Erstmals haben jetzt Forschende durch elektrische Stimulation des zervikalen Rückenmarks bei 2 Personen mit chronischer mittelschwerer bis schwerer Lähmung der oberen Gliedmaßen die Bewegung von Arm und Hand umgehend wiederhergestellt. Die Ergebnisse wurden in Nature Medicine publiziert [1].
Die Beobachtungen lieferten „vielversprechende, wenn auch vorläufige Evidenzen dafür, dass eine Rückenmarkstimulation sowohl ein unterstützender als auch ein wiederherstellender Ansatz bei der Erholung der oberen Gliedmaßen nach einem Schlaganfall sein könnte.“ Das meinen zumindest der Erstautor der Studie Dr. Marc P. Powell von Reach Neuro Inc. in Pittsburgh, Pennsylvania, und sein Team.

Abb. Eine Probandin hält mit ihrem betroffenen Arm eine Gabel mit einem Stück Steak.
Hauptursache für Lähmungen
„Der Schlaganfall ist weltweit die häufigste Lähmungsursache“, sagte Dr. Marco Capogrosso, Professor für Neurochirurgie an der Universität von Pittsburgh, auf einer Pressekonferenz. Beinahe 3 Viertel der Schlaganfall-Patienten wiesen dauerhafte motorische Einschränkungen bei der motorischen Kontrolle von Arm und Hand auf.
Ein Schlaganfall kann die Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark unterbrechen, was zu motorischen Defiziten in Arm und Hand führt. Unterhalb der Läsion bleiben die Rückenmarkskreisläufe, welche die Bewegung steuern, jedoch intakt und könnten gezielt stimuliert werden, um die Funktion wiederherzustellen, so Capogrosso.
In der langfristigen Wiederherstellung der motorischen Funktionen der unteren Extremität nach Rückenmarksverletzungen hat sich die Rückenmarkstimulation bereits als vielversprechend erwiesen. Die Wiederherstellung bei Paresen in den oberen Gliedmaßen war bisher jedoch weitgehend unerforscht.
In dieser klinischen Phase-1-Studie implantierten die Forschenden bei 2 Personen perkutan 2 Linear-Elektroden in den dorsolateralen Epiduralraum, und richteten sie auf die neuronalen Schaltkreise aus, welche die Arm- und Handmuskulatur steuern.
Die eine Patientin war 31 Jahre alt und hatte 9 Jahre vor ihrer Teilnahme an dieser Pilotstudie aufgrund eines zerebralen Kavernoms einen hämorrhagischen Schlaganfall im rechten Thalamus erlitten.
Die andere Patientin, 47 Jahre alt, bekam 3 Jahre zuvor nach einer Dissektion der rechten A. carotis einen ausgedehnten ipsilateralen ischämischen Mediainfarkt.
Beide Patientinnen erfuhren eine umgehende und deutliche Verbesserung der Arm- und Handkraft sowie der Geschicklichkeit bei kontinuierlicher Stimulation der betreffenden neuronalen Netze. Dadurch konnten sie Bewegungen ausführen, die ihnen ohne die Rückenmarkstimulation so nicht möglich gewesen wären.
Das Verfahren förderte auch feinmotorische Fähigkeiten, wie das Öffnen eines Schlosses und die Verwendung von Besteck zum selbstständigen Essen, was z.B. die jüngere Frau seit 9 Jahren nicht mehr vermochte.
„Noch interessanter ist vielleicht, dass einige dieser Verbesserungen auch noch einige Wochen nach der Stimulation fortdauerten, was spannende Möglichkeiten für die Zukunft der Schlaganfalltherapie eröffnet“, sagte Capogrosso in einer Pressemitteilung. Es wurden keine schweren unerwünschten Nebenwirkungen gemeldet.
Einfach umzusetzen
In jahrelanger präklinischer Forschung hätten die Wissenschaftler ein praktisches, einfach anzuwendendes Stimulationsprotokoll entwickelt, das bestehende klinische Technologien aufgreift „und so die Übertragung in den Klinikalltag erleichtert“, so Capogrosso weiter.
Es seien jedoch weitere Studien in größeren Kohorten erforderlich, um die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Ansatzes zu bestätigen, sagen die Forschenden.
Derzeit arbeiten sie mit weiteren Schlaganfallkranken zusammen, um die Platzierung der Elektroden und das Stimulationsprotokoll zu verfeinern und herauszufinden, welche Personen am meisten von diesem Verfahren profitieren.
„Wirksame Lösungen für die Neurorehabilitation von Menschen mit Bewegungseinschränkungen nach einem Schlaganfall werden immer dringlicher“, sagte die Mitautorin der Studie Dr. Elvira Pirondini, Professorin für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Universität von Pittsburgh. „Selbst leichte Einschränkungen infolge eines Schlaganfalls können Menschen vom sozialen und beruflichen Leben abschneiden und für die Betroffenen zu einer großen Belastung werden. Dabei sind motorische Beeinträchtigungen der Arme und Hände besonders belastend, da sie einfache alltägliche Aktivitäten wie Schreiben, Essen und Anziehen behindern“, fügte sie hinzu.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Dharmaanjan
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Hoffnung bei gelähmten Armen und Händen nach Schlaganfall: Erstmals nach Rückenmarkstimulation Beweglichkeit wiederhergestellt - Medscape - 14. Mär 2023.
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