Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 27. Februar 2023
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 117 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 26. Februar lag der Wert bei 119.
Besonders auffällig sind hohe 7-Tage-Inzidenzen in den Karnevalshochburgen Fulda (747), Rhein-Erft-Kreis (315), Düren (302), Köln (300) und in vielen mehr, Stand 26. Februar. Seit Beginn der Pandemie gab es erstmals wieder Faschingsveranstaltungen ohne Einschränkungen.
Unsere Themen heute:
STIKO: Neue Empfehlungen zur COVID-19-Prophylaxe
Nach EMA-Entscheidung: Kein Molnupiravir über Apotheken
Ursprung von SARS-CoV-2: Die WHO ist frustriert – die USA tippt auf einen Laborunfall
Lernen währen der Pandemie: Weltweit erhebliche Defizite
SARS-CoV-2 kann Reservoirs in verschiedenen Organen bilden
Kohortenstudie: COVID-19-Mortalität deutlich höher als Influenza-Mortalität
COVID-19-Impfung mit weniger schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen assoziiert
Ivermectin – auch nutzlos in höherer Dosis und bei längerer Therapiedauer
STIKO: Neue Empfehlungen zur COVID-19-Prophylaxe
Im Epidemiologischen Bulletin hat die Ständige Impfkommission Neuerungen zur COVID-19-Prophylaxe veröffentlicht und wissenschaftlich begründet. Was sich ändert:
Bereits am 10. November 2022 hatte die EMA VidPrevtyn® Beta (Sanofi Pasteur) zugelassen. Das proteinbasierte Vakzin soll bei Auffrischimpfungen von Personen ab 18 Jahren eingesetzt werden. Nach Bewertung der Daten aus Zulassungsstudien hat die STIKO entschieden, VidPrevtyn® Beta derzeit nicht zu empfehlen. Ärzte dürfen das Vakzin aber dennoch verimpfen; es hat eine EMA-Zulassung.
Aufgrund der verringerten oder teilweise ganz ausbleibenden Neutralisationskapazität von Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®) gegen derzeit zirkulierende Varianten empfiehlt die STIKO eine SARS-CoV-2-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) damit nur noch in begründeten Einzelfällen bei Hochrisikopersonen. Die Wirksamkeit sei als „gering“ einzuschätzen. In Einzelfällen könne dies als additive Präventionsmaßnahme sinnvoll sein.
Der Omikron-adaptierte bivalente mRNA-Impfstoff Spikevax® bivalent Original/Omicron BA.1 sollte in der Altersgruppe zwischen 5 und 11 Jahren nur Kindern mit Vorerkrankungen verabreicht werden. Bei Auffrischimpfungen von im Alter von unter 30 Jahren sei generell das angepasste Vakzin zu präferieren.
Nach EMA-Entscheidung: Kein Molnupiravir über Apotheken
Letzten Freitag hat sich, wie Medscape berichtet, die Europäische Arzneimittelagentur gegen eine reguläre Zulassung von Lagevrio® (Molnupiravir) ausgesprochen. Damit erlischt die gesetzliche Grundlage, um das Medikament in Verkehr zu bringen.
„Die weitere Abgabe des Arzneimittels Lagevrio wird daher eingestellt“, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Bereits an den pharmazeutischen Großhandel und Apotheken ausgelieferte Ware darf nicht weiter abgegeben werden.“
Ursprung von SARS-CoV-2: Die WHO ist frustriert – die USA tippt auf einen Laborunfall
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die 2. Phase ihrer mit Spannung erwarteten wissenschaftlichen Untersuchung zu Ursprüngen der COVID-19-Pandemie verschoben, wie Nature berichtet. Experten seien enttäuscht, heißt es im Artikel. Ohne Zugang zu China könne die WHO wenig tun, um die Studien voranzubringen, sagt Angela Rasmussen, Virologin an der University of Saskatchewan in Saskatoon, Kanada. „Ihnen sind wirklich die Hände gebunden.“
Kürzlich haben Wissenschaftler 3 Studien veröffentlicht, die Hinweise zu Pandemie-Auslösern bestätigen. 2 der Reports führen den Ausbruch auf einen Markt in Wuhan zurück, auf dem unter anderem lebende Tiere verkauft wurden. In der 3. Studie heißt es, ein Coronavirus sei von Tieren übergesprungen, möglicherweise ebenfalls auf dem Markt.
