New Orleans – Die Therapie von Statin-intoleranten Risikopersonen mit dem LDL-Cholesterin-Senker Bempedoinsäure war mit einem um 13% verringerten Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Das Risiko für Herzinfarkte war um 23% und für eine koronare Revaskularisation um 19% geringer.

Prof. Dr. Steven E. Nissen
Dies ergab die Phase-3-Studie CLEAR Outcomes, die Prof. Dr. Steven E. Nissen, Heart Vascular and Thoracic Institute, Cleveland Clinic, Ohio, bei der Wissenschaftlichen Jahrestagung des American College of Cardiology (ACC) am 4. März 2023 in New Orleans vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert hat [1,2].
„Diese Ergebnisse etablieren Bempedoinsäure als einen effektiven Therapieansatz, um schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bei Statin-intoleranten Patienten zu reduzieren“, so die Schlussfolgerung von Nissen.
„Die Behandlung von Patienten, die keine Statine einnehmen können oder wollen, ist ein schwieriges und frustrierendes Problem. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um einen Nocebo-Effekt oder eine tatsächliche Unverträglichkeit darstellt, benötigen diese Hochrisiko-Patienten wirksame alternative Therapien. Die CLEAR-Outcomes-Studie liefert eine solide Grundlage für den Einsatz von Bempedoinsäure zur Verringerung der wichtigsten kardiovaskulären Ereignisse bei Patienten, die Statine nicht vertragen“, so Nissen.
Bempedoinsäure
Bempedoinsäure (Nilemdo®) ist ein oral anwendbarer Lipidsenker, der in der EU seit 1. April 2020 u.a. in Monotherapie für die Therapie von Erwachsenen mit primärer Hypercholesterinämie zugelassen ist, die eine Statin-Intoleranz aufweisen oder bei denen ein Statin kontraindiziert ist.
Bempedoinsäure hemmt das Enzym ATP-Citrat-Lyase-Hemmer, das ein der HMG-CoA-Reduktase vorgelagertes Enzym im Cholesterin-Biosyntheseweg ist. Bempedoinsäure ist ein Prodrug, das primär in der Leber in seine aktive Form umgewandelt ist. Das zur Aktivierung notwendige Enzym wird vorwiegend in der Leber und nicht in der Skelettmuskulatur exprimiert, daher soll Bempedoinsäure weniger muskuläre Beschwerden als Statine verursachen, was bisherige Studien auch gezeigt haben.
Bempedoinsäure: Noch zu früh als Alternative für Statine
Prof. Dr. Michelle O'Donoghue, Harvard Medical School, Boston, gratulierte Nissen zur ersten Outcome-Studie mit Bempedoinsäure und mit Statin-intoleranten Patienten. Angesichts der LDL-Cholesterin-Senkung von 22% durch Bempedoinsäure habe man eine Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate um 13% erwarten können. Diese Daten würden die LDL-Hypothese weiter unterstützen.
Auf eine Erhöhung der Harnsäure-Werte und die Entwicklung einer Cholelithiasis müsse bei Behandlung mit Bempedoinsäure geachtet werden, die Substanz hätte aber nicht zu vermehrten Muskelbeschwerden und zu einem Anstieg von Diabetes geführt.
Prof. Dr. Eugene Yang, Universität von Washington, Bellevue, lobte in der ACC-Pressekonferenz den hohen Frauenanteil von fast 50% in der Studie, allerdings seien die Teilnehmer zu rund 91% weiß gewesen. Und nicht zu vergessen seien die hohen Kosten der Therapie mit Bempedoinsäure.
Die Tagestherapiekosten liegen in Deutschland für die 180-mg-Dosis bei etwa 2,94 € basierend auf der N1-Packung (N3 nicht verfügbar), für 10 mg generisches Rosuvastatin dagegen bei etwa 0,17 € basierend auf der N3-Packung (N1 nicht verfügbar).
