Eine Arzneimittelkombination aus 2 Wirkstoffen hat einen vielversprechenden Rückgang bei der kognitiven Beeinträchtigung von Personen mit lakunärem Infarkt erzielt und wird als neuer therapeutischer Ansatz für Personen mit zerebraler Mikroangiopathie gehandelt. Die Wirkstoffe Isosorbidmononitrat und Cilostazol stabilisieren die Endothelfunktion, die ein neues therapeutisches Ziel für diese Patientengruppe darstellt.break
Die Phase-2-Studie LACI-2, in der die beiden Substanzen einzeln und in Kombination bei Personen mit lakunärem Infarkt untersucht wurden, zeigte vielversprechende Resultate: So werden Rezidiv-Infarkte seltener, und auch die kognitiven Beeinträchtigungen und die Pflegeabhängigkeit gehenzurück. Einige dieser Ergebnisse erreichten auch Signifikanzniveau, wenn die Medikamente zusammen verabreicht wurden. Es gab auch Anzeichen für positive Effekte auf Stimmung und Lebensqualität.
Die LACI-2-Studie wurde auf der International Stroke Conference (ISC) 2023 in Dallas von
Prof. Dr. Joanna M. Wardlaw, Professorin für angewandte Neurobildgebung an der Universität Edinburgh, UK, und ihrem Co-Autor Dr. Philip Bath von der Universität Nottingham, UK, vorgestellt [1].
„Isosorbidmononitrat wurde mit einem Rückgang bei wiederholten Schlaganfällen, einer eher geringeren Pflegeabhängigkeit und einer Abnahme der kognitiven Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht, und auch unter Cilostazol schien die Pflegeabhängigkeit zurückzugehen“, berichtete Studienleiterin Wardlaw.
„Wenn sie in Kombination eingesetzt werden, scheinen sie einen größeren Benefit zu haben als jedes Medikament für sich allein. Dies ist also eine gute vorläufige Evidenz dafür, dass die Medikamente in positiver Weise zusammenwirken“, sagte sie gegenüber Medscape. Wardlaw gab jedoch zu bedenken, dass dieser potenzielle Benefit in einer größeren Phase-3-Studie bestätigt werden müsste.
Wardlaw und Bath betonten die Auswirkungen auf die kognitiven Beeinträchtigungen. „Wir haben in dieser Phase-2-Studie gesehen, dass unter der Kombination beider Medikamente weniger Personen kognitive Beeinträchtigungen aufweisen“, sagte Wardlaw. „Das ist sehr ermutigend, da bisher noch in keiner Studie Medikamente durch positive Effekte auf die kognitiven Beeinträchtigungen bei Schlaganfällen im Rahmen einer Mikroangiopathie auf sich aufmerksam gemacht haben. Wir haben daher die leise Hoffnung, dass sie auch bei anderen Mikroangiopathieformen bedeutsam sein könnten.“
Bath fügte hinzu: „Die Ergebnisse zur kognitiven Beeinträchtigung sind besonders wichtig. Für viele Menschen sind die kognitiven Beeinträchtigungen die am meisten gefürchteten Folgen eines Schlaganfalls, selbst wenn sie zugleich erhebliche körperliche Beeinträchtigungen erlitten haben. Die Menschen wollen nicht ihr Gedächtnis und ihr Denkvermögen einbüßen.“
„Die Ergebnisse der LACI-2-Studie führen auch zu der interessanten Frage, ob diese Medikamente bei anderen Folgen einer Mikroangiopathie als Schlaganfall, also etwa Kopfschmerzen oder Gedächtnisstörungen, ebenfalls von Nutzen sein könnten“, sagte Bath.
„Sehr interessante Ergebnisse“
Externe Fachleute zeigten sich von diesen vorläufigen Ergebnissen begeistert. So sagte der Programmvorsitzende Dr. Tudor Jovin vom Cooper Neurological Institute in Cherry Hill, New Jersey, in einer Präsentation der ISC-Highlights: „Es tut gut, endlich einmal positive Hinweise aus Studien zum Schlaganfall im Rahmen der Mikroangiopathie zu sehen. Auf diesem Gebiet haben wir lange Zeit nach den richtigen Antworten gesucht.“ Die in der Studie festgestellte Abnahme der kognitiven Beeinträchtigung bezeichnete er als „äußerst faszinierend und sehr wichtig“.
