit dem Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie Frauen erkannt werden könnten, die von einer maßgeschneiderten adjuvanten Behandlung profitieren können. Wenn also eine Frau mit einem großen, Lymphknoten-positiven, 3-fach-negativen Mammakarzinom innerhalb einer Woche nach der Diagnose operiert werde, stelle sich die Frage, ob dies wirklich eine qualitativ hochwertige Versorgung sei.
„In der Tat könnte ein zu früher Eingriff auf mangelnde Qualität hindeuten, während ein zu später Eingriff möglicherweise einen mangelnden Zugang zur Versorgung widerspiegelt“, so die Editorialistinnen.
Lokalisiertes Prostatakarzinom: Sterblichkeit nach 15 Jahre niedrig
Bei Männern mit lokalisiertem Prostatakarzinom, das durch PSA-Screening entdeckt worden war, war die krebsspezifische Sterblichkeit nach 15 Jahren Nachbeobachtung niedrig, und zwar unabhängig davon, ob sie nur aktiv überwacht wurden oder sich einer Prostatektomie oder Strahlentherapie unterzogen hatten. Dies ergab die randomisierte Phase-3-Studie ProtecT, deren Ergebnisse britische Forscher im New England Journal of Medicine publiziert haben.
In die Studie waren 1.643 Männer im Alter von 50 bis 69 Jahren aufgenommen worden, bei denen aufgrund eines PSA-Screenings ein lokalisiertes Prostatakarzinom diagnostiziert worden war. Randomisiert wurden 545 Männer aktiv überwacht, 553 prostatektomiert und 545 bestrahlt. Das mediane Alter bei der Diagnose betrug 62 Jahre; der mediane PSA-Wert lag bei 4,6 ng/ml. Mehr als jeder 3. Patient hatte zum Zeitpunkt der Diagnose eine Erkrankung mit mittlerem oder hohem Risiko.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren waren 45 Männer (2,7%) an Prostatakrebs gestorben, und zwar 17 (3,1%) in der aktiv überwachten Gruppe, 12 (2,2%) in der operierten und 16 (2,9%) in der bestrahlten Gruppe.
Metastasen entwickelten sich bei 51 Männern (9,4 %) in der Überwachungsgruppe, bei 26 (4,7%) in der Prostatektomie-Gruppe und bei 27 (5,0%) in der Strahlentherapie-Gruppe.
Eine zentrale Schlussfolgerung der Autoren: „Nach 15 Jahren Nachbeobachtung war die prostatakrebsspezifische Sterblichkeit unabhängig von der zugewiesenen Behandlung niedrig. Daher müssen bei der Wahl der Therapie von lokalisiertem Prostatakarzinom die jeweiligen Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden.“
Fortgeschrittenes Magenkarzinom: 5-Jahres-Daten zur laparoskopischen und zur offenen Gastrektomie
5-Jahres-Daten zeigen, dass eine laparoskopische distale Gastrektomie bei Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom einer offenen Operation nicht unterlegen ist, wenn sie durch einen qualifizierten Operateur durchgeführt wird. „Die laparoskopische Operation könnte ein Standard für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen Magenkarzinoms werden“, so die Schlussfolgerung der japanischen Arbeitsgruppe aus den 5-Jahres-Daten der JLSSG0901-Studie in JAMA Surgery .
Im Rahmen der multizentrischen, offenen, prospektiven Nichtunterlegenheitsstudie waren zwischen November 2009 und Juli 2016 Patienten mit Magenkarzinom randomisiert offen (n = 254) oder laparoskopisch (n = 248) operiert worden. Sie wurden im Median 67,9 Monate nachbeobachtet. Das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben betrug 73,9% bei offener OP und 75,7% bei laparoskopischer OP (HR 0,96; Nichtunterlegenheit einseitig p=0,03). Beim Gesamtüberleben wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen beobachtet (HR 0,83, p=0,34).
Die Autoren des begleitenden Editorials warnen aber davor, diese Ergebnisse ohne Vorbehalte auf die westliche Bevölkerung anzuwenden. Die Studienpopulation hatte einen BMI von nur 22,5 und war nicht, wie in westlichen Ländern üblich, neoadjuvant behandelt worden. Außerdem war die Qualität der an der Studie beteiligten Chirurgen sorgfältig überprüft worden. „Dies führte wahrscheinlich zu optimalen Studienergebnissen, die möglicherweise nicht die Realität der Magenkrebsversorgung in westlichen Ländern widerspiegeln, in denen eine geringere Magenkrebsinzidenz und eine fehlende Zentralisierung von Gastrektomien in Zentren mit hohem Volumen die Erfahrung des einzelnen Chirurgen einschränken“, schreiben die Editorialisten.
NSCLC: Überlebensvorteile bei Älteren mit Erstlinien-Immuntherapie mäßig
Eine Erstlinien-Therapie von Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) mit Immuncheckpoint-Inhibitoren führte bei jüngeren Patienten zu einer deutlichen Verlängerung des Gesamtüberlebens von 11,5 auf 16,0 Monate. Bei älteren Patienten ab Jahren war der Effekt mit einer Verlängerung von 9,1 auf 10,2 Monate mäßig. Dies ergab eine retrospektive Kohortenstudie mit den Daten von 53.719 NSCLC-Patienten, die in JAMA Oncology erschienen ist.
Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat die Daten der Patienten aus den Jahren 2011 bis 2019 analysiert. Insgesamt nahm der Anteil der Krebstherapien von 69,0% im Jahr 2011 auf 77,2% im Jahr 2019 zu. Nach der ersten FDA-Zulassung eines Immuncheckpoint-Inhibitors zur NSCLC-Therapie stieg ihre Verwendung von 4,7% im Jahr 2015 auf 45,6% im Jahr 2019 (p<0,001). Im Jahr 2019 wurden Immuncheckpoint-Inhibitoren bei jüngeren und älteren Patienten (Alter <55 Jahre, 45,2% vs. Alter ≥75 Jahre, 43,8%) ähnlich häufig eingesetzt.
Von 2011 bis 2018 stieg die Wahrscheinlichkeit des 2-Jahres-Überlebens von 37,7% auf 50,3% bei jüngeren und von 30,6% auf 36,2% bei älteren Patienten. Die mediane Überlebenszeit nahm von 11,5 Monaten auf 16,0 Monate bzw. 9,1 Monaten auf 10,2 Monate zu.
Nach Meinung der Autoren des begleitenden Editorials hätten diese Ergebnisse relevante klinische Implikationen. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose von Lungenkrebs betrage 71 Jahre. Und die American Society of Clinical Oncology habe definiert, dass ein Überlebensgewinn von mehr als 3,25 Monaten für Plattenepithelkarzinome und 2,5 Monaten für nicht-plattenepitheliale NSCLC ein klinisch bedeutsamer Vorteil sei. „Das wurde in der ältesten Altersgruppe nicht beobachtet,“ heißt es im Editorial.
Dieser erste Bericht anhand von Daten aus der klinischen Praxis könne dazu beitragen, Gespräche zur Entscheidungsfindung insbesondere bei Älteren zu führen, heißt es weiter. Außerdem sei es wichtig, ältere Patienten vermehrt in klinische Studien einzuschließen, um Studienergebnisse besser verallgemeinern zu können.
AML: MAC-Score erlaubt Vorhersage des Ansprechens auf Venetoclax/Azacitidin
Mit der Kombination Venetoclax/Azacitidin können Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) erfolgreich behandelt werden, allerdings sprechen nicht alle auf diese Kombination an. Ärzte und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Heidelberger Stammzellinstituts HI-STEM und des Universitätsklinikums Heidelberg haben nun einen Marker für das Therapieansprechen entwickelt: Anhand des sogenannten MAC-Score (Mediators of Apoptosis Combinatorial-Score) sind Aussagen zum Behandlungserfolg möglich. Details dazu wurden in Cancer Discovery veröffentlicht.
Die Arbeitsgruppe suchte in Blut- und Knochenmarksproben von AML-Patienten, die mit Venetoclax/Azacitidin behandelt wurden, nach Markern, welche mit dem Ansprechen auf die Therapie korrelierten. Sie fanden eine kleine Zellpopulation mit Merkmalen von Leukämie-Stammzellen, die für das Therapieansprechen verantwortlich ist. Exprimieren diese Zellen eine bestimmte Kombination von Proteinen der BCL-2-Familie, so kann die Kombination Venetoclax/Azacitidin den programmierten Zelltod in den Leukämie-Stammzellen auslösen und so AML aufhalten.
Dabei entscheidet nicht allein die Menge von BCL-2 in den Leukämie-Stammzellen über das Therapie-Ansprechen, sondern es kommt auf das Mengenverhältnis bestimmter Mitglieder der BCL-2 Familie an. Daraus leiteten die Forscher den sogenannten MAC-Score (Mediators of Apoptosis Combinatorial-Score) ab, der das Mengenverhältnis der Proteine BCL-2, BCL-xL und MCL-1 in den AML-Stammzellen ausdrückt und sich per Durchflusszytometrie bestimmen lässt. Je höher der Score ausfiel, desto länger hielt der Behandlungserfolg an.
„Wir können damit einen preisgünstigen Test zur Verfügung stellen, der bereits nach wenigen Stunden zuverlässig Auskunft gibt, ob eine AML auf Venetoclax/Azacitidin anspricht und damit die belastende Hochdosis-Chemotherapie vermieden werden kann“, so Studienleiter Prof. Dr. Andreas Trumpp in einer Pressemitteilung.
Die Untersuchung ist in jedem gut ausgestatteten hämatologischen Labor möglich. Die Ergebnisse sollen nun in prospektiven klinischen Studien weiter evaluiert werden, bevor der Test in die Routineversorgung von AML-Patienten Eingang finden kann.
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Photographer: © Doberman84
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Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebs: Nach der Diagnose bald operieren; Langzeitdaten zu Tamoxifen; Laparoskopie beim Magenkarzinom - Medscape - 21. Mär 2023.
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