Fibromyalgie-Diagnostik: Ein neuer Praxisleitfaden hilft Ärzten, die Erkrankung schneller zu erkennen

Andrea Hertlein

Interessenkonflikte

24. Februar 2023

Im Durchschnitt dauert es 16 Jahre, bis Ärzte eine Fibromyalgie diagnostizieren. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) hat nun einen Praxisleitfaden erarbeitet, um Mediziner dabei zu unterstützen [1]

Schneller bis zur Diagnosestellung

Zum Hintergrund: Die Diagnose Fibromyalgie werde noch immer noch zu spät gestellt, betont die DGS. Beschwerden würden über Jahre hinweg verschiedenen „Schmerzschubladen“ zugeordnet, obwohl eine Diagnosestellung auf der Grundlage der individuellen klinischen Phänomenologie möglich gewesen wäre.

Der neue DGS-Praxisleitfaden hat daher zum Ziel, die wesentlichen evidenzbasierten Empfehlungen für eine symptomorientierte Diagnose bei erwachsenen Patienten mit Fibromyalgie aufzuführen, um die Dauer bis zur Diagnosestellung für Betroffene zu verkürzen.

Diagnose nach ACR-Kriterien

Die Diagnose basiert auf Kriterien des American College of Rheumatology (ACR). Dazu gehören:

  • