Corona-Warn-App löschen?; Ratten in New York infiziert; auch mildes COVID verändert Gehirn; Metformin und Impfung als Long-COVID-Schutz

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

10. März 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 9. März 2023

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 52 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 8. März lag der Wert bei 61.

Unsere Themen heute:

  • Was bringt die Corona-Warn-App noch – gleich löschen oder lieber behalten?

  • Ratten in New York mit SARS-CoV-2 infiziert

  • Selbst mildes COVID-19 kann das Gehirn verändern

  • Stationäre COVID-19-Therapie: Argumente für eine höher dosierte Antikoagulation

  • COVID-19-Therapie: Phase-3-Studie mit Ensitrelvir zeigt gute Ergebnisse

  • Topol: Long-COVID-Risiken verringern – neue Hoffnung durch Metformin

  • Lindern COVID-19-Impfungen Symptome von Long-COVID?

Was bringt die Corona-Warn-App noch – gleich löschen oder lieber behalten?

Rund 48 Millionen Mal haben Nutzer die offizielle Corona-Warn-App bis Ende 2022 heruntergeladen. Politisch ist die Zukunft des Tools jedoch umstritten. Die FDP spricht von einer „Verschwendung von Zeit und Steuergeldern“, während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die App gerne weiterentwickeln würde.

Bislang sind 150 Millionen Euro in das Projekt geflossen. Das Bundesgesundheitsministerium will die Laufzeit „komplett und letztmalig bis zum 31. Mai 2023 ausschöpfen“, ist zu lesen. Darüber hinaus wären neue Verträge oder gar neue Ausschreibungen erforderlich. Ideen zur Weiterentwicklung aus der IT-Branche, etwa als Bundeswarn-App oder als elektronische Patientenakte, dementiert das Ministerium.

Anwender fragen sich, ob sie die App nicht ohnehin löschen können. Je weniger Menschen diese noch nutzen und je seltener positive Tests auf SARS-CoV-2 eingetragen werden, desto sinnloser erscheint das Unterfangen. Bleibt als Problem, dass laut Umfragen etwa 68% der User ihre Impfdaten in der App gespeichert haben.

Für Deutschland haben Impfnachweise kaum noch Bedeutung, für Reisen können sie durchaus relevant werden. Wer nach Bhutan (Impfung oder Test), China (PCR-Test), Hongkong, Indien, Kenia, Nepal, Philippinen oder Uruguay (jeweils Impfung oder Test) möchte, hat solche Angaben zu machen. Ob Screenshots statt der App ausreichen, ist fraglich. Bleibt noch der gelbe Impfpass aus analogen Zeiten.

Ratten in New York mit SARS-CoV-2 infiziert

Eine US-Studie hat gezeigt, dass Ratten für eine Infektion mit den Alpha-, Delta- und Omicron-Varianten von SARS-CoV-2 anfällig sind und dass wilde Ratten in den städtischen Abwassersystemen von New York City und anderswo in der Stadt mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen sind. Die Studie wurde in mBio veröffentlicht, einem Open-Access-Journal der American Society for Microbiology.

Ratten sind in Städten weit verbreitet. Allein in New York City leben etwa 8 Millionen wilde Ratten. Diese haben reichlich Gelegenheit, mit Menschen in Kontakt zu kommen. 2 frühere Studien legten nahe, dass Ratten auch in Hongkong und in Europa (Belgien) mit SARS-CoV-2 in Berührung kamen.

Biologen sammelten und verarbeiteten in New York im Herbst 2021 Proben von 79 Ratten für virologische Untersuchungen und Genom-Sequenzierungen. Die Forscher fanden heraus, dass die Ratten SARS-CoV-2 ausgesetzt waren und eine mögliche Verbindung zu den Viren aufwiesen, die während der Frühphase der COVID-19-Pandemie beim Menschen zirkulierten. Im Einzelnen wurden 13 von 79 Ratten (16,5%) positiv getestet. „Soweit wir wissen, ist dies eine der ersten Studien, die zeigt, dass SARS-CoV-2-Varianten Infektionen in wilden Rattenpopulationen in einem städtischen Gebiet der USA verursachen können“, sagt der Leiter der Studie, Dr. Henry Wan, Professor und Direktor des Zentrums für Influenza und neu auftretende Infektionskrankheiten an der University of Missouri, Colombia, USA.

Die Forscher betonen, dass man die Bewohner der Kanalisation künftig weiter beobachten muss. Wan: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer weiteren Überwachung von SARS-CoV-2 in Rattenpopulationen, um festzustellen, ob das Virus in den Tieren zirkuliert und sich zu neuen Stämmen entwickelt, die ein Risiko für den Menschen darstellen könnten.“

Selbst mildes COVID-19 kann das Gehirn verändern

Schon leichtes COVID-19 kann die Funktion und die Struktur des Gehirns beeinträchtigen, wie Medscape.com berichtet.