In einem begleitenden Editorial im NEJM schreibt Prof. Dr. John Alexander, Duke Universität, Durham, dass die überzeugenden Ergebnisse der CLEAR-Outcomes-Studie den Einsatz von Bempedoinsäure bei Patienten mit atherosklerotischer Gefäßerkrankung und mit hohem Risiko für Gefäßerkrankungen, die keine Statine einnehmen können oder wollen, erhöhen sollten [3].
Weiter schreibt Alexander: „Es ist jedoch verfrüht, Bempedoinsäure als Alternative zu Statinen in Betracht zu ziehen. Angesichts der überwältigenden Beweise für den vaskulären Nutzen von Statinen sollten Kliniker ihre Bemühungen fortsetzen, sie in den maximal tolerierten Dosen für geeignete Patienten zu verschreiben, einschließlich derjenigen, die Statine möglicherweise wegen vermuteter Nebenwirkungen abgesetzt haben.“
CLEAR-Outcomes-Studie: Fast 14.000 Patienten randomisiert
In die doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie wurden Statin-intolerante Patienten mit einem LDL-Cholesterin-Spiegel ≥100 mg/dl, einer kardiovaskulären Erkrankung oder einem hohen kardiovaskulären Risiko aufgenommen. Sowohl Patienten als auch Behandler mussten schriftlich bestätigen, dass eine Statin-Intoleranz vorlag.
Der primäre Endpunkt war eine aus 4 Komponenten bestehende Kombination schwerwiegender unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse, und zwar:
Tod durch kardiovaskuläre Ursachen,
nicht-tödlicher Myokardinfarkt,
nicht-tödlicher Schlaganfall oder
koronare Revaskularisierung.
Die Studie war ereignisgesteuert: Es mussten bei einem Follow-up von mindestens 24 Monaten mindestens 1.620 Ereignisse des primären Endpunkts auftreten.
Sekundäre Endpunkte wurden hierarchisch analysiert in folgender Reihenfolge:
aus 3 Komponenten bestehende Kombination kardiovaskulärer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulär bedingter Tod),
tödlicher und nicht-tödlicher Herzinfarkt,
koronare Revaskularisation,
tödlicher und nicht-tödlicher Schlaganfall,
kardiovaskulärer Tod,
Gesamtsterblichkeit.
In 1.250 Zentren in 32 Ländern wurden 13.970 Patienten zwischen Dezember 2016 und August 2019 in der Studie randomisiert und 40,6 Monate verfolgt. Trotz der Corona-Pandemie gelang es, 95,3% der Patienten hinsichtlich des primären Endpunkts zu analysieren.
6.992 Patienten erhielten 180 mg Bempedoinsäure täglich, 6.978 Patienten Placebo. Die demografischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Gut 48% waren Frauen, eine Zahl, die bei der Präsentation spontanen Beifall auslöste. Der LDL-Cholesterin-Spiegel lag bei 139 mg/dl. 30% gehörten zur Hochrisikogruppe mit Primärprävention, bei 70% handelte es sich um eine Sekundärprävention. Etwa 45% litten an einem Diabetes.
LDL-Cholesterin sinkt, Ereignisrate nimmt ab
Bei Behandlung mit Bempedoinsäure lag der LDL-Cholesterinspiegel nach 6 Monaten bei 107 mg/dl und war damit 29,2 mg/dl (21,1%) niedriger als bei Behandlung mit Placebo (136 mg/dl). Der Spiegel des hochsensitiven C-reaktiven Proteins (CRP) nahm nach 6 Wochen um 22,2% vom Ausgangswert ab, unter Placebo stieg er um 2,4%.
Wie Tabelle 1 zeigt, wurde der primäre Endpunkt erreicht. Mit Bempedoinsäure traten signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf als mit Placebo. Auch die Rate an Herzinfarkten, Schlaganfällen und Revaskularisationsmaßnahmen wurde verringert.
Die Effekte von Bempedoinsäure auf die kardiovaskuläre Ereignisrate waren damit gleichwertig, wie sie in anderen Outcome-Studien bei einer Senkung des LDL-Cholesterin-Werts um 22% beobachtet worden sind.
