Schlafstörungen schwächen Vakzine ab; Stiftung für Impfschäden?; Naht Scharlach-Welle?; weniger Long-COVID durch Omikron

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

16. März 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 16. März 2023

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 47 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 15. März lag der Wert bei 48.

Unsere Themen heute:

  • Union fordert Stiftung für Impfschäden

  • Barmer-Arztreport: Naht eine Scharlach-Welle?

  • Long-COVID: Niedrigeres Risiko durch Omikron

  • Psychische Probleme während der Pandemie: Stochern im Studiennebel

  • Metaanalyse: Schlafstörungen könnten die Wirkung von Impfstoffen abschwächen

  • Venöse Thromboembolien: Wer ist im ambulanten Bereich besonders gefährdet?

  • Neues Forschungsprojekt: Kommt die COVID-19-Schluckimpfung?

  • Internationale Kritik an schlechter Versorgungslage

 

Union fordert Stiftung für Impfschäden

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich angekündigt, Programme zur Versorgung von Menschen mit Long-COVID oder mit Impfschäden aufzulegen.

Neue Impulse kommen von der Opposition. „Wer einen Impfschaden erlitten hat, muss schnell und unkompliziert entschädigt werden", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge (CDU). „Über eine Stiftung könnten Bund und Länder, aber auch die Impfstoffhersteller gemeinsam Mittel bereitstellen.“ Bislang seien die bürokratischen Hürden zu hoch. Schwere Impfschäden kommen bei weniger als 1 von 10.000 Impfungen vor.

Barmer-Arztreport: Naht eine Scharlach-Welle?

Kinder kämpfen immer noch mit den Folgen der der Corona-Pandemie, wie aus dem Barmer-Arztreport 2023 hervorgeht. Den Autoren zufolge stellen insbesondere klassische Infektionskrankheiten wie zum Beispiel Scharlach ein Problem dar.

Demnach ist während der Corona-Pandemie die übliche Scharlach-Welle bei Kindern in der Kita nahezu ausgeblieben, was jetzt zu einem intensiven Nachholeffekt bei älteren Schulkindern führen könnte. Laut der Veröffentlichung haben sich im Jahr 2019 rund 235.000 Kinder mit Scharlach infiziert, im Jahr 2021 waren es nur noch knapp 25.200.

Long-COVID: Niedrigeres Risiko durch Omikron

Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 führt seltener zu Long-COVID als die Wildtyp-Variante. Dies legen neue Forschungsergebnisse nahe, die auf dem European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID) 2023 vorgestellt werden.

An einer prospektiven Studie nahmen 1.201 Beschäftigte des Gesundheitswesens (81% Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren aus 9 Schweizer Gesundheitsnetzen teil. Alle Probanden, die zwischen Juni und September 2020 rekrutiert wurden, unterzogen sich regelmäßigen Tests auf COVID-19 (Nasen-Rachen-Abstriche und Antikörpertests) und machten Angaben zu ihrem Impfstatus.

Im März 2021 (Q1), September 2021 (Q2) und Juni 2022 (Q3) füllten sie Online-Fragebögen aus. Sie wurden gefragt, ob und – falls ja – welche der 18 typischen Symptome bei ihnen aufgetreten sind.  Zu den am häufigsten Symptomen gehörten der Verlust des Geruchs-/Geschmackssinns, Müdigkeit/Schwäche, Burnout/Erschöpfung und Haarausfall. Der Fragebogen erfasste auch den Grad der Müdigkeit.

Im 1. Quartal war das Risiko von Long-COVID bei den 157 Beschäftigten im Gesundheitswesen, die eine Wildtyp-Infektion hatten, um 67% höher als bei den nicht infizierten Kontrollpersonen. Im 3. Quartal war das Risiko um 37% höher als bei Kontrollpersonen.

Ein ähnliches Muster wurde bei der Müdigkeit beobachtet. Im 1. Quartal war das Risiko von Müdigkeit bei denjenigen, die das Wildtyp-Virus hatten, um 45% höher als bei den Kontrollpersonen, aber im 3. Quartal war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen nicht mehr signifikant.