Die Studie dazu wird beim American Academy of Neurology (AAN) 2023 Annual Meeting am 24. April vorgestellt (Abstract 1998). Sie umfasste 254 Erwachsene (177 Frauen, 77 Männer, Durchschnittsalter 41 Jahre), die im Durchschnitt 82 Tage zuvor leichtes COVID-19 hatten. Insgesamt 102 hatten Symptome von Angst und Depression. 152 hatten keine derartigen Beschwerden.

Bei der Bildgebung zeigte sich bei den Teilnehmern mit COVID-19, mit Angst und Depression eine Atrophie im limbischen Bereich des Gehirns, der eine Rolle bei der Erinnerung und der emotionalen Verarbeitung spielt. Hingegen war bei Personen mit COVID-19 ohne Angstzustände und ohne Depressionen sowie bei einer Kontrollgruppe ohne COVID-19 keine Schrumpfung in diesem Bereich festzustellen.

Bei Analysen der funktionellen Konnektivität wiesen Personen mit COVID-19, Angstzuständen und Depressionen weit verbreitete funktionelle Veränderungen in jedem der 12 untersuchten neuronalen Netzwerken auf, während Personen mit COVID-19, aber ohne Symptome von Angstzuständen und Depressionen Veränderungen in nur 5 Netzwerken zeigten.

Eine Limitation der Studie war, dass Probanden Angst und Depression selbst nennen mussten. Möglicherweise haben sie ihre Symptome falsch eingeschätzt oder falsch angegeben.

Stationäre COVID-19-Therapie: Argumente für eine höher dosierte Antikoagulation

Zahlreiche Leitlinien empfehlen, bei COVID-19 auf eine Antikoagulation zu setzen, aber Fragen zur Dosierung und zur Sicherheit blieben offen. Eine neue Studie setzt nicht nur, wie zu Beginn der Pandemie üblich, auf eine niedrig dosierte, prophylaktische Antikoagulation, sondern auf therapeutische Dosen.

Der primäre Endpunkt setze sich zusammen aus der Gesamtmortalität, der Notwendigkeit einer Behandlung auf der Intensivstation, systemischen Thromboembolien oder ischämischen Schlaganfällen – und zwar innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Symptome.

Zwischen 26. August 2020 und 19. September 2022 wurden 3.398 nicht kritisch kranke Patienten, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, in die Studie aufgenommen. Sie erhielten randomisiert Enoxaparin in prophylaktischer Dosis (n=1.141), Enoxaparin in therapeutischer Dosis (n=1.136) oder Apixaban in therapeutischer Dosis (n=1.121).

Ereignisse des primären Endpunkts traten bei 13,2% der Patienten in der Gruppe mit prophylaktischer Dosierung und bei 11,3% der Patienten in den kombinierten Gruppen mit therapeutischer Dosierung auf (HR 0,85; 95%-KI 0,69-1,04; p=0,11). Die Gesamtmortalität lag bei 7,0% in der Gruppe mit prophylaktischer und bei 4,9% in den kombinierten Gruppen mit therapeutischer Dosierung (HR 0,70; 95%-KI 0,52-0,93; p=0,01). Intubationen waren bei 8,4% versus 6,4% der Patienten erforderlich (HR 0,75; 95%-KI 0,58-0,98; p=0,03). Die Ergebnisse waren in den beiden Gruppen mit therapeutischer Dosierung ähnlich, und schwerere Blutungen traten in allen Gruppen nur selten auf.

„Bei nicht kritisch kranken Patienten, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden, war das primäre 30-Tage-Komposit-Ergebnis durch die therapeutische Antikoagulation im Vergleich zur prophylaktischen Antikoagulation nicht signifikant reduziert“, so die Forscher. „Allerdings mussten weniger Patienten, die mit einer therapeutischen Antikoagulation behandelt wurden, intubiert werden oder starben.“

COVID-19-Therapie: Phase-3-Studie mit Ensitrelvir zeigt gute Ergebnisse

Trotz der momentan recht entspannten Situation bei COVID-19 suchen Hersteller weiter nach Therapien. Der Protease-Inhibitor Ensitrelvir gilt als möglicher Kandidat. In Japan darf er im Rahmen einer Notfallzulassung als orale Therapie für COVID-19 bereits verabreicht werden. Fragen zur Evidenz blieben dennoch offen.

Auf der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Seattle haben Forscher jetzt Ergebnisse einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-3-Studie vorgestellt. Im September waren bereits Resultate der Phase-2a-Studie erschienen.

Unabhängig vom SARS-CoV-2-Impfstatus und von Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung wurden Patienten mit einer leichtem bis mittelschwerem COVID-19 innerhalb von 120 Stunden nach Krankheitsbeginn randomisiert. Sie erhielten oral Enzitrelvir 125 mg (375 mg an Tag 1), Enzitrelvir 250 mg (750 mg an Tag 1) oder Placebo 1-mal täglich für 5 Tage. Dabei zeigte sich unter anderem:

  • Die mediane Zeit bis zum Verschwinden typischer Symptome war in der 125-mg-Gruppe (n=336, 167,9 Stunden) signifikant kürzer als in der Placebo-Gruppe (n=321, 192,2 Stunden; p=0,0407).

