Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 6. März 2023
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 98 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 6. März lag der Wert bei 100.
„Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz der gemeldeten Fälle mit einem labordiagnostischen Nachweis von SARS-CoV-2 ist im Vergleich zur Vorwoche erneut um 14% gestiegen, liegt aber weiterhin auf vergleichsweise niedrigem Niveau“, heißt es im aktuellen RKI-Wochenbericht. Der stärkste Anstieg wurde in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen verzeichnet. „Bei der regionalen Verteilung ist eine Zunahme der Inzidenzwerte in Regionen mit stärkeren Karnevalsaktivitäten zu beobachten“, schreibt das RKI.
Unsere Themen heute:
RKI-Faktenblatt zu echten und zu falschen Impf-Kontraindikationen
Kombinationstest auf virale Atemwegsinfektionen bald auch für Laien
Erhöhtes Hospitalisierungsrisiko bei Zöliakie und COVID-19 – Impfungen schützen
Long-/Post-COVID und Muskelschmerz: Wissenschaftler finden Anomalien im MRT
SARS-CoV-2 könnte auch die Blutgefäße schädigen – Anomalien bei Long-/Post-COVID
Metaanalyse: Impfen scheint vor Long-COVID zu schützen – viele Fragen bleiben offen
Haben Lockdowns die Zahl an Frühgeburten verändert?
RKI-Faktenblatt zu echten und zu falschen Impf-Kontraindikationen
Deutschlandweit sind 63,6 Millionen Menschen (76,4 % der Gesamtbevölkerung) grundimmunisiert. 52,1 Millionen (62,6 %) haben 1 oder mehrere Auffrischungsimpfungen erhalten. Dennoch bleiben 18,4 Millionen Menschen (22,1 % der Bevölkerung) bislang ohne Schutz. Die Gründe sind vielfältig; oft liegt es an Fehlinformationen.
Ein neues Faktenblatt des RKI, etwa für Ärzte zum Ausdrucken für ihre Patienten, soll Abhilfe schaffen. Es informiert generell, nicht nur in Zusammenhang mit COVID-19, über falsche, aber oft genannte Kontraindikationen zu Vakzinen. Grundsätzlich können fast alle Menschen geimpft werden, auch Kinder, Schwangere oder Menschen mit Vorerkrankungen. Bei Immunerkrankungen oder bei Immundefekten bietet das RKI für Ärzte detaillierte Entscheidungshilfen online an.
Echte Kontraindikationen sind schwere akute Erkrankungen und schwere Allergien gegen Inhaltsstoffe der Vakzine. Lebendimpfstoffe eigenen sich nicht für Schwangere beziehungsweise für Personen mit Immunsuppression.
Kombinationstest auf virale Atemwegsinfektionen bald auch für Laien
Wie Medscape im Blog berichtet hat, gibt es für Verbraucher in den USA künftig ohne Verordnung eine Schnelltest auf virale Infekte. Zwar sind auch in Deutschland Schnelltests, die SARS-CoV-2, Influenza A, Influenza B oder RSV erkennen, verfügbar. Bislang dürfen sie jedoch nicht an Laien abgegeben werden, denn Influenza ist meldepflichtig.
Jetzt berichten Medien von neuen Plänen des Bundesgesundheitsministeriums. Vorgesehen ist eine Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung, damit Apotheken solche Vierfachtests an Laien verkaufen dürfen. Das BMG begründet diesen Schritt mit guten Erfahrungen bei COVID-19-Schnelltests.
Erhöhtes Hospitalisierungsrisiko bei Zöliakie und COVID-19 – Impfungen schützen
Je weiter die COVID-19-Pandemie voranschreitet ist, desto mehr Informationen gibt es zu vulnerablen Gruppen. Zuletzt wollten Forscher wissen, ob Zöliakie-Patienten besonders gefährdet sind – und welchen Nutzen Impfungen für diese Gruppe bringen.
Anhand von Patientenakten fanden sie 171.763 Personen, bei denen zwischen dem 1. März 2020 und dem 1. Januar 2022 COVID-19 diagnostiziert und behandelt worden ist. Von ihnen hatten 110 Erwachsene eine per Biopsie bestätigte Zöliakie.
