EMA: Grünes Licht für neue Therapien bei Prostatakrebs, Leukämien und mehr – aber Stopp von Molnupiravir bei COVID-19

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

24. Februar 2023

Neues vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA): Die Experten geben grünes Licht für die Zulassung von 8 neuen Medikamenten in der EU [1]. Darunter sind 4 Orphan Drugs. Lagevrio® (Molnupiravir) wiederum soll nach einer eingehenden Bewertung nicht regulär als COVID-19-Therapeutikum zugelassen werden. Alle Empfehlungen im Überblick.

Akeega® beim Prostatakarzinom

Ein positives Gutachten erhielt Akeega® zur Behandlung erwachsener Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs mit BRCA 1/BRCA 2-Mutationen. Das Präparat enthält 50 mg Niraparib / 500 mg Abirateronacetat oder 100 mg Niraparib / 500 mg Abirateronacetat.

Niraparib hemmt die Enzyme PARP-1 und PARP-2, welche bei der DNA-Reparatur eine Rolle spielen. Dies führt zur vermehrten Bildung von PARP-DNA-Komplexen, zu DNA-Schäden und zum Absterben von Tumorzellen. Abirateronacetat wird in Abirateron umgewandelt, das die 17α-Hydroxylase/C17,20-Lyase (CYP17) hemmt, ein für die Androgensynthese erforderliches Enzym. Die Produktion von Androgenen in den Hoden, den Nebennieren und der Prostata wird gebremst.

Akeega® verzögert das Fortschreiten der Krankheit im Vergleich zu Abirateronacetat allein, wie in einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie der Phase 3 gezeigt wurde.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Anämie, Bluthochdruck, Verstopfung, Müdigkeit, Übelkeit, Thrombozytopenie, Dyspnoe, Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit, Neutropenie, Arthralgie, Erbrechen, Hypokaliämie, Schwindel, Schlaflosigkeit, Hyperglykämie und Harnwegsinfektion.

Elfabrio® bei Morbus Fabry

Der CHMP gab ein positives Gutachten für Elfabrio® zur Behandlung von Morbus Fabry ab. Der Wirkstoff Pegunigalsidase alfa, eine rekombinante humane α-Galaktosidase-A, wirkt als exogene Quelle für α-Galaktosidase-A.

Der Nutzen von Elfabrio® liegt in seiner Fähigkeit, Folgen der Krankheit zu verringern, sprich bei Erwachsenen die Verschlechterung der Nierenfunktion hinauszuzögern.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind infusionsbedingte Reaktionen, Überempfindlichkeit und Asthenie.

Hyftor® bei Angiofibromen

Der CHMP plädiert auch für die Zulassung von Hyftor® zur Behandlung von Angiofibromen. Das Arzneimittel enthält Sirolimus, ein Immunsuppressivum. Es bindet an das Immunophilin FKBP-12 und bildet einen immunsuppressiven Komplex. Dieser Komplex wiederum dockt bei der Serin/Threonin-Proteinkinase mTOR an, die den zellulären Stoffwechsel, das Wachstum und die Proliferation reguliert, und hemmt deren Aktivierung.

Der Nutzen von Hyftor® besteht in einer klinisch relevanten Verbesserung der Größe, Ausdehnung und Rötung von Angiofibromen im Vergleich zu Placebo, wie in einer randomisierten, doppelblinden Phase-3-Studie bei Patienten mit tuberöser Sklerose und Angiofibromen im Gesicht beobachtet wurde.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hautreizungen, einschließlich Reizungen an der Applikationsstelle, trockene Haut, Akne und Pruritus.

Hyftor® ist ein Hybridpräparat von Rapamune®, das dem 13. März 2001 in der EU zugelassen ist. Es enthält denselben Wirkstoff wie Rapamune®, ist aber als Gel zur lokalen Anwendung erhältlich.

Opzelura® bei Vitiligo

Auch zu Opzelura® hat der CHMP ein positives Gutachten veröffentlicht. Das Präparat soll zur Behandlung der nichtsegmentalen Vitiligo verordnet werden.

Der Wirkstoff von Opzelura® ist Ruxolitinib, ein Janus-Kinase (JAK)-Inhibitor mit Selektivität für die Isoformen JAK1 und JAK2. JAKs sind intrazelluläre Enzyme, die Signale weiterleiten.

Opzelura® verbessert den Hautzustand bei nichtsegmentaler Vitiligo, gemessen an der Verbesserung der Depigmentierung im Gesicht und am gesamten Körper gegenüber dem Ausgangswert auf dem Vitiligo Area Scoring Index (F-VASI75 und T-VASI50) im Vergleich zur Gruppe ohne Wirkstoff, wie in 2 zulassungsrelevanten randomisierten, doppelblinden, Vehikel-kontrollierten Phase-3-Studien nachgewiesen wurde.

Die häufigste Nebenwirkung ist Akne an der Applikationsstelle.

Tibsovo® bei akuter myeloischer Leukämie

Grünes Licht gab der Ausschuss für Humanarzneimittel auch Tibsovo® zur Behandlung erwachsener Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie (AML) und zur Behandlung erwachsener Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom.

