Bereits im vergangenen Jahr hatte die Familie des US-Schauspielers Bruce Willis öffentlich mitgeteilt, dass er an eine Aphasie leide und daher seine Karriere beenden müsse. Nun haben seine Ehefrau Emma Heming-Willis, seine ehemalige Gattin Demi Moore und die gemeinsamen Kinder mitgeteilt, dass der einstige Action-Star an einer frontotemporalen Demenz (FTD) erkrankt sei.
„Die FTD ist eine grausame Krankheit, von der viele von uns noch nie gehört haben und die jeden treffen kann“, so die Familie in einer Erklärung. Was mit grausam gemeint ist, hat der US-Neurologe Prof. Dr. Bruce Miller (Universität von Californien in San Francisco) so auf den Punkt gebracht: „Die FTD betrifft die Teile des Gehirns, die unser Menschsein ausmachen.“
Beginn früher als die Alzheimer-Demenz
Zum Hintergrund: Die frontotemporale Demenz ist zwar nicht die häufigste Demenz-Erkrankung. Das ist laut WHO mit geschätzten fast 50 Millionen Betroffenen und einem prozentualen Anteil von 60 bis 70% die Alzheimer-Demenz (AD). Deutlich geringer ist mit 5 bis 7% der Anteil der FTD.
Aufgrund der Komplexität dieser Erkrankung sind allerdings Prävalenz und Inzidenz schwierig zu bestimmen. Die Angaben schwankten zwischen 4,0 und 15,4/100 000 Personen, so Kieler Neurologen um Prof. Dr. Karl Witt in einem Übersichtsbeitrag zur FTD. Aber: Etwa 75% der Patienten mit FTD zeigten einen präsenilen Beginn mit ersten Symptomen schon zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr. Damit sei die FTD im präsenilen Alter ebenso oder gar häufiger als die AD.
Mit der Zeit sozial inkompatibel
Dass die FTD in der Tat eine grausame Erkrankung ist, belegen klinische Symptome: Typisch für sind Störungen des Verhaltens und der Sprache. Unterschieden wird zwischen der Verhaltens-Variante (behavioural variant: bv-FTD) und der primär progressiven Aphasie-Variante (PPA-FTD) mit mehreren Unterformen (progressive nichtflüssige, logopenische und semantische Aphasie).
Bis zu 15% der FTD-Patienten haben Symptome einer Motoneuronen-Erkrankung (etwa Hyperreflexie, Muskelschwäche, Spastik); hier wird vom FTD-ALS-Komplex gesprochen. Rund 20% der Patienten können motorische Symptome wie bei einem Morbus Parkinson haben.
Die behaviorale Variante der FTD (bvFTD) stelle die häufigste klinische Präsentation einer FTLD dar, erklären PD Dr. Dr. Matthias Pawlowski von der Universität Münster und Kollegen in einem Zeitschriftenbeitrag zu „früh beginnenden Demenzen“. Die Erstsymptome seien häufig subtil, die Patienten zeigten fast immer eine Anosognosie für die leitsymptomatischen Verhaltensänderungen, von Angehörigen oftmals zunächst als „midlife crisis“ fehlinterpretiert.
Diese Präsentation resultiere aus den zentralen bvFTD-Symptomen – und zwar sogenannten ‚Plussymptomen‘ wie soziale Enthemmung, perseverierende, stereotype oder zwanghaft ritualisierte Verhaltensmuster oder Veränderungen im Essverhalten. Typisch sei insbesondere ein gesteigerter Konsum von Süßigkeiten.
Andererseits komme es häufig bei Patienten auch zu Minussymptomen wie Apathie und Verlust von Empathie. Außerdem hätten die Patienten markante Störungen exekutiver Funktionen trotz relativ intakter Gedächtnisleistungen und visuell-räumlicher kognitiver Funktionen.
Das zweithäufigste klinische Korrelat der FTD seien Sprachvarianten, die primär progressiven Aphasien. Das klinische Bild sei gekennzeichnet durch eine langsam progrediente Sprachstörung, wodurch die Alltagsfunktionalität erheblich eingeschränkt werde.
