Von wegen rezidivierende Polychondritis oder rheumatoide Arthritis: Es könnte sich auch um das VEXAS-Syndrom handeln

Randy Dotinga

Interessenkonflikte

17. März 2023

Das kürzlich entdeckte autoinflammatorische Krankheitsbild „VEXAS-Syndrom“ ist häufiger, variabler und gefährlicher als bisher angenommen. Das ist das Ergebnis einer retrospektiven Beobachtungsstudie zu Daten einer großen Gesundheitsdatenbank. Die in JAMA veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass 1 von 4.269 Männern über 50 Jahren in einer überwiegend weißen Bevölkerung betroffen ist und dass damit eine Vielzahl von Symptomen verbunden ist [1]

„Die Krankheit ist ziemlich schwerwiegend“, sagte der Hauptautor der Studie Dr. David Beck von der NYU Langone Health in einem Interview. Betroffenen hätten „eine Vielzahl von klinischen Symptomen, die verschiedene Teile des Körpers betreffen und von unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen behandelt werden“.

Wie äußert sich das VEXAS-Syndrom?

Beck und sein Team beschrieben das VEXAS-Syndrom erstmals im Jahr 2020 und brachten es mit Mutationen im UBA1-Gen (Ubiquitin-like modifier activating enzyme 1) in Zusammenhang. Das Enzym E1 leitet einen Prozess ein, der fehlgefaltete Proteine als Abbauziele identifiziert. 

Das Akronym VEXAS steht für:

  • Vakuolen

  • E1-Enzym

  • X-chromosomal

  • autoinflammatorisch

  • somatisch.

„Das Syndrom zeichnet sich vor allem durch eine Anämie und Entzündungen in Haut, Lunge, Knorpel und Gelenken aus“, so Beck. „Diese Symptome werden häufig mit anderen rheumatischen oder hämatologischen Erkrankungen verwechselt. Das Syndrom hat jedoch eine andere Ursache, wird anders behandelt, erfordert eine zusätzliche Überwachung und kann weitaus schwerwiegender sein.“ 

 
Das Syndrom zeichnet sich vor allem durch eine Anämie und Entzündungen in Haut, Lunge, Knorpel und Gelenken aus. Dr. David Beck
 

In der kurzen Zeit seit ihrer Erstbeschreibung sei die Erkrankung bei Hunderten Menschen diagnostiziert worden, so Beck weiter. Er gehe auch von gelegentlichen tödlichen Verläufen aus. In einem früheren Bericht hatten Wissenschaftler festgestellt, dass die mediane Überlebenszeit bei Personen mit einer bestimmten Variante 9 Jahre betrug. Das war deutlich weniger als bei Patienten mit 2 andere Varianten. 

 
Diese Symptome werden häufig mit anderen rheumatischen oder hämatologischen Erkrankungen verwechselt. Dr. David Beck
 

Neue Daten zum VEXAS-Syndrom

Für die neue Studie suchten die Forschenden nach UBA1-Varianten in den genetischen Daten von 163.096 Personen (Durchschnittsalter 52,8 Jahre; 94% ethnisch Weiße, 61% Frauen) der Geisinger MyCode Community Health Initiative, einem Programm, das elektronische Patientenakten und Biobanking-Ansätze verknüpft. Daten aus den Jahren 1996 bis 2022 stammen von Personen aus 10 Krankenhäusern in Pennsylvania.

11 Personen (9 Männer, 2 Frauen) wiesen wahrscheinliche UBA1-Varianten auf. Bei allen lag eine Anämie vor. Betroffen waren 1 von 13.591 nicht verwandten Personen (95%-Konfidenzintervall 1:7.775-1:23.758), 1 von 4.269 Männern über 50 Jahren (95%-KI 1:2.319-1:7.859) und 1 von 26.238 Frauen über 50 Jahren (95% KI 1:7.196-1:147.669).

