Werden die glykämischen Grenzwerte der Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes (GDM) abgesenkt, resultieren daraus zwar mehr GDM-Diagnosen, nicht aber eine geringere Rate von Kindern mit überproportional starkem Wachstum [1].
Die übermäßige Körpergröße ist mit höheren Geburtsrisiken assoziiert, zum Beispiel Frakturen des Schlüsselbeins oder der langen Knochen der Extremitäten beim Kind, aber auch mit metabolischen Störungen
Gefährliche Folgen eines Schwangerschaftsdiabetes
Zum Hintergrund: Die Prävalenz eines dokumentierten Schwangerschaftsdiabetes (GDM) liegt Analysen des Robert Koch-Instituts zufolge in Deutschland bei fast 7% (6,8% im Jahr 2018). Das entspricht rund 51.400 Patientinnen.
Potenzielle Folgen des GDM sind ein gesteigertes Wachstum des Fetus. Bei einem Gewicht über der 90. Perzentile bezogen auf das Gestationsalter wird dies beschrieben als „large for gestational age“ (LGA).
Komplikationen sind zum Beispiel Geburtstraumata bei Mutter und Kind, Hypoglykämie des Neugeborenen als Folge hoher fetaler kompensatorischer Insulinspiegel, Hyperviskosität und Hyperbilirubinämie beim Säugling. Fragestellung einer neuseeländischen Studie war, ob sich durch Anlegen strengerer Kriterien an die Definition eines GDM der Entwicklung von LGA-Kindern durch frühere Diagnose und Therapie der Schwangeren entgegenwirken lässt in der Hoffnung, dadurch Komplikationen zu verhindern.
Forscher werten Daten von mehr als 4.000 Schwangeren aus
Um offene Fragen zu klären, führten die Wissenschaftler eine prospektiv-randomisierte, kontrollierte Studie zum Screening des Schwangerschaftsdiabetes durch. Die GDM-Diagnosekriterien im 75-g-oralem-Glukosetoleranztest waren:
Strengere Grenzwerte: Nüchternglukose von ≥ 92 mg/dl (≥ 5,1 mmol/l), ein Wert von ≥ 180 mg/dl 1 Stunde nach Trinken der Testlösung (≥10,0 mmol/l) und ein Wert von ≥ 153 mg/dl (≥ 8,5 mmol/l) zum Zeitpunkt 2 Stunden nach Einnahme der Glukoselösung.
Weniger strengen Grenzwerte: ≥ 99 mg/dl für die Nüchternglukose (≥ 5,5 mmol/l) und ein Wert von ≥ 162 mg/dl (≥ 9,0 mmol/l) zum Zeitpunkt 2 Stunden nach Einnahme der Glukoselösung.
Primärer Endpunkt war der Prozentsatz der Kinder mit LGA (> 90. Perzentile bezogen auf das Gestationsalter).
Kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen
4.061 Schwangere wurden in eine der beiden Gruppen zur GDM-Diagnose randomisiert: 2.022 Frauen in die Gruppe mit den strengeren Kriterien und 2.039 Frauen in die Gruppe mit den weniger strengen Grenzwerten. Bei der Diagnose eines GDM wurde die übliche Versorgung initiiert, etwa eine Ernährungstherapie, ein Blutglukose-Monitoring und eine pharmakologische Behandlung, falls erforderlich.
15,3% in der Gruppe mit niedrigeren glykämischen Werten hatten nach dieser Definition einen GDM und 6,1 % in der Gruppe mit weniger strengen Kriterien.
Die Rate der LGA-Kinder von Frauen, die nach strengeren Kriterien auf GDM gescreent worden waren, betrug 8,8% und von Müttern, die nach weniger strengen Kriterien auf GDM gescreent worden waren, betrug sie 8,9%. Dies war mit einem p-Wert von 0,82 kein statistisch signifikanter und auch kein klinisch relevanter Unterschied.
In der Gruppe der Frauen mit niedrigeren glykämischen Werten wurden häufiger Geburten künstlich eingeleitet. Diese Frauen hatten häufiger medizinische Leistungen inklusive Pharmakotherapie in Anspruch genommen als Frauen aus der Gruppe mit weniger strengen GDM-Kriterien.
Ein Vorteil strengerer GDM-Diagnosekriterien war: Es wurden mehr Kinder identifiziert, die nach der Geburt eine Behandlung wegen Hypoglykämie benötigten, als bei der Anwendung weniger strenger Kriterien für die Diagnose eines GDM.
Offene Fragen zu den GDM-Kriterien
Die in der neuseeländischen Studie untersuchten GDM-Kriterien liegen in glykämischen Grenzwertbereichen, wie sie auch in Deutschland für die GDM-Diagnostik angelegt werden. Offenbar gebe es keinen klaren, perfekten Grenzwertbereich zur Feststellung eines GDM, ab dem die Risiken für Mutter und Kind minimal seien, heißt es im Kommentar.
Bei strengeren GDM-Kriterien lassen sich aber durch die mit der vermehrten GDM-Diagnose verbundene erhöhte Aufmerksamkeit der Ärzte mehr Kinder identifizieren, die nach der Geburt eine Hypoglykämie haben und deshalb behandelt werden sollten. Eine neonatale Hypoglykämie ist mit einem höheren Risiko für neuronale Fehlentwicklungen assoziiert.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
Credits:
Photographer: © Mykola Sosiukin
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Gestationsdiabetes: Strengere Kriterien führen nicht zu mehr normalgewichtigen Neugeborenen - Medscape - 17. Mär 2023.
Kommentar