Wenn der Partner nicht mehr lächelt
Wie belastend diese Demenz-Erkrankung gerade für Angehörige ist, beschreibt eindrucksvoll die Ehefrau eines Patienten in der Broschüre „Leben in einer ver-rückten Welt“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: „Als ich Peter kennenlernte, war er ein verlässlicher, heiterer, geselliger und liebevoller Mann. Nach 8 Jahren Beziehung heirateten wir. Rückblickend begannen die Veränderungen bereits kurz danach.“
„Wir trafen uns weniger mit Freunden, er saß immer länger am PC, wir sprachen weniger, ich fühlte mich oft unverstanden, er entwickelte kleine Marotten. Ich verdrängte und übernahm immer mehr selbst. Im Sommerurlaub, in enger Gesellschaft mit anderen, traf es mich dann wie ein Schlag: ‚Das ist nicht mehr mein Peter!‘ Er benahm sich unpassend, distanzlos, unbeteiligt oder ordinär, hinkte in Gesprächen hinterher, wiederholte sich ständig. Ich fragte Freunde und Ärzte, aber meine Fragen kamen zu plötzlich, zu panisch und schließlich war ich es, die mit Depression ins Krankenhaus eingewiesen wurde…“
„Als ich mich wieder herausgekämpft hatte, ging ich mit ihm erneut zu Ärzten, diesmal beherrschter. Und im Winter stand schließlich die eindeutige Diagnose: Frontotemporale lobäre Degeneration (FTLD), semantische Ausprägung. Für mich war das bei allem Schrecken fast auch Erleichterung. Nun kannte ich den „Feind“. Was bedeutete die Diagnose für Peter? Er hörte alles, aber er verstand, glaube und hoffe ich, nicht allzu viel. Den Sprachverlust nahm er wahr, doch Gespräche über Gefühle, Zukunft und notwendige Entscheidungen waren nicht mehr möglich.“
„Bald musste ich Peter den Firmenwagen und das Geschäftshandy wegnehmen, ihm sogar verbieten, zur Arbeit zu gehen. Er verstand nicht, warum (…). Peters Verhalten in der Öffentlichkeit wurde immer problematischer. Er schimpfte laut, pöbelte oder schubste andere Menschen, hielt sich nicht mehr an Regeln. Trotzdem musste ich ihn meist den ganzen Tag alleine lassen, denn alle Versuche eine Tagesbegleitung zu finden, scheiterten an passenden Angeboten und an seiner Ablehnung (…).“
„Zum Glück fand ich eine Demenz-Wohngemeinschaft mit mehr Individualität und kompetenten Betreuern. Anfangs ging jemand alleine mit Peter spazieren, denn er wollte nur laufen – Stunde um Stunde. Bald vergaß er auch die letzten Worte. Es gab nur noch große fragende Kinderaugen (…). Er zeigte immer weniger Resonanz, egal worauf. Nur die Betreuer berichteten, dass er manchmal lächelte. Für mich lächelte er nicht mehr.“
Keine kausale Therapie, schlechte Prognose
Leider ist bei der FTD, ähnlich wie bei der Alzheimer Erkrankung und anderen neurodegenerativen Krankheiten, die Therapie limitiert. Es gibt keine kausale Behandlung.
Die medikamentöse Therapie ist symptomorientiert; behandelt wird mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, trizyklischen Antidepressiva, atypischen Neuroleptika, Carbamazepin, Valproat, Lamotrigen und ggf. auch mit Antidementiva wie Acetylcholinesterase-Hemmers.
Besonders wichtig sind wie bei anderen Demenz-Erkrankungen nicht-pharmakologische Therapien, also Physio-/Ergotherapie, Logopädie sowie eine sorgfältige Aufklärung über Krankheitssymptome und Beratung (und eventuelle auch Behandlung) der meist schwer belasteten Angehörigen zum Umgang mit den Schwerkranken.
Wie sieht nun die wahrscheinliche Prognose von Bruce Willis aus? „Leider muss man sagen, dass seine Krankheit zu Hinfälligkeit und Pflegebedürftigkeit führen wird und dann auch zum Tod“, erklärt der Neurologe Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz von der Universität Essen in einem Interview mit dem „Spiegel“. Vermutlich habe der ehemalige Schauspieler als reicher Hollywoodstar zwar besondere Möglichkeiten, sich pflegen zu lassen. Es gebe aber keine medikamentöse, kausale Therapie.
Kleinschitz: „Es kann sein, dass Willis nur noch 5 bis 10 Jahre zu leben hat.“ Unsterblich werden dafür vielleicht John McClane und seine Sprüche, etwa „Yippie-Ya-Yay, Schweinebacke!“.
Credits:
Lead Image: Wikimedia Commons/ Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America, CC BY-SA 2.0
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Diesen Artikel so zitieren: Frontotemporale Demenz bei Bruce Willis: Was die Erkrankung für Patienten und für deren Familien bedeutet - Medscape - 13. Mär 2023.
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