Psychische Probleme während der Pandemie: Stochern im Studiennebel

Eine neue Metaanalyse geht der Frage nach, welche Folgen COVID-19 für die seelische Gesundheit hatte. Bis zum 11. April 2022 wurden 94.411 Veröffentlichungen, darunter 137 Studien aus 134 Kohorten, geprüft. Die meisten Studien stammten aus Ländern mit hohem (n=105, 77%) oder oberem mittlerem Einkommen (n=28, 20%).

In den Studien auf Bevölkerungsebene wurden keine Veränderungen der allgemeinen psychischen Gesundheit (standardisierte mittlere Differenz (SMD) 0,11, 95%-KI -0,00-0,22) oder der Angstsymptome (0,05; -0,04-0,13) festgestellt, aber die Depressionssymptome verschlechterten sich geringfügig (0,12, 0,01-0,24).

Bei Frauen verschlechterten sich die allgemeine psychische Gesundheit (0,22; 0,08-0,35), Angstsymptome (0,20; 0,12-0,29) und Depressionssymptome (0,22; 0,05-0,40) minimal bis geringfügig.

In 3 Studien mit Daten von März bis April 2020 und von Ende 2020 waren die Symptome bei beiden Beurteilungen gegenüber dem Stand vor COVID-19 unverändert oder nahmen zunächst zu und kehrten dann auf den Stand vor der Pandemie zurück.

„Das hohe Risiko einer Verzerrung in vielen Studien und die erhebliche Heterogenität mahnen zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse“, heißt es als Resümee. „Nichtsdestotrotz lagen die meisten Schätzungen der Symptomveränderungen für allgemeine psychische Gesundheit, Angstsymptome und Depressionssymptome nahe bei Null und waren statistisch nicht signifikant (…).

Metaanalyse: Schlafstörungen könnten die Wirkung von Impfstoffen abschwächen

Forscher haben eine Metaanalyse durchgeführt, um herauszufinden, ob es Assoziationen zwischen der Schlafdauer in den Tagen vor der Impfung und der Antikörperreaktion bei gesunden Erwachsenen gibt.

  • Assoziationen zwischen selbst angegebenem Kurzschlaf (<6 Std./Nacht) und einer verminderten Impfstoffreaktion erreichte nicht die vorab definierten statistischen Signifikanzkriterien (n=504, Alter 18-85; Gesamt-Effektstärke 0,29; 95%-KI -0,04-0,63).

  • Medizinisch objektiv bewerteter Kurzschlaf war mit einer deutlichen Abnahme der Antikörperreaktion verbunden (n=304, Alter 18-60; Gesamt-Effektstärke 0,79; 95%-KI 0,40-1,18).

„Diese Ergebnisse belegen, dass eine unzureichende Schlafdauer die Reaktion auf eine antivirale Impfung erheblich verringern kann. Sie legen nahe, dass eine angemessene Schlafdauer in den Tagen vor der Impfung die humorale Reaktion verbessern und verlängern kann“, fassen die Autoren ihre Resultate zusammen. Groß angelegte, kontrollierte Studien seien erforderlich, um das Zeitfenster zu bestimmen, in dem eine Optimierung der Nachtruhe am vorteilhaftesten sei – und um herauszufinden, welche Schlafdauer erforderlich sei.

Venöse Thromboembolien: Wer ist im ambulanten Bereich besonders gefährdet?

Patienten mit COVID-19, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, weisen bekanntlich eine höhere Rate an venösen Thromboembolien (VTE) auf. Risikofaktoren für VTE bei Patienten, die ambulant behandelt werden, sind jedoch kaum bekannt.

Neue Daten für eine Studie kommen aus elektronischen Gesundheitsakten. Eingeschlossen wurden nicht hospitalisierte Erwachsene im Alter von mindestens 18 Jahren mit COVID-19, die zwischen 1. Januar 2020 und 31. Januar 2021 ihre Diagnose erhalten hatten. Die Nachbeobachtung lief bis zum 28. Februar 2021.

In den Patientenakten fanden die Wissenschaftler insgesamt 398.530 ambulante Patienten mit COVID-19. Das Durchschnittsalter betrug 43,8 Jahre; 53,7% der Erkrankten waren Frauen.

