Doch nicht nüchtern: Kein Wasser kurz vor einer OP trinken – ist jetzt Lockerung dieser Vorschrift möglich? 

Maria Weiß

Interessenkonflikte

14. März 2023

Das Dogma, dass Patienten mindestens 2 Stunden vor einem elektiven operativen Eingriff nichts mehr trinken dürfen, hält sich hartnäckig. Neue Daten aus Utrecht könnten jetzt dafürsprechen, die rigiden Trinkvorschriften etwas zu lockern. Die Autoren um Dr. Marije Marsman, University Medical Center Utrecht, Niederlande, veröffentlichten ihre Ergebnisse in JAMA Surgery  [1].

Die Empfehlung, präoperativ nüchtern zu bleiben, schließt auch klare Flüssigkeiten ein und soll Patienten vor einer Aspiration von Magensaft schützen. Schattenseiten könnten bei länger dauernder Flüssigkeitskarenz allerdings Dehydration, hämodynamische Instabilität und ein postoperatives Delir sein.

Lockerung wurde gut angenommen

Ein Team der Universität Utrecht hat die rigiden Trinkvorschriften jetzt auf den Prüfstand gestellt. Zwischen Juni 2019 und September 2020 wurde am Universitätsklinikum schrittweise eine neue Regelung implantiert, nach der Patienten bis kurz vor Ankunft im OP klare Flüssigkeit trinken dürfen (höchstens 1 Glas pro Stunde). 17.415 Menschen wurden über das liberale Trinkregime aufgeklärt und mit 59.036 Personen verglichen, die das herkömmliche Trinkregime befolgen sollten.

Die Lockerung wurde gut angenommen: 71% hatten kurz vor der OP noch ein oder mehrere Gläser Wasser getrunken. In der Standardgruppe hatte das nur die Hälfte der Betroffenen gewagt.

Die präoperative Nüchternphase war als Folge der Liberalisierung von im Mittel 3 Stunden auf 1 Stunde und 20 Minuten gesunken. Bei ambulanten Eingriffen dauerte die Nüchternphase sogar im Schnitt nur 44 Minuten.

Aspirationen waren selten

Nach Einführung des liberalen Trinkregimes kam es in zu einer leichten Erhöhung des Regurgitationsrisikos (von 18 auf 24 pro 10.000 Patienten).

Aspirationen waren aber selten (1,7 vs. 2,4 pro 10.000 Teilnehmer), und nur jeder 3. Patient entwickelte dann tatsächlich die gefürchtete Aspirationspneumonie (3 unter dem Standard- und 2 unter dem gelockerten Regime).

Postoperativ weniger Übelkeit und Erbrechen

Für die Patienten hatte das liberale Trinkregime Vorteile: Sie klagten präoperativ seltener über Durst (37 vs. 46%), litten postoperativ weniger unter Übelkeit und Erbrechen (9,6 vs. 10,6%) und benötigten weniger Antiemetika (9,5 vs. 11,5%).  

Trotz der Liberalisierung bewegten sich die Raten an Regurgitation und Aspiration in einem akzeptablen Rahmen, schreiben die Autoren. Allerdings handele es sich nur um eine Beobachtungsstudie zur Qualitätsverbesserung, sodass die Ergebnisse noch in größeren kontrollierten Studien überprüft werden sollten.

Bis dahin könne man aber aufgrund der Erfahrungen aus Utrecht schon einmal davon ausgehen, dass ein geplanter Eingriff nicht verschoben oder gar gestrichen werden muss, nur weil Patienten aus Versehen kurz vorher Wasser getrunken haben. 

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

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Kommentar

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