Jovin weiter: „Ich denke, wir haben die Belastung unterschätzt, die durch kognitive Beeinträchtigungen bei Schlaganfällen und generell in der Gesellschaft durch vaskulär bedingte kognitive Einschränkungen entstehen. Daher ist dies ist ein sehr vielversprechender Ansatz, der es definitiv verdient, in einer größeren Studie gründlicher untersucht zu werden.“
Dr. Mitchell Elkind, Neurologe und Epidemiologe am Irving Medical Center der Columbia University in New York, sagte in einem Kommentar für Medscape, dass diese Studie „Evidenzen dafür liefert, die uns den Weg in mindestens 2 wichtige Richtungen weisen. Erstens deutet sie darauf hin, dass eine endotheliale Dysfunktion, d.h. Probleme mit der Auskleidung der Blutgefäße, ein wichtiger Faktor für die Erkrankung der kleinen Gefäße und den damit häufig einhergehenden kognitiven Verfall sein könnte. Dies ist ein potenziell neu entdeckter Wirkmechanismus, der sich von den Faktoren Blutgerinnung, Blutdruck und anderen konventionellen Behandlungszielen unterscheidet.“
Elkind erklärte weiter: „Zweitens und ganz allgemein legt dies nahe, dass Schlaganfallstudien, insbesondere wenn es um die Unterart der Mikroangiopathien geht, nicht nur die Rezidivhäufigkeit im Blick haben sollten, sondern auch den allmählichen kognitiven Abbau nach einem Schlaganfall. Dieser Bereich der Schlaganfallforschung ist noch vergleichsweise jung.“
Wardlaw wies darauf hin, dass der lakunäre Infarkt eine häufige Form des ischämischen Schlaganfalls ist, aber in der Forschung bisher eher vernachlässigt wurde. Man geht hier ursächlich von einer Atherosklerose der kleinen Gefäße aus, aber es gibt inzwischen auch zunehmend Hinweise darauf, dass Probleme mit dem Endothel der kleinen Gefäße maßgeblich sind.
„Wir haben nach potenziell verfügbaren Substanzen gesucht, die auf die endotheliale Dysfunktion gerichtet sind. Die beiden von uns hier getesteten Medikamente sind bereits weit verbreitet – Isosorbidmononitrat in der KHK-Therapie und bei Angina pectoris und der Phosphodiesterase-Hemmer Cilostazol besonders in Asien in der Schlaganfallprävention“, sagte Wardlaw.
Machbarkeitsstudie mit 363 Patienten
Bei LACI-2 handelte es sich in erster Linie um eine Machbarkeitsstudie. Darin wurde untersucht, ob sich genügend Personen mit lakunärem Schlaganfall rekrutieren ließen, welche die Medikamente einzeln oder kombiniert bis zu ein Jahr lang einnehmen würden. Das Outcome wurde auf explorativer Basis registriert.
An der Studie nahmen 363 Patienten mit lakunärem Infarkt aus 26 britischen Schlaganfallzentren teil. Sie wurden zufällig für ein Jahr auf 4 Therapiegruppen verteilt:
nur Isosorbidmononitrat 40–60 mg/Tag per os;
nur Cilostazol 200 mg/Tag per os;
beide Medikamente;
keines der beiden Medikamente.
Die Teilnehmenden nahmen nach 6 und nach 12 Monaten an einer telefonischen Befragung teil, durch die ihr Gesundheitszustand beurteilt wurde. Dabei wurden auch abgefragt: Schlaganfallrezidive, Herzinfarkte, das kognitive Leistungsvermögen, weitere Symptome und die Bewertung der persönlichen Lebensqualität. Zudem wurde bei allen nach 12 Monaten ein kraniales MRT durchgeführt.
