Übergewicht bei Kindern vorhersagen? Wie ein neuer Risikoscore die Babys von adipösen Müttern vor Übergewicht schützen kann

Antje Sieb

Interessenkonflikte

20. März 2023

Bonn – Kinder von Müttern, die schon zu Beginn der Schwangerschaft adipös waren, haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht. „Weitere Risikofaktoren sind etwa eine hohe Gewichtszunahme der Mutter in der Schwangerschaft, ein Gestationsdiabetes und eine kurze Stilldauer“, erklärte Prof. Dr. Regina Ensenauer, Leiterin des Institutes für Kinderernährung am Max Rubner-Institut in Karlsruhe, auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn [1].

 
Wenn ich mit 4 oder 5 Jahren Übergewicht habe, dann habe ich ein exorbitant hohes Risiko, dass das für den Rest meines Lebens bleibt oder Adipositas entsteht. Prof. Dr. Regina Ensenauer
 

In der Kohortenstudie PEACHES (Programming of Enhanced Adiposity Risk in CHildhood–Early Screening), in der seit 2010 mehr als 1.600 Mutter-Kind-Paare beobachtet wurden, haben die Wissenschaftler Risikofaktoren gesammelt, die sich auf das Gewicht der Kinder auswirken. Etwa 20 bis 25% der Kinder adipöser Mütter nahm schon in den ersten Lebensmonaten sehr stark zu – diese schnelle Gewichtszunahme führte dann auch häufig dazu, dass die Kinder schon im Vorschulalter mit Übergewicht zu kämpfen hatten.

„Wenn ich mit 4 oder 5 Jahren Übergewicht habe, dann habe ich ein exorbitant hohes Risiko, dass das für den Rest meines Lebens bleibt oder Adipositas entsteht“, ergänzte Ensenauer.

Wissenschaftler erklären das mit der Theorie der sogenannten fetalen Programmierung: Bei Adipositas oder auch Schwangerschaftsdiabetes könne die Umgebung im Mutterleib verändert sein. Mögliche Folgen: Kinder seien teilweise schon bei der Geburt metabolisch auf Übergewicht und andere ungünstige Stoffwechselwege programmiert. Die Ernährung nach der Geburt, z.B. kurzes Stillen und keine ideale Kost im frühen Kindesalter, könnte diese Tendenzen dann weiter verstärken.

Risikokinder frühzeitig finden

„Wenn wir die Kinder mit hohem Risiko früh erkennen könnten, dann hätten Kinderärzte z.B schon bei der U3 oder U4 die Möglichkeit, gezielt einzugreifen“, sagte Ensenauer. Ein aus der PEACHES-Studie entwickelter und in einer anderen Kohorte validierter Risikoscore könnte möglicherweise ein Instrument sein, um Risikokinder schon zu finden, bevor sie tatsächlich manifestes Übergewicht entwickeln.

 
Wenn wir die Kinder mit hohem Risiko früh erkennen könnten, dann hätten Kinderärzte z.B schon bei der U3 oder U4 die Möglichkeit, gezielt einzugreifen. Prof. Dr. Regina Ensenauer
 

In den Score fließt die Gewichtszunahme der Babys ein, aber auch andere Faktoren, die den Kinderärzten bisher nicht unbedingt bekannt sind, erklärte Ensenauer: „Man bräuchte eine erweiterte Anamnese zu den Schwangerschaftsrisikofaktoren. Man könnte einiges dazu auch dem Mutterpass entnehmen. Das müsste in ein Prädiktionsmodell eingespeist werden, das wir bereits entwickelt haben, und dann könnte der Kinderarzt berechnen, wie hoch bei diesem Kind das Risiko für Übergewicht ist.“

Zusätzlich untersucht Ensenauer mit ihren Mitarbeitern auch das Nabelschnurblut der PEACHES-Kinder. „Es gibt bestimmte Metabolite im Nabelschnurblut, die bei Kindern von Müttern mit hohem Body-Mass-Index (BMI) erhöht oder erniedrigt sind. Wir werten gerade aus, wie wir diese Befunde in unsere Forschung einbinden können.“

Die Hoffnung ist, dass man bei frühzeitigem Eingreifen vielleicht noch eine Chance hat, die ungünstigen Einflüsse ein Stück weit rückgängig zu machen. Denn die ersten 1.000 Tage im Leben eines Kindes gelten in dieser Hinsicht als besonders wichtig und prägend.

Eine Möglichkeit des frühen Eingreifens wäre es, die Mütter dazu zu animieren, das Stillen möglichst für die ersten 6 Lebensmonate beizubehalten. Eine weitere Studie, BEARR (Breastfeeding EducAtion For Risk Reduction), untersucht gerade, ob eine gezielte zusätzliche Stillberatung für Mütter von Risikokindern einen Unterschied machen könnte, ergänzte Ensenauer: „Hierzu werten wir die Daten erst noch aus. Dies brauchen nicht alle Schwangeren, aber vielleicht die, die viele Risikofaktoren haben.“

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