Herzschutz für Krebspatienten: Prophylaktische Atorvastatin-Gabe kann Kardiotoxizität durch Anthrazyklin verringern

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

7. März 2023

New Orleans – Eine prophylaktische Gabe von Atorvastatin (40 mg/Tag) über 12 Monate bei Lymphom-Patienten, die mit Anthrazyklinen behandelt wurden, war mit einer niedrigeren Rate von kardialen systolischen Funktionsstörungen assoziiert als Placebo. Frauen, Personen im Alter über 52 Jahren, Übergewichtige sowie Patienten, die mit Anthrazyklin-Dosen über 250 mg/m² behandelt wurden, profitierten besonders gut vom Statin.

 
Diese Daten unterstützen den Einsatz von Atorvastatin bei Lymphom-Patienten, die mit Anthrazyklinen behandelt werden, bei denen es wichtig ist, eine systolische Dysfunktion zu verhindern. Prof. Dr. Tomas Neilan
 

„Diese Daten unterstützen den Einsatz von Atorvastatin bei Lymphom-Patienten, die mit Anthrazyklinen behandelt werden, bei denen es wichtig ist, eine systolische Dysfunktion zu verhindern“, schlussfolgerte Prof. Dr. Tomas Neilan, Massachusetts General Hospital, Boston, aus den Ergebnissen der STOP-CA-Studie, die er bei der Wissenschaftlichen Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) in Verbindung mit dem World Congress of Cardiology (WCC) am 4. März 2023 in New Orleans vorgestellt hat [1].

Prof. Dr. Tomas Neilan

Nach Aussage von Prof. Dr. Anita Deswal, MD Anderson Cancer Center, Houston, in der ACC-Pressekonferenz besteht eine Einschränkung der Studie darin, dass sie nicht die Effekte von Atorvastatin auf eine Herzinsuffizienz untersuchte. Aufgrund der Veränderungen der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) könnte nicht auf die Prävention einer Herzinsuffizienz geschlossen werden. Dennoch halte sie die Studie für nützlich, weil Lymphom-Patienten normalerweise höhere Anthrazyklin-Dosen erhalten als beispielsweise Patienten mit Brustkrebs.

Kardiotoxische Wirkung der Anthrazykline lange bekannt

Neilan erläuterte einleitend, dass jedes Jahr mehr als 1 Mio. Menschen weltweit mit Anthrazyklinen wie Doxorubicin, Epirubicin oder Idarubicin behandelt werden. Ihre kardiotoxische Wirkung ist schon lange bekannt. Sie beginnt mit dem 1. Zyklus der Chemotherapie, und sie erhöht das Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz um das 10- bis 15-Fache.

Bislang steht zur Prävention der Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität nur Dexrazoxan zur Verfügung, das in deutschen Leitlinien als geeignet eingeordnet ist.

Experimentelle Daten, retrospektive Studien und eine kleine randomisierte Untersuchung hatten gezeigt, dass die prophylaktische Gabe von Statinen mit einer Verzögerung der linksventrikulären Dysfunktion oder weniger Herzinsuffizienz einherging.

Die von den amerikanischen National Institutes for Health/National Heart and Lung Blood Institute finanzierte STOP-CA-Studie (Statins TO Prevent the Cardiotoxicity associated with Anthracyclines) ist eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte, multizentrische, randomisierte Studie, die den Effekt von Atorvastatin im Vergleich zu Placebo auf das Auftreten einer kardialen Funktionsstörung bei Lymphom-Patienten untersucht hat, die mit Anthrazyklinen behandelt wurden.

Lymphome sind häufige Tumoren, sie haben glücklicherweise eine hohe Überlebensrate, wodurch sich späte Toxizitäten der Therapie vermehrt bemerkbar machen.

Atorvastatin verhindert Absenkung der Auswurffraktion besser als Placebo

Die STOP-CA-Studie wurde an 9 Zentren in den USA und Kanada durchgeführt. 69% der 300 in die Studie aufgenommenen Patienten litten an einem B-Zell-Lymphom, 26% an einem Hodgkin-Lymphom und 5% an einem T-Zell-Lymphom. Sie erhielten im Mittel eine kumulative Anthrazyklin-Dosis von 264 mg/m².

Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit einer Abnahme der LVEF von ≥ 10% auf weniger als 55%. Sekundärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit einer Abnahme von ≥ 5% auf weniger als 55%.

286 Teilnehmer beendeten die Studie. Ihre linksventrikuläre Auswurffraktion lag zu Studienbeginn bei 63 ± 4,6%. Nach 12 Monaten war die LVEF in der Gesamtgruppe auf 59 ± 5,9% gesunken. Bei 46 Teilnehmern (15%) war die LVEF um mehr als 10% auf unter 55% gefallen.

Der primäre Endpunkt trat nach 12 Monaten in der Atorvastatin-Gruppe bei 9% und in der Placebo-Gruppe bei 22% der Teilnehmer auf (p = 0,002). Damit war das Risiko für eine linksventrikuläre Funktionsstörung für die Placebo-Gruppe fast 3-mal höher (Odds-Ratio 2,9).

Der sekundäre Endpunkt wurde nach 12 Monaten bei 13% der Patienten in der Atorvastatin- und bei 19% in der Placebo-Gruppe gesehen (p = 0,001).

Exploratorische Analysen zeigten, dass die LVEF in der Atorvastatin-Gruppe im Mittel um 4,1%, in der Placebo-Gruppe um 5,4% abnahm. Der Unterschied in der Abnahme der LVEF betrug damit 1,3 Prozentpunkte, er war also nicht sehr groß, aber signifikant (p = 0,029).

Insgesamt erkrankten 11 Patienten an einer Herzinsuffizienz, wobei sich die Inzidenz zwischen den beiden Gruppen nicht unterschied (p = 0,77).

Exploratorische Subgruppen-Analysen ergaben, dass der Effekt von Atorvastatin auf die LVEF bei Frauen (-5,4% Atorvastatin vs. –3,1% Placebo), bei Personen im Alter über 52 Jahren (-4,4% vs. – 6,6%), Anthrazyklin-Dosierung ≥ 250 mg/m² (-4,3% vs. -6,2%) und Übergewichtigen (-3,0% vs. -5,6%) am deutlichsten war.

Muskelschmerzen, erhöhte Leberwerte, Myositis und Nierenfunktionsstörungen waren mit Atorvastatin nicht häufiger als mit Placebo. Der LDL-Cholesterinwert nahm mit Atorvastatin um 37% ab.

Neilan führte aus, dass die LVEF als Surrogatparameter für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz diente, weil die Studie nicht ausreichend gepowert war, um einen Effekt von Atorvastatin auf die Herzinsuffizienz zu untersuchen.

Die Studienpopulation umfasste zwar fast 50% Frauen, allerdings waren fast 90% der Teilnehmer weiß.

Die Studie erfasste die Veränderung der LVEF nach 12 Monaten. Unklar ist nach Aussage von Neilan jedoch, ob der günstige Effekt von Atorvastatin zu einem späteren Zeitpunkt weiter nachweisbar ist.

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