In den USA stoßen wissenschaftliche Thesen dieser Art eher auf Skepsis. Medienberichten zufolge soll das US-Energieministerium seine Einschätzung dazu geändert haben und einen Laborunfall für die wahrscheinlichste Ursache halten. Alle Informationen sind geheim; Gründe für die Vermutung wurden nicht genannt.
Lernen währen der Pandemie: Weltweit erhebliche Defizite
Inwieweit hat sich der Lernfortschritt von Kindern im Schulalter während der COVID-19-Pandemie verlangsamt? Eine wachsende Zahl an Studien befasst sich mit dieser Frage, aber die Ergebnisse variieren je nach Kontext. Neue Einblicke kommen von einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse von 42 Studien aus 15 Ländern.
Die Effektgröße der 42 Studien (Cohen´s d) variierte zwischen -0,65 und 0,07. Der (gewichtete) Mittelwert lag bei -0,14 Standardabweichungen und hatte ein 95%-Konfidenzintervall von -0,17 bis -0,10. Dieser Verlust entspreche etwa 35% des Pensums eines Schuljahres, rechnen die Autoren vor.
Lerndefizite traten früh in der Pandemie auf und blieben über die Zeit bestehen. Sie waren besonders groß bei Kindern aus niedrigen sozioökonomischen Verhältnissen. Sie sind auch in Mathematik größer als im Lesen und in Ländern mit mittlerem Einkommen ausgeprägter als in Ländern mit hohem Einkommen. Fragen zur Wirksamkeit von Interventionen beantworten die Autoren im Rahmen ihrer Arbeit nicht.
SARS-CoV-2 kann Reservoirs in verschiedenen Organen bilden
Schon relativ früh im Laufe der Corona-Pandemie wurde klar, dass SARS-CoV-2 nicht nur die Lunge infiziert, sondern auch andere Organsysteme in Mitleidenschaft zieht. Forscher haben deshalb die Persistenz von Coronaviren in verschiedenen Geweben untersucht, wie Coliquio.de berichtet.
Sie analysierten mit hochauflösenden SARS-CoV-2-Sequenzierungen und -Genanalysen die Viruslast in 120 verschiedenen Gewebeproben von 6 an Lungen- oder Multiorganversagen verstorbenen Patienten mit Covid-19 (50-68 Jahre alt, 2 Frauen, 4 Männer).
Virale RNA ließ sich bei allen Probanden in verschiedenen extrapulmonalen Geweben nachweisen, wobei das Ausmaß des Organbefalls individuell sehr unterschiedlich war. Die Viruslast in der Lunge war bei allen Infizierten am höchsten.
Mit einer Ausnahme hatten alle Verstorbenen auch virusfreie Organe. Eine längere Krankheitsdauer von den ersten Symptomen bis zum Tod war insgesamt mit einer geringeren Viruslast assoziiert.
Insbesondere Virenreservoirs im Hoden halten die Forschenden für bedenklich, da es sich um ein immunprivilegiertes Organ handelt und die Viren hier möglicherweise dem Immunsystem entgehen. Somit könnten hier ähnlich wie bei Infizierten mit Immunsuppression neue, möglicherweise gefährlichere Varianten entstehen. Auch eine Reaktivierung der Erkrankung ist bei Viruspersistenz in verschiedenen Kompartimenten denkbar.
Kohortenstudie: COVID-19-Mortalität deutlich höher als Influenza-Mortalität
Im Vergleich zu früheren SARS-CoV-2-Varianten kommt es bei Infektionen mit der Omikron-Variante zu weniger schweren Verläufen und Todesfällen. Dennoch bleibt COVID-19 gefährlicher im Vergleich zur Grippe, wie Forschende aus der Schweiz berichten.