Tab. 1: Wirksamkeits-Endpunkte der CLEAR-Outcomes-Studie (CV = kardiovaskulär bedingt, MI = Myokardinfarkt)
|
Bempedoinsäure |
Placebo |
HR (95%-KI) |
p-Wert |
Primärer Endpunkt |
n (%) |
n (%) |
|
|
CV Tod, nicht-tödlicher MI ,nicht-tödlicher Schlaganfall oder koronare Revaskularisation |
819 (11,7%) |
927 (13,3%) |
0,87 (0,79-0,96) |
0,004 |
Sekundäre Endpunkte |
|
|
|
|
CV Tod, nicht-tödlicher MI oder nicht-tödlicher Schlaganfall |
575 (8,2%) |
663 (9,5%) |
0,85 (0,76-0,96) |
0,006 |
Tödlicher oder nicht-tödlicher MI |
261 (3,7%) |
334 (4,8%) |
0,77 (0,66-0,91) |
0,002 |
Koronare Revaskularisation |
435 (6,2%) |
529 (7,6%) |
0,81 (0,72-0,92) |
0,001 |
Tödlicher oder nicht-tödlicher Schlaganfall |
135 (1,9%) |
158 (2,3%) |
0,85 (0,67-1,07) |
0,14 |
CV Tod |
269 (3,8%) |
257 (3,7%) |
1,04 (0,88-1,24) |
|
Gesamtsterblichkeit |
434 (6,2%) |
420 (6,0%) |
1,03 (0,90-1,18) |
|
Bempedoinsäure hatte keinen Einfluss auf die kardiovaskuläre und die Gesamtsterblichkeit. Hierzu heißt es im NEJM-Editorial, dass viele Einzelstudien mit Statinen auch keine Wirkung auf die Sterblichkeit gezeigt hätten. Nur in Metaanalysen hätte sich ein Effekt von Statinen auf die Sterblichkeit ergeben.
Subgruppenanalysen zeigten, dass der Effekt von Bempedoinsäure in der Primärprävention ausgeprägter war als in der Sekundärprävention.
Gut verträgliche Therapie
Bempedoinsäure erwies sich als gut verträglich; schwere therapiebedingte Nebenwirkungen waren mit rund 25% in beiden Gruppen ähnlich häufig. Über Muskelbeschwerden berichteten 15% der Patienten in beiden Gruppen, ein neuer Diabetes wurde bei 16,1% unter Bempedoinsäure und bei 17,1% der Patienten unter Placebo diagnostiziert. Häufiger waren mit Bempedoinsäure Gicht (3,1% versus 2,1%) und Cholelithiasis (2,2% versus 1,2%).
Nissen wies darauf hin, dass in die Studie nur Patienten mit einer dokumentierten Statin-Intoleranz aufgenommen worden waren und dass die Gabe weiterer Lipidsenker einschließlich von PCSK9-Inhibitoren in der Studie den Unterschied im LDL-Cholesterin-Spiegel zwischen Verum- und Placebo-Gruppe über die Zeit verringert hat.
Nissen betonte auch, dass Bempedoinsäure in der CLEAR-Outcomes-Studie in Monotherapie untersucht wurde. Seiner Meinung nach wird sie aber in der klinischen Praxis meist in Kombination mit Ezetimib (Nustendi®) eingesetzt. Diese Kombination senke den LDL-Cholesterin-Spiegel um 38%, was dem Effekt von etwa 40 mg Simvastatin oder 20 mg Atorvastatin entspräche. Das Potenzial von Bempedoinsäure sieht er vor allem in Kombination mit Ezetimib.
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Credits:
Photographer: © Ivan Shidlovski
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Diesen Artikel so zitieren: Alternative zu Statinen? Bempedoinsäure bei Intoleranz-Patienten mit geringerem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert - Medscape - 6. Mär 2023.
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