Innerhalb des Nachbeobachtungszeitraums wurden 292 (0,1%) VTE diagnostiziert, was einer Gesamtrate von 0,26 (95%-KI 0,24-0,30) pro 100 Personenjahre entspricht. Der stärkste Anstieg des VTE-Risikos wurde in den ersten 30 Tagen nach der COVID-19-Diagnose beobachtet (unbereinigte Rate 0,58; 95%-KI 0,51-0,67 pro 100 Personenjahre vs. 0,09; 95%-KI 0,08-0,11 pro 100 Personenjahre nach 30 Tagen).

In multivariablen Modellen waren die folgenden Variablen mit einem höheren Risiko für VTE im Rahmen einer nicht hospitalisierten COVID-19 assoziiert:

  • Alter 55 bis 64 Jahre (HR 1,85 [95%-KI 1,26-2,72]),

  • 65 bis 74 Jahre (3,43 [95%-KI 2,18-5,39]),

  • 75 bis 84 Jahre (5,46 [95%-KI 3,20-9,34]),

  • ab 85 Jahren (6,51 [95%-KI 3,05-13,86]),

  • männliches Geschlecht (1,49 [95%-KI 1,15-1,96]),

  • eine frühere VTE (7,49 [95%-KI 4,29-13,07]),

  • Thrombophilie (2,52 [95%-KI 1,04-6,14]),

  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (2,43 [95% CI, 1,02-5,80]),

  • ein Body-Mass-Index zwischen 30,0 und 39,9 (1,57 [95%-KI 1,06-2,34]),

  • ein Body-Mass-Index ab 40,0 (3,07 [95%-KI 1,95-4,83]).

„In dieser Kohortenstudie mit ambulanten Patienten mit COVID-19 war das absolute Risiko einer VTE gering“, so die Autoren. „Mehrere Faktoren auf Patientenebene waren mit einem höheren VTE-Risiko assoziiert. Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, Subgruppen von Patienten mit COVID-19 zu identifizieren, die von einer intensiveren Überwachung oder VTE-Präventionsstrategien profitieren könnten.“

Neues Forschungsprojekt: Kommt die COVID-19-Schluckimpfung?

Nach wie vor versuchen Wissenschaftler, Impfstoffe zu modifizieren – nicht nur hinsichtlich der Antigene, sondern auch hinsichtlich der Darreichungsform. Eine Arbeitsgruppe an der Friedrich-Alexander-Universität hat das Ziel, aus mRNAs eine COVID-19-Schluckimpfung zu machen. Dazu werden die chemisch empfindlichen Ribonukleinsäuren in Tetraetherlipide verpackt. Tetraetherlipide kommen in Archaeen, also Mikroben, die unter extremen Umweltbedingungen wachsen, vor. Sie eignen sich womöglich dazu sicherzustellen, dass mRNAs den Magen unbeschadet überstehen und erst im Darm freigesetzt werden.

Im Vergleich zu einer Impfung via Injektion würde eine Schluckimpfung erhebliche Vorteile bieten. Das Vakzin könnte in Kapseln verpackt oder zu Tabletten gepresst werden, die bei normalen Temperaturen aufbewahrt werden können. Das Projekt hat gerade begonnen. Wann erste Resultate vorliegen, ist unbekannt.

Internationale Kritik an schlechter Versorgungslage

3 Jahre nach der Einstufung der von COVID-19 als Pandemie fordern knapp 200 Personen des öffentlichen Lebens aus zahlreichen Ländern in einem offenen Brief, Vakzine, Diagnostika und Therapien besser verfügbar zu machen. Weltweit würden größere Mengen zu einem erschwinglichen Preis benötigt. Gerade in ärmeren Ländern sind die Impfquoten niedrig, und Ärzten stehen kaum Pharmaka gegen COVID-19 zur Verfügung.

Den Unterzeichnern geht es nicht allein um COVID-19. Eine gerechte Verteilung sei auch wichtig für künftige Pandemien, heißt es im Schreiben.

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Kommentar

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