Nach 1 Jahr nahmen 98% der Teilnehmenden immer noch ihre Medikation aus der zufälligen Gruppenzuweisung ein. Die Medikamente schienen als Zusatzgabe neben der üblichen Therapie sicher zu, da es in der Studie nur zu wenigen Todesfällen oder Blutungen kam.
Der zusammengesetzte Endpunkt aus Schlaganfallrezidiven, Herzinfarkten, kognitiven Beeinträchtigungen, Pflegebedürftigkeit (mRS > 2) und Tod lag in der „nur Isosorbidmononitrat“-Gruppe 20% niedriger als in der Personengruppe, die keines der beiden Medikamente erhalten hatte (adjustierte Hazard Ratio [HR] 0,80; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,59–1,09).
In der Cilostazol-Gruppe lag der Endpunkt 23% niedriger (HR 0,77; 95%-KI 0,57–1,05) und in der Kombinationsgruppe 42% (HR 0,58; 95%-KI 0,36–0,92).
Unter alleinigem Isosorbidmononitrat gab es eher einen Trend zum Rückgang bei den Schlaganfallrezidiven, bei den kognitiven Beeinträchtigungen und bei der Pflegeabhängigkeit, während sich unter Cilostazol nur der Grad der Pflegeabhängigkeit verringerte mit einem Trend zum Rückgang bei den kognitiven Beeinträchtigungen. Bei der kombinierten Gabe gingen die kognitiven Beeinträchtigungen deutlich zurück (HR 0,44; 95%-KI 0,19–0,99) sowie ebenfalls die Pflegeabhängigkeit (HR 0,14; 95%-KI 0,03–0,59).
Könnten diese Medikamente auch bei anderen Formen ischämischer Schlaganfälle wirken?
Während der Präsentation meinte Jovin: „Es ist offensichtlich, dass sich die Wissenschaftler viele Gedanken über das Design dieser Studie gemacht haben. Vermutlich konnten sie aufgrund des zusammengesetzten Scores die Aussagekraft erhöhen. Wir sind an Studien gewöhnt, für die Tausende Teilnehmende erforderlich sind, aber hier wurden auch mit lediglich einigen hundert Personen signifikante Ergebnisse erzielt, auch wenn es sich nur um die Resultate einer Sondierung handelt.“
Bath betonte, dass es sich um eine Phase-2-Studie handelt. „Wir müssen nun sehen, ob sich diese Ergebnisse auch in einer größeren Phase-3-Studie bestätigen lassen. Eine solche Untersuchung soll noch in diesem Jahr als LACI-3 starten.“
Er hielt zudem die Frage für interessant, ob diese Medikamente wohl auch bei anderen Formen ischämischer Schlaganfälle wirken könnten, wenn ihnen z.B. eine Erkrankung der großen Arterien oder ein kardioembolisches Ereignis zugrunde liege oder auch andere Mikroangiopathie-Formen, wie z.B. bei Menschen mit vaskulär bedingten kognitiven Störungen.
„Es gibt noch viele Bereiche für zukünftige Forschungen. Möglicherweise gehören diese Medikamente dann in ein paar Jahren bei verschiedenen Formen der Mikroangiopathie zu den Standardbehandlungen“, sagte Bath.
Wardlaw wies darauf hin, dass es sich bei den lakunären Infarkten meist um recht milde Schlaganfälle handelt, was einer der Gründe dafür sein könnte, dass sie bisher kaum erforscht sind.
Bath fügte hinzu: „Auch wenn sie auf der NIHSS-Skala als leichter Schlaganfall eingestuft werden, können die Betroffenen dennoch stark unter den Folgen zu leiden haben. Etwa die Hälfte der Menschen mit lakunärem Infarkt entwickelt eine kognitive Beeinträchtigung und schließlich eine Demenz – das ist gewiss alles andere als mild.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Zerbor
Lead image: Dreamstime.com
Medscape © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Vielversprechende Medikamentenkombi gegen vaskulär bedingte kognitive Störungen nach lakunärem Infarkt - Medscape - 14. Mär 2023.
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