Ihre Kohortenstudie basiert auf einem nationalen COVID-19- und Influenzaregister. Eingeschlossen wurden hospitalisierte Patienten ab 18 Jahren mit Omikron-Infektion und mit stationärer Aufnahme zwischen dem 15. Januar und dem 15. März 2022. Weitere Daten kamen von hospitalisierten Patienten mit einer Influenza-A- oder -B-Infektion zwischen 1. Januar 2018 und 15. März 2022.
Von 5.212 Patienten aus 15 Krankenhäusern hatten 3.066 (58,8%) eine Infektion mit Omikron und weitere 2.146 Patienten (41,2%) eine Influenza-A oder Influenza-B-Infektion. Patienten mit Omikron-Infektion waren jünger (mittleres Alter 71 Jahre) als Patienten mit Influenza (mittleres Alter 74 Jahre).
Insgesamt starben 214 Patienten mit Omikron-Infektion (7,0%) während des Krankenhausaufenthalts gegenüber 95 Patienten mit Influenza (4,4%; p < 0,001). Die bereinigte Hazard Ratio für den Tod im Krankenhaus für Omikron im Vergleich zu Influenza betrug 1,54 (95%-KI: 1,18-2,01; p = 0,002).
Insgesamt wurden 250 Patienten mit der SARS-CoV-2-Omikron-Variante (8,6%) gegenüber 169 Patienten mit Influenza (8,3%) auf der Intensivstation behandelt (p = 0,79). Nach Adjustierung war Omikron nicht signifikant mit einer vermehrten Aufnahme auf der Intensivstation im Vergleich zur Influenza assoziiert (bereinigte HR: 1,08; 95%-KI: 0,88-1,32; p = 0,50).
„Daten dieser prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie deuten auf ein signifikant erhöhtes Risiko der Krankenhausmortalität bei Patienten mit der SARS-CoV-2 Omikron-Variante im Vergleich zu Patienten mit Influenza hin, während die Raten für die Aufnahme auf Intensivstation ähnlich waren“, so das Fazit der Autoren.
COVID-19-Impfung mit weniger schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen assoziiert
Einer neuen Studie zufolge geht die Impfung gegen COVID-19 bei Menschen, die zuvor mit SARS-CoV-2 infiziert waren, mit weniger schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE) einher. Darüber hat Medscape.com berichtet.
Patienten, die vollständig geimpft waren, hatten ein um 41% geringeres Risiko, ein kardiales Ereignis zu erleiden, als Patienten, die nicht geimpft waren. Teilweise geimpfte Personen hatten ein um 24% geringeres Risiko.
Die Forscher analysierten Daten der National COVID Cohort Collaborative (N3C). Sie umfasst Patienten im Alter von 18 bis 90 Jahren, die zwischen 1. März 2020 und dem 1. Februar 2022 erstmals mit SARS-CoV-2 infiziert wurden. Die Nachbeobachtungszeit betrug 180 Tage, beginnend mit dem 1. Tag nach der Erstinfektion.
Patienten wurden als vollständig geimpft eingestuft, wenn sie 14 oder mehr Tage vor der Infektion 2 oder mehr mRNA-Dosen oder eine Dosis von Johnson und Johnson erhalten hatten. Als Teilimpfung galt eine mRNA-Dosis oder eine 2. mRNA-Dosis oder eine einzige Johnson-und-Johnson-Dosis innerhalb von 14 Tagen vor der Infektion.
Unter den mehr als 1,9 Millionen Patienten lag das Durchschnittsalter bei 45 Jahren, und 55,9 % waren Frauen. Insgesamt waren 195.136 Patienten (10,1%) vollständig geimpft und 22.707 Patienten (1,2%) teilweise geimpft. Die übrigen 1,7 Millionen Menschen (88,7%) waren nicht geimpft.
Schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) wurden bei 13.948 Patienten (0,7%) beobachtet, darunter 12.733 Fälle bei nicht geimpften Patienten (0,7%), 160 bei teilweise geimpften Patienten (0,7%) und 1055 bei vollständig geimpften Patienten (0,5%).
Das Risiko für MACE stieg nach der Infektion bei Männern, bei Personen im Alter von 66 Jahren oder älter und bei Personen mit Komorbiditäten, insbesondere früheren MACE, deutlich an.