Weitere häufige Befunde waren eine Makrozytose (91%), Hautprobleme (73%) und Lungenerkrankungen (91%). 10 der Patienten (91%) benötigten eine Transfusion.

5 der 11 Patienten erfüllten die zuvor definierten Kriterien für das VEXAS-Syndrom nicht. Bei keinem von ihnen war die Krankheit diagnostiziert worden. Das war natürlich nicht überraschend, da sie ja erst seit Kurzem als Krankheitsentität ausgemacht und beschrieben wurde.

Das VEXAS-Syndrom in der Praxis erkennen

Zukünftig müssten also „Ärzte auf Personen mit unklarem Entzündungsgeschehen und einer Kombination aus hämatologischen, rheumatologischen, pulmonalen und dermatologischen Beschwerden und Symptomen achten, die entweder keine klinische Diagnose haben oder nicht auf die Erstlinientherapien ansprechen“, so Beck. „Die Betroffenen sind häufig auch anämisch, weisen niedrige Thrombozytenwerte und erhöhte Entzündungsmarker im Blut auf und benötigen eine Kortikoidmedikation.“ 

 
Ärzte müssen auf Personen mit unklarem Entzündungsgeschehen und einer Kombination aus hämatologischen, rheumatologischen, pulmonalen und dermatologischen Beschwerden und Symptomen achten. Dr. David Beck
 

Die Verdachtsdiagnose kann durch einen Gentest bestätigt werden, aber das Studienteam weist darauf hin, dass „diese Tests nicht routinemäßig etwa bei der Standarduntersuchung auf myeloproliferative Erkrankungen oder bei der Genpaneldiagnostik für Immunregulationsstörungen angeboten werden“.

Die Krankheit sei laut Beck „teilweise durch verschiedene Antizytokin-Therapien oder durch Biologika zu kontrollieren“. Der Experte betont: „In den meisten Fällen benötigen die Betroffenen jedoch zusätzlich Steroide und/oder krankheitsmodifizierende Antirheumatika [DMARD]. Darüber hinaus hat sich die Knochenmarktransplantation als hochwirksame Behandlung erwiesen.“

Für die Autoren sind weitere Forschungsanstrengungen erforderlich, um die Prävalenz der Krankheit in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser zu verstehen.

Höhere Prävalenz als angenommen

Dr. Matthew J. Koster, Rheumatologe an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, der sich mit der Krankheit befasst hat, aber an dieser Studie nicht beteiligt war, erklärte in einem Interview, dass diese Ergebnisse stichhaltig und „äußerst wertvoll“ seien.

„Diese Studienresultate unterstreichen, was man sich in vielen universitären und hochspezialisierten Kliniken fragt: Ist VEXAS wirklich stärker verbreitet, als wir denken, und gibt es Betroffene, die nicht entdeckt wurden? Die Antwort muss demnach ja lauten“, sagte er. 

„Aktuell sind in der Literatur keine 400 VEXAS-Fälle beschrieben, aber in großen Zentren wird diese Erkrankung mit einer gewissen Regelmäßigkeit diagnostiziert“, so der Experte. „An der Mayo Clinic in Rochester etwa diagnostizieren wir durchschnittlich alle 1 bis 2 Wochen einen neuen VEXAS-Fall, in den zurückliegenden anderthalb Jahren waren es 60 Fälle. Eine nationale Arbeitsgruppe in Frankreich hat im gleichen Zeitraum etwa 250 diagnostizierte Fälle landesweit erfasst.“

Die Prävalenz sei so hoch, dass „die Ärzteschaft in Betracht ziehen sollte, dass manche Patienten, die nicht auf die Behandlung ihrer Erkrankung ansprechen, tatsächlich ein VEXAS-Syndrom haben und nicht etwa eine refraktäre, rezidivierende Polychondritis oder eine hartnäckige rheumatoide Arthritis“. 

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

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Kommentar

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