MEINUNG

Bald 30 Jahre Stillstand: Wann kommt eigentlich eine GOÄ-Novelle? Experte kritisiert sehr langsamen Fortschritt

Dieter Jentzsch

Interessenkonflikte

8. März 2023

Schon seit mehr als 20 Jahren herrscht Ungewissheit darüber, ob und wann die aus dem Jahr 1982 und letztmalig 1996 grundhaft erneuerte Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) neu aufgelegt, verbessert oder renoviert wird. Die diesbezügliche „Windstille“ begeht in diesem Jahr ihren 27. Geburtstag. Dieter Jentzsch, Referent zur GOÄ bei Büdingen Med, der Ärztlichen Verrechnungsstelle Büdingen GmbH, kritisiert den langsamen Fortschritt. Und er empfiehlt Ärzten, die bestehenden Möglichkeiten der GOÄ auszuschöpfen.

Aufgabe von großer politischer Brisanz

Die nach der GOÄ abzurechnenden Leistungen sind volkswirtschaftlich von großer Wichtigkeit. Nach den Berichten der Privaten Krankenversicherungen (PKV) werden für ambulante privatärztliche Leistungen durch die Assekuranzen jährlich mehr als 13 Mrd. Euro allein aufgewandt. Durchschnittlich 55.000 Euro an Honoraren fehlten in jeder niedergelassenen Praxis, fiele die GOÄ vollständig weg.

Die Gebührenordnungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Architekten werden regelmäßig angepasst, ohne dass dies in nennenswertem Umfang öffentliches Aufsehen erzeugt. Einsichtig ist, dass die Gesundheits- und Sozialausgaben aufgrund ihrer jährlichen Gesamtvolumina auch eine große politische Brisanz aufweisen. Die Gesundheit wird gern als Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge und Selbstverständlichkeit wahrgenommen.

 
Die Gebührenordnungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Architekten werden regelmäßig angepasst, ohne dass dies in nennenswertem Umfang öffentliches Aufsehen erzeugt. Dieter Jentzsch
 

Kosten in Praxen steigen, doch wen interessiert's?

Medizinischer Fortschritt bringt aber höhere Kosten mit sich. Steigende Gehalts- und sonstige Kostentabellen schlagen in jeder Arztpraxis, jedem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und auch in jeder Klinikambulanz erheblich zu Buche. Das sind jedoch gern unterbewertete Tatsachen.

Die Ärzteschaft hatte im Frühjahr 2021 erwartet, die (alte) Bundesregierung könne noch in der vorhergehenden Legislaturperiode die längst fällige GOÄ-Novelle herausgeben. Gemeinsam mit dem PKV-Verband und den Beihilfestellen war bereits der Paragrafenteil skizziert worden, weiter gab es abgestimmte Leistungslegenden für über 5.500 Positionen. Anfang Juni 2021 begannen die Gespräche zur Gebührenhöhe.

Beim Deutschen Ärztetag 2022 wurde dem (neuen) Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach ein „ärzteeigener Entwurf“ der GOÄ überreicht. Wie sich später herausstellte, fehlten in dem Elaborat die Werte der einzelnen Leistungen. Wann sich Ärzteschaft, Beihilfen und PKV über gemeinsame Vorschläge zur Gebührenhöhe geeinigt haben, ist indes ungewiss.

Dagegen unterstrich Minister Lauterbach schon im April 2021, dass eine reformierte GOÄ innerhalb kurzer Frist eher unwahrscheinlich sei. Denn eine reformierte GOÄ steht nicht im Ende 2021 zwischen SPD, B90/Grüne und FDP ausgehandelten Koalitionsvertrag.

Keine GOÄ-Novelle in Sicht?

Deutlich ernüchtert blickt der Verfasser auf den geregelten Ablauf einer GOÄ-Novelle. Da gibt es zunächst einen Referentenentwurf, der im Bundesgesundheitsministerium (BMG) erarbeitet wird. Dieser wird anschließend beraten zwischen:

  • den beteiligten Finanz-, Wirtschafts-, Innenministerien im Bund, den Innen- und Finanzministerien der einzelnen Bundesländer; 

  • dem BMG und der Ärzteschaft, die innerhalb aller Fachgesellschaften Stellungnahmen einholt. Die Bundesärztekammer (BÄK) teilt im Namen der ärztlichen Interessengruppen ihre Anregungen und Bedenken dem BMG mit.

Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, muss an dieser Stelle festgehalten werden: Mit einer GOÄ-Novelle kann nicht in den nächsten Jahren, voraussichtlich noch nicht einmal innerhalb der Legislaturperiode 2021/2025, gerechnet werden.

 
Mit einer GOÄ-Novelle kann nicht in den nächsten Jahren, voraussichtlich noch nicht einmal innerhalb der Legislaturperiode 2021/2025, gerechnet werden. Dieter Jentzsch
 

Chancen der bestehenden GOÄ ausschöpfen

Es bleibt den Ärztinnen und Ärzten somit nur, die Chancen der bestehenden GOÄ auszuschöpfen. Im Wesentlichen sind dies Definition des Behandlungsfalles in der GOÄ, die variablen Honorarfaktoren mit der Möglichkeit, unter Hinweis auf Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umstände bei der Ausführung die Honorare bis zum 3,5/2,5-fachen zu steigern und letztlich auch die Honorarvereinbarung („Abdingung nach § 2 GOÄ“). Hier ist es möglich, für bestimmte Leistungen „auskömmliche Honorare“ zu vereinbaren.

 
Es bleibt den Ärztinnen und Ärzten somit nur, die Chancen der bestehenden GOÄ auszuschöpfen. Dieter Jentzsch
 

Die aktuelle welt-, innenpolitische und wirtschaftliche Situation sowie die rasante Inflation sind (Stand Anfang 2023) bei diesem Blick auf die Gebührenordnung für Ärzte noch überhaupt nicht berücksichtigt. 

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf  Coliquio.de .

 

Kommentar

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