Die Zöliakie-Gruppe wurde nach Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Datum der COVID-19-Diagnose mit einer Kontrollgruppe von 220 Erwachsenen ohne klinische Diagnose einer Zöliakie abgeglichen. Die beiden Kohorten hatten ähnliche Raten von Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Lungenerkrankungen und Tabakkonsum.
Patienten mit Zöliakie wurden mit 24% versus 11% (Hazard Ratio 2,1; p=0,009) signifikant häufiger wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert als Personen der Kontrollgruppe.
Die Impfraten für COVID-19 waren in beiden Gruppen ähnlich: 64,5% bei Patienten mit Zöliakie und 70,0% in der Kontrollgruppe. In der multivariaten Analyse war die Impfung mit einem geringeren Risiko für einen Krankenhausaufenthalt verbunden. (HR 0,53; p=0,026). Es gab keinen signifikanten Unterschied bei Hospitalisierungsraten zwischen geimpften Patienten mit Zöliakie und geimpften Patienten der Kontrollgruppe (Odds Ratio 1,12; p=0,79), berichtet das Team.
„Diese Studie zeigt deutlich unterschiedliche Raten von Krankenhauseinweisungen bei Patienten mit Zöliakie in Abhängigkeit von ihrem Impfstatus mit starken Beweisen für die Verringerung des Hospitalisierungsrisikos durch Impfungen“, so das Fazit der Autoren. „Eine Impfung gegen COVID-19 sollte Patienten mit Zöliakie dringend empfohlen werden.“
Long-/Post-COVID und Muskelschmerz: Wissenschaftler finden Anomalien im MRT
Zu den zahlreichen, heterogenen Symptomen von Long-/Post-COVID zählen Myalgien; mindestens 25% der Betroffenen leiden daran. Aufgrund der Heterogenität der Symptome und des Mangels an Gewebeproben ist nur wenig über die zugrunde liegenden Mechanismen bekannt.
Für eine Fall-Kontroll-Studie haben Forscher deshalb 20 Patienten mit Long-/Post-COVID (15 Frauen, Alter = 48,8 ± 10,1 Jahre, Dauer der Symptome = 13,4 ± 4,2 Monate) eingeschlossen. Hinzu kamen 20 gesunden Kontrollpersonen (15 Frauen, Alter = 48,1 ± 11,1 Jahre). Ergebnisse von quantitativen Muskel-MRTs, standardisierten 6-Minuten-Gehtests und standardisierten Fragebögen wurden zur Beurteilung von Lebensqualität, Fatigue und Depression herangezogen.
Anzeichen von Entzündungen oder Dystrophien in Muskeln traten weder bei Patienten noch bei Kontrollen auf. Jedoch zeigten sich in der Fallgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe mikrostrukturelle Unterschiede in den Beinmuskeln. Diese könnten auf ein Schrumpfen von Muskelgewebe durch Dekonditionierung hinweisen. Denkbar sei, solche Veränderungen durch Rehabilitationsprogramme mit gezieltem Muskelaufbau rückgängig zu machen, schreiben die Autoren.
SARS-CoV-2 könnte auch die Blutgefäße schädigen – Anomalien bei Long-/Post-COVID
Andere Wissenschaftler setzen bei der Erforschung von Long-/Post-COVID auf Gewebeproben. Sie haben jetzt Ergebnisse einer Analyse von Skelettmuskelbiopsien veröffentlicht.
Proben kamen von 11 Patienten, die nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 an anhaltender Müdigkeit und Unwohlsein litten. Im Vergleich zu 2 historischen Kontrollgruppen wiesen Patienten mit Long-/Post-COVID weniger Kapillaren, verdickte Basalmembranen von Kapillaren und eine erhöhte Anzahl von CD169+-Makrophagen auf.
SARS-CoV-2-RNA konnte im Muskelgewebe nicht nachgewiesen werden. Aber die transkriptomische Analyse ergab im Vergleich zu den beiden Kontrollkohorten unterschiedliche Gensignaturen, die auf Fehlsteuerungen des Immunsystems und auf veränderte Stoffwechselwege hinweisen.
„Wir stellen die Hypothese auf, dass die anfängliche Virusinfektion immunvermittelte strukturelle mikrovaskuläre Veränderungen verursacht haben könnte, die möglicherweise Müdigkeit und die Muskelschmerzen erklären“, konstatieren die Autoren im Preprint.