Der Wirkstoff von Tibsovo® ist Ivosidenib. Es hemmt das mutierte Enzym IDH1, das alpha-Ketoglutarat (α-KG) in 2-Hydroxyglutarat (2-HG) umwandelt. Dadurch wird die zelluläre Differenzierung blockiert und die Tumorentstehung sowohl bei hämatologischen als auch bei nicht-hämatologischen bösartigen Erkrankungen gefördert. Weitere Details zum Mechanismus sind unbekannt.

Der Nutzen von Tibsovo® in Kombination mit Azacitidin besteht in einer Verbesserung des ereignisfreien Überlebens im Vergleich zu Placebo in Kombination mit Azacitidin, wie in einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, klinischen Studie der Phase 3 beobachtet wurde.

Die häufigsten Nebenwirkungen der Kombinationsbehandlung sind Erbrechen, Neutropenie, Thrombozytopenie, QT-Verlängerung im EKG und Schlaflosigkeit.

Der Nutzen der Monotherapie bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom besteht in einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens im Vergleich zu Placebo, wie in einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, klinischen Studie der Phase 3 beobachtet wurde.

Als häufigste Nebenwirkungen nennt die EMA Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall, Appetitlosigkeit, Aszites, Erbrechen, Anämie und Hautausschlag.

Vafseo® bei Anämie

Der Ausschuss befürwortet zudem, Vafseo® als Therapie der symptomatischen Anämie bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung und dauerhafter Dialysepflicht zuzulassen.

Vafseo® enthält Vadadustat, ein oral verabreichtes antianämisches Präparat. Es hemmt die Prolylhydroxylase des Hypoxie-induzierbaren Faktors (HIF) und stimuliert dadurch die körpereigene Erythropoetin-Produktion, wodurch die Eisenmobilisierung und die Produktion von Hämoglobin und roten Blutkörperchen gesteigert werden.

Unter der Therapie normalisiert sich der Hämoglobinspiegel bei dialysepflichtigen Patienten, und zwar mit einer Wirkung, die mit Erythropoese-stimulierenden Präparaten vergleichbar ist.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Bluthochdruck, Durchfall und thromboembolische Ereignisse.

Bekemv®, ein Biosimiolar, bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie

Auch die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Bekemv® zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) wurde befürwortet.

Es enthält als aktive Substanz Eculizumab, einen rekombinanten humanisierter monoklonaler IgG2/4k-Antikörper, der sich an das menschliche C5-Komplementprotein bindet und dadurch die Aktivierung des terminalen Komplements hemmt.

Bekemv® ist ein Biosimilar-Arzneimittel. Es ist dem Referenzprodukt Soliris® (Eculizumab), das am 20. Juni 2007 in der EU zugelassen wurde, sehr ähnlich. Daten zeigen, dass Bekemv® eine vergleichbare Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit wie Soliris® aufweist.

Erweiterungen bestehender Zulassungen

Bei einigen bereits zugelassenen Medikamenten werden die Indikationen erweitert:

  • Esbriet® (Pirfenidon) zur Behandlung der idiopathischen pulmonalen Fibrose: Der CHMP nahm eine Änderung der bestehenden Indikation an, um die Behandlung der fortgeschrittenen idiopathischen Lungenfibrose (IPF) zu ermöglichen.

  • Libtayo® (Cemiplimab) ist nun auch bei bestimmten Patientengruppen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs als Erstlinienbehandlung in Kombination mit einer platinbasierten Chemotherapie für die Erstlinienbehandlung indiziert.

  • Rinvoq® (Upadacitinib) darf nun zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerem bis schwerem aktivem Morbus Crohn, die auf eine konventionelle Therapie oder ein Biologikum unzureichend angesprochen haben, nicht mehr ansprachen oder eine Unverträglichkeit zeigten, verordnet werden. Bislang durften Ärzte das Präparat bei verschiedenen rheumatoiden Erkrankungen und bei Colitis ulcerosa verordnen.

  • TachoSil® ist indiziert bei Erwachsenen und – neu – bei Kindern ab einem Alter von 1 Monat zur unterstützenden Behandlung in der Chirurgie zur Verbesserung der Hämostase, zur Förderung der Gewebeversiegelung und zur Nahtunterstützung in der Gefäßchirurgie, wenn Standardtechniken nicht ausreichen. Das Präparat enthält menschliches Fibrinogen und menschliches Thrombin.

COVID-19-Update

Die Prüfung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Lagevrio® (Molnupiravir) hatte am 23. November 2021 begonnen. Nach Auswertung aller verfügbaren Daten hat der CHMP gesehen, dass der klinische Nutzen bei Erwachsenen mit COVID-19, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und die ein erhöhtes Risiko haben, schweres COVID-19 zu entwickeln, nicht nachgewiesen werden konnte.

Auf Grundlage der Daten war es nicht möglich, zu beweisen, dass Lagevrio® bei vulnerablen Erwachsenen das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder des Todes verringern oder die Krankheitsdauer oder die Zeit bis zur Genesung verkürzen kann. Darüber hinaus ist es nicht gelungen, eine spezifische Patientengruppe zu identifizieren, bei der ein klinisch relevanter Nutzen von Lagevrio® nachgewiesen werden konnte. Deshalb rät der Ausschuss, hier keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen.

Der CHMP empfahl die Zulassung der Anwendung des COVID-19-Impfstoffs Valneva® (inaktiviert, adjuvantiert) als Auffrischimpfung für Erwachsene im Alter von 18 bis 50 Jahren.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....