Zuckerreduktion in Softdrinks: Freiwillig änderten Hersteller fast nichts – nationale Strategie gescheitert?

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

2. März 2023

Limo, Cola, Brause – Softdrinks gelten als Treiber für Übergewicht und Diabetes. Dennoch kommt die Zuckerreduktion bei Softdrinks nicht voran: Zwischen 2015 und 2021 ist der Zuckergehalt um gerade mal 2% gesunken. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der LMU München und der Technischen Universität München (TUM), die jetzt in Annals of Nutrition and Metabolism erschienen ist [1].

In der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15% zu senken. Die Studienergebnisse zeigen aber, dass die Industrie bislang deutlich hinter diesem Ziel zurückbleibt. Rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um 9% erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein.

 
Die freiwillige Verpflichtung der Hersteller wird ziemlich sicher nicht ausreichen. PD Dr. Burkhard Rodeck
 

„Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15% weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, resümiert Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) in einer Stellungnahme der DANK. „So viel Zeit haben wir nicht“, betont Huizinga. Und auch PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die die Studie mitfinanziert hatte, sagt: „Die freiwillige Verpflichtung der Hersteller wird ziemlich sicher nicht ausreichen.“

Hersteller-Abgabe auf Zucker in UK zeigt: Es geht auch anders

Der Studie zufolge lag der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 g je 100 ml und im Jahr 2021 bei 5,2 g je 100 ml. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 g je 100 ml auf 3,8 g je 100 ml gesunken. Für die aktuelle Studie hatten die Autoren Daten des Marktforschungsinstituts Euromonitor International ausgewertet, das als führend in der Marktforschung für Verbrauchermärkte gilt.

„Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30% gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten“, erklärt Dr. Peter von Philipsborn, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU.

 
Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. Dr. Peter von Philipsborn
 

„Großbritannien hat 2018 eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks eingeführt, um die Hersteller zu einer Zuckerreduktion zu bewegen. Dieser Ansatz hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen“, sagt Philipsborn. Die 2018 von der damaligen Ernährungsministerin Julia Klöckner eingeführte Nationale Reduktionsstrategie setzt ausschließlich auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung.

Im Juni 2021 bekräftigten die DGKJ, der Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte und die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin angesichts der stark steigenden Gesundheitsprobleme von Kindern u.a. ihre Forderung nach einer Zuckersteuer. Damals habe man einen Zeithorizont von 1 bis 2 Jahren vor Augen gehabt, erinnert Rodeck. Falls in dieser Zeit durch freiwillige Reduktionsstrategien keine ausreichende Verbesserung erreicht würden, müssten ordnungspolitische Maßnahmen wie z.B. ein erhöhter Mehrwertsteuersatz auf stark zuckerhaltige Getränke erfolgen.

Softdrinks wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes

„Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes“, erinnert Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Appelle an die Industrie reichen nicht aus. Die Regierung muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen, damit der Zuckergehalt in Softdrinks deutlich zurückgeht“, fordert Bitzer.

 
Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes. Barbara Bitzer
 

Unverbindliche Appelle der Politik an die Hersteller hätten keinen relevanten Effekt, stellt auch der Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD) klar. Es sei daher höchste Zeit für verbindliche Präventionsmaßnahmen, um eine gesunde Ernährung zu begünstigen und volkswirtschaftliche Kosten zu senken. 

„Wenn wir uns weiter auf Appelle beschränken, die dann wirkungslos verpuffen, werden wir zu viele Jahre brauchen, bis wir die angedachten Werte des Bundesministeriums erreichen können – oder sie vielleicht nie erreichen“, sagt Dr. Gottlobe Fabisch, Geschäftsführerin des VDBD. „Unser aller Gesundheit muss jedoch Vorrang vor den Gewinnbestrebungen der Hersteller haben. Die Politik muss dafür endlich wirkungsvolle Maßnahmen für die Zuckerreduktion in Softdrinks auf den Weg bringen.“

 
Unser aller Gesundheit muss (…) Vorrang vor den Gewinnbestrebungen der Hersteller haben. Dr. Gottlobe Fabisch
 

Dr. Nicola Haller, Vorsitzende des VDBD, fordert die Politik dazu auf, für die alternativen Inhaltsstoffe von Softdrinks sinnvolle Vorgaben zu machen. „Hersteller sollten Zucker in Softdrinks nicht einfach durch Süßstoffe ersetzen dürfen, die trainieren weiterhin den Süßgeschmack“, so Haller. Erste Studien legten einen Effekt von Süßstoffen auf den Stoffwechsel nahe, der im schlimmsten Fall auch zu einer Insulinresistenz führen könne.

Zuckersteuer? BMEL wartet auf Übersichtsstudie von Cochrane

Studienautor Huizinga sagt, Bundesernährungsminister Cem Özdemir sei gut beraten, die Strategie seiner Vorgängerin nicht fortzuführen. Die Nationale Reduktionsstrategie aber steht – derzeit jedenfalls – nicht infrage. Das BMEL werde „alle wissenschaftlich fundierten Untersuchungen zur Entwicklung der Zuckergehalte von Erfrischungsgetränken in Deutschland sehr genau prüfen und die erforderlichen Schlussfolgerungen ziehen.

Klar ist: „Aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz bezüglich der gesundheitlichen Auswirkungen der Zuckerzufuhr über zuckergesüßte Getränke kommt dieser Produktgruppe eine besondere Bedeutung im Rahmen der NRI zu“, erklärt eine Sprecherin des BMEL auf Nachfrage von Medscape. Das BMEL stuft die wissenschaftliche Evidenz, die zeigt, dass durch die Einführung einer Zuckersteuer die Zucker- und Gesamtenergieaufnahme der Verbraucher verringert wird, als „bislang noch nicht ausreichend“ ein.

 
Wir erwarten fundierte Informationen über die Effekte einer Zuckersteuer durch die Veröffentlichung einer umfassenden Übersichtsstudie (…). Sprecherin BMEL
 

„Wir erwarten fundierte Informationen über die Effekte einer Zuckersteuer durch die Veröffentlichung einer umfassenden Übersichtsstudie in der Cochrane Database of Systematic Reviews im Laufe dieses Jahres. Diese wissenschaftliche Grundlage werden wir in unsere Positionierung einbeziehen“, so die Sprecherin des BMEL. Allerdings lägen fiskalische Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministeriums.

Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Medizinische Fachgesellschaften, die WHO, Verbraucherschützer und auch Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland.

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