Metaanalyse: Impfen scheint vor Long-COVID zu schützen – viele Fragen bleiben offen
Eine weitere, seit fast 2 Jahren diskutierte Frage ist: Schützen Impfungen vor Long-COVID? Antworten sollte eine Metaanalyse liefern.
Die Forscher sichteten über Publikationsdatenbanken 1.645 Artikel, fanden aber keine randomisierten, kontrollierten Studien. Sie schlossen 16 Beobachtungsstudien aus 5 Ländern (USA, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Niederlande) mit insgesamt 614.392 Probanden ein.
12 Studien lieferten Daten zur Impfung vor einer Infektion mit SARS-CoV-2, und 10 Studien zeigten eine signifikante Verringerung der Inzidenz von Long-COVID.
Als Odds Ratio (OR) für den Schutz vor Long-COVID durch Impfungen geben die Autoren an:
1 Impfstoffdosis: OR 0,22-1,03
2 Dosen: OR 0,25-1,00
3 Dosen: OR ca. 0,16
4 oder mehr Dosen: OR 0,48-1,01.
5 Studien berichteten über die Impfung nach der Infektion (OR für den Schutz 0,38-0,91).
Die große Heterogenität der Daten machte eine aussagekräftige Metaanalyse unmöglich. In vielen Studien wurden potenzielle Störfaktoren wie andere schützende Verhaltensweisen und fehlende Daten nicht bereinigt, was das Risiko einer Verzerrung erhöhte und die Aussagekraft stark verringerte.
Bleibt als Fazit: „Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass COVID-19-Impfstoffe eine schützende und therapeutische Wirkung auf Long-COVID haben könnten“, schreiben die Autoren. „Um die Wirksamkeit … eindeutig zu bestimmen, sind jedoch solidere vergleichende Beobachtungsstudien und Versuche erforderlich.“
Haben Lockdowns die Zahl an Frühgeburten verändert?
Frühgeburten sind weltweit die häufigste Ursache für Kindersterblichkeit. In vielen Ländern wurden nach den ersten Lockdowns Veränderungen bei der Rate an Frühgeburtenraten zwischen -90% und +30% beobachtet. Unklar blieb, ob diese Schwankungen tatsächliche Auswirkungen der Pandemiebekämpfung sind.
Neue Erkenntnisse liefern Zeitreihen und Metaanalysen unter Verwendung harmonisierter Daten von 52 Millionen Geburten aus 26 Ländern.
Die Studie zeigt, dass die Rate an Frühgeburten im 1. (OR 0,96, 95%-Konfidenzintervall 0,95-0,98, p<0,0001), im 2. (OR 0,96, 95%-KI 0,92-0,99, p=0,03) und im 3. Monat der Einschränkungen (OR 0,97, 95%-KI 0,94-1,00, p=0,09) geringfügig zurückgingen, nicht aber im 4. Monat (OR 0,99, 95%-KI 0,96-1,01, p=0,34).
In Ländern mit hohem Einkommen fanden die Autoren keine Assoziation zwischen Lockdowns und Totgeburten im 2. (OR 1,00, 95%-KI 0,88-1,14, p=0,98), 3. (OR 0,99, 95%-KI 0,88-1,12, p=0,89) und 4. Monat (OR 1,01, 95%-KI 0,87-1,18, p=0,86). Allerdings ergaben sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Lockdowns und Totgeburt im 2. (OR 1,09, 95%-KI 1,03-1,15, p=0,002), 3. (OR 1,10, 95%-KI 1,03-1,17, 0,003) und 4. Monat (OR 1,12, 95%-KI 1,05-1,19, p<0,001) der Corona-Restriktionen.
„Angesichts von schätzungsweise 14,8 Millionen Frühgeburten pro Jahr weltweit bedeuten selbst geringfügigen Rückgänge, die während früher Lockdowns beobachtet wurden, eine große Anzahl von Frühgeburten, die weltweit verhindert werden konnten“, so die Autoren. Anhaltspunkte für mögliche Ursachen liefert ihre Arbeit nicht.
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Credits:
Photographer: © Karenr
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Apotheken-Test auf 4 Viren?; was passiert bei Long-COVID im Körper? RKI zu Impf-Kontraindikationen - Medscape - 6. Mär 2023.
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