  • Die mittlere Veränderung der viralen RNA-Werte (log10 Kopien/ml) an Tag 4 war in der 125-mg-Gruppe (-2,48) signifikant größer als in der Placebogruppe (-1,01; p<0,0001).

  • Die Zeit bis zum 1. negativen Virustest war in der 125-mg-Gruppe (n=199, 36,2 Stunden) signifikant kürzer als in der Placebogruppe (n=211, 65,3 Stunden; p<0,0001).

In beiden Gruppen wurden keine Todesfälle oder schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen gemeldet. Die Häufigkeit schwerwiegender unerwünschter Ereignisse war zwischen den beiden Gruppen vergleichbar.

Topol: Long-COVID-Risiken verringern – neue Hoffnung durch Metformin

Evidenzbasierte Therapien gegen Long-/Post-COVID gibt es bisher nicht. Auf Twitter stellt Dr. Eric J. Topol, US-Kardiologe und Editor-in-Chief von Medscape, eine neue, bislang nur als Preprint verfügbare Studie vor. Forscher haben Metformin, Ivermectin und Fluvoxamin untersucht.

Von 1.323 randomisierten Studienteilnehmern schlossen 95,1% die Studie mit einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 9 Monaten ab. Das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren, und 56% waren Frauen. Der mediane BMI lag bei 30 kg/m2. Insgesamt gaben 8,4% an, dass ein Arzt bei ihnen Long-COVID diagnostiziert habe (6,3% mit Metformin und 10,6% mit Placebo).

Die Hazard Ratio (HR) für Metformin zur Prävention von Long-COVID betrug 0,58 (95%-KI 0,38 bis 0,88; p=0,009) im Vergleich zu Placebo. Die Wirkung von Metformin war in allen Subgruppen, einschließlich Personen mit Virusvarianten, gleich. Wurde die Metformin-Gabe innerhalb von weniger als 4 Tagen nach Symptombeginn eingeleitet, lag die HR für Long-COVID bei 0,37 (95%-KI 0,15 bis 0,95). 

Kein statistischer Unterschied trat bei Patienten auf, die entweder auf Ivermectin (HR=0,99; 95%-KI 0,59-1,64) oder Fluvoxamin (HR=1,36; 95%-KI 0,78-2,34) randomisiert wurden.

„Sehr gute Nachrichten. Metformin half in einer placebokontrollierten, randomisierten Studie signifikant, Long-COVID vorzubeugen, bei einer relativen Verringerung [des Risikos] um 42%“, schreibt Topol auf Twitter.

Lindern COVID-19-Impfungen Symptome von Long-COVID?

Ob Impfungen die Schwere der Symptome bei ungeimpften Long-COVID-Patienten verringern, war bislang offen. Neue Erkenntnisse liefert jetzt eine Kohortenstudie, über die Univadis.fr zuerst berichtet hat.

Wissenschaftler verglichen Patienten mit Long-COVID, die zum 1. Mal mit einem Vakzin von AstraZeneca, BioNTech/Pfizer, Johnson & Johnson oder Moderna geimpft wurden, mit Long-COVID-Patienten, die ungeimpft blieben. So wurden Daten von 455 Personenpaaren (geimpft und ungeimpft) gegenübergestellt.

SARS-CoV-2-Impfstoffe haben die Schwere und Dauer von Long-COVID und ihre Auswirkungen auf das soziale, berufliche und familiäre Leben verringert:

  • Die durchschnittliche Anzahl der Long-COVID-Symptome nach 120 Tagen betrug 13 bei den Geimpften und 14,8 bei den nicht Geimpften.

  • Doppelt so viele geimpfte wie nicht geimpfte Patienten berichteten über eine Remission aller Long-COVID-Symptome nach 120 Tagen: etwa 17% gegenüber 7%.

  • Die mittlere Punktzahl eines Scores zu Auswirkungen von Long-COVID auf das soziale, berufliche und familiäre Leben betrug 24,3 bei Geimpften und 27,6 bei nicht Geimpften. Der Score reicht von 0 (keine Beeinträchtigung) bis 60 (maximale Beeinträchtigung).

Fast 6% der geimpften Patienten berichteten über Nebenwirkungen nach der Impfung, von denen 4 als schwerwiegend eingestuft wurden und 2 einen Krankenhausaufenthalt erforderten. Bei 13 geimpften Patienten verschlechterten sich die Symptome von Long-COVID nach der Impfung.

„In dieser Studie verringerte die COVID-19-Impfung die Schwere der Symptome und die Auswirkungen von Long-COVID auf das soziale, berufliche und familiäre Leben der Patienten nach 120 Tagen“, so die Autoren.

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Kommentar

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