Eine vollständige Impfung war mit einem um 41% geringeren Risiko für das Auftreten von MACE in den sechs Monaten nach der Infektion verbunden als keine Impfung (bereinigte Hazard Ratio 0,59; 95-% Konfidenzintervall 0,55-0,63). Eine Teilimpfung war mit einem um 24% geringeren Risiko für MACE verbunden als keine Impfung (bereinigte HR 0,76; 95%-KI 0,65-0,89).
Ivermectin – auch nutzlos in höherer Dosis und bei längerer Therapiedauer
Zu Beginn der Pandemie galt das Anthelminthikum Ivermectin als großer Hoffnungsträger gegen COVID-19 – aus mehreren Gründen: Laborexperimente gaben Anhaltspunkte auf einen Effekt. Hinzu kam die Vermutung, niedrige offiziell erfasste Mortalitätsraten in Afrika könnten mit der lokal starken Verbreitung von Ivermectin in Verbindung stehen. Doch zahlreiche Studien lieferten keinerlei Anhaltspunkte für eine Nutzen.
Das war für Forscher Grund genug, unter veränderten Rahmenbedingungen die nächste Kohortenstudie zu lancieren. Ihr Ziel war die Untersuchung der Wirksamkeit von Ivermectin in einer maximalen Zieldosis von 600 μg/kg täglich über 6 Tage im Vergleich zu Placebo bei der Behandlung von früher leichter bis mittelschwerer COVID-19. Das bedeutet, Ivermectin kam in deutlich höherer Dosierung und deutlich länger als bei früheren Studien zum Einsatz.
Insgesamt 1.206 Teilnehmer im Alter von über 30 Jahren mit bestätigter COVID-19-Infektion und mit mindestens 2 Symptomen wurden vom 16. Februar 2022 bis zum 22. Juli 2022 eingeschlossen und bis zum 10. November 2022 nachbeobachtet. Die Forscher haben sie randomisiert einer Ivermectin-Gruppe mit einer maximalen Zieldosis von 600 μg/kg (n = 602) täglich oder einer Placebo-Gruppe (n = 604) zugeordnet.
Das Durchschnittsalter lag bei 48 Jahre, und 713 (59,1%) waren Frauen. 1.008 Teilnehmer (83,5%) gaben an, mindestens 2 Impfdosen gegen SARS-CoV-2 erhalten zu haben. Bis zur Genesung vergingen 11 (Tage in der Ivermectin-Gruppe und 11 Tage in der Placebo-Gruppe. Die Hazard Ratio für die Verbesserung der Zeit bis zur Genesung betrug 1,02 (95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 0,92-1,13; p = 0,68).
Von allen Patienten, die Ivermectin erhielten, wurden 34 (5,7%) ins Krankenhaus eingeliefert, starben oder suchten die Notaufnahme auf, verglichen mit 36 (6,0%), die Placebo erhielten (Hazard Ratio: 1,0; 95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 0,6-1,5, p = 0,53). In der Ivermectin-Gruppe starb 1 Teilnehmer, und 4 Patienten wurden ins Krankenhaus eingeliefert (0,8%). in der Placebo-Gruppe wurden 2 Teilnehmer (0,3%) ins Krankenhaus eingeliefert; es gab keine Todesfälle. Unerwünschte Ereignisse traten in beiden Gruppen nur selten auf.
Bleibt als Fazit: „Bei ambulanten Patienten mit leichter bis mittelschwerer COVID-19 führte die Behandlung mit Ivermectin bei einer maximalen Zieldosis von 600 μg/kg täglich über 6 Tage im Vergleich zu Placebo nicht zu einer Verbesserung der Zeit bis zur nachhaltigen Genesung“, kommentieren die Forscher. „Unsere Ergebnisse sprechen nicht für den Einsatz von Ivermectin bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer COVID-19.“
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Transversospinales
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: STIKO: Neue Empfehlungen zu Impfungen; doch ein Laborunfall?; Aus für Molnupiravir; Virusreservoirs in Hoden und anderen Organen - Medscape - 27. Feb 2023.
Kommentar