Umfrage unter Studentinnen und Ärztinnen: Karriereknick durch Schwangerschaft – so legen Arbeitgeber Steine in den Weg

Dr. Linda Fischer

Interessenkonflikte

15. März 2023

Das Ergebnis einer der bundesweit bisher größten Befragungen unter schwangeren Ärztinnen und Medizinstudentinnen mit rund 4.800 Teilnehmerinnen zeigt: Sowohl junge Ärztinnen als auch Medizinstudentinnen fühlen sich in der Schwangerschaft oft unter Druck und erhalten wenig Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Aufgerufen zur Teilnahme waren angestellte und angehende Ärztinnen, die in der Zeit seit 1. Januar 2016 schwanger waren [1] .

Initiative von einem Netzwerk ärztlicher Organisationen

Die Online-Befragung im November und Dezember 2022 wurde von einem Netzwerk ärztlicher Organisationen durchgeführt, die sich für eine praxisorientierte Umsetzung des Mutterschutzes einsetzen.

Zu der gemeinsamen Initiative gehören der Marburger Bund (MB), der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB), die Initiative Operieren in der Schwangerschaft (OPidS), die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Verband der Chirurginnen (Die Chirurginnen e.V.) und der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (vlk).

Viele fürchten ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft

Etwa die Hälfte der befragten Ärztinnen hatte Bedenken, ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu melden. Gründe dafür sind vor allem die Sorge, Einschränkungen bei der Weiterbildung zur Fachärztin hinnehmen zu müssen, ein Verbot von Operationen oder sonstige Tätigkeitsverbote.

Viele Ärztinnen möchten in der Schwangerschaft weiterarbeiten, werden aber daran gehindert. Zu den meisten Beschäftigungsverboten kam es in der Zeit der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022. Knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen erhielt vom Arbeitgeber ein betriebliches Beschäftigungsverbot, bei mehr als einem Drittel kam es zu Tätigkeitseinschränkungen.

Aktuell kaum ein Arbeitsplatz sicherer als der einer Chirurgin

„Corona wird uns weiter begleiten. Der aktuelle Wissensstand in der Pandemie muss stets in die individuelle Gefährdungsbeurteilung einfließen. Aktuell finden Sie kaum einen sichereren Arbeitsplatz als den einer Chirurgin im OP“, sagte Dr. Maya Niethard, Projektleiterin der Initiative Operieren in der Schwangerschaft (OPidS).

Häufige Versäumnisse seitens Arbeitgeber

Die Arbeitgeber kommen jedoch häufig ihrer Verpflichtung aus dem Mutterschutzgesetz nicht nach, für jede Tätigkeit die Gefährdungen zu beurteilen. Bei 40% der befragten schwangeren Ärztinnen fanden allgemeine Gefährdungsbeurteilungen nicht statt.

 
Aktuell finden Sie kaum einen sichereren Arbeitsplatz als den einer Chirurgin im OP. Dr. Maya Niethard
 

Schwangere Ärztinnen müssen dann häufig ihre bisherige Tätigkeit trotz Gefährdung ausführen oder sich in letzter Konsequenz um ein ärztliches Beschäftigungsverbot bemühen, weil sie sich den Belastungen nicht gewachsen fühlen.

 
Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann. Dr. Susanne Johna
 

Dass es auch anders geht, zeigt dieser Freitext-Kommentar einer Ärztin: „In unserer Abteilung wurde viel Wert auf die Mitbestimmung der Schwangeren gelegt. Wer operieren wollte, durfte dies auch unter Schutzmaßnahmen. Wenn dies nicht gewünscht war, wurde auch dies vollkommen akzeptiert.“

Genauer ermitteln, wie Weiterarbeit in Schwangerschaft möglich ist

Wenn es zu Gefährdungsbeurteilungen kam, dann leitete sich daraus in den zurückliegenden 2 Jahren der Pandemie in etwa der Hälfte der Fälle ein betriebliches Beschäftigungsverbot ab und in einem Drittel eine Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit (z.B. keine Operationen).

 
Sowohl dem Beschäftigungsverbot als auch der Umstrukturierung des Arbeitsplatzes … folgt ein Karriereknick, weil die Facharztprüfung nach hinten verschoben werden muss. Dr. Christiane Groß
 

„Oftmals machen sich die Arbeitgeber nicht die Mühe, genauer zu ermitteln, wie und in welchem Umfang eine Weiterarbeit während der Schwangerschaft möglich sein kann. Stattdessen werden Kolleginnen, die arbeiten wollen, Steine in den Weg gelegt. Das ist inakzeptabel. So wird unnötig ärztliche Arbeitskraft verschwendet – zum Nachteil für die Kolleginnen und die Gesundheitsversorgung insgesamt“, kritisierte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes.

Facharztprüfung verzögert durch Beschäftigungsverbot

Mehr als die Hälfte der Ärztinnen, die in den Jahren 2016 bis 2019 schwanger waren, gaben an, durch Schwangerschaft und Tätigkeitseinschränkungen in ihrer weiteren Karriere behindert worden zu sein. „Sowohl dem Beschäftigungsverbot als auch der Umstrukturierung des Arbeitsplatzes in eine andere, nicht der jeweiligen Weiterbildungsordnung unterliegende Tätigkeit folgt ein Karriereknick, weil die Facharztprüfung nach hinten verschoben werden muss“, beschrieb die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Christiane Groß, die Auswirkungen für viele junge Ärztinnen: „Folgen sind die spätere Option für oberärztliche oder chefärztliche Stellen oder die spätere Option, sich niederzulassen.“

Corona-Pandemie verschärfte die Situation

In der Corona-Pandemie stieg der Anteil derer, die sich in ihrer Karriere zurückgeworfen sehen, sogar auf zwei Drittel (66%). Nachteile erfuhren die Ärztinnen vor allem in der Weiterbildung zur Fachärztin.

Nur etwa ein Drittel konnte in der Zeit der Corona-Pandemie seit 2020 Weiterbildungsinhalte erwerben, bei knapp der Hälfte war das aufgrund von Einschränkungen oder Umgestaltungen der Tätigkeit nicht der Fall. Etwa ein Fünftel der Befragten erklärte, weniger Weiterbildungsinhalte als vor der Schwangerschaft erworben zu haben.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Coliquio.de .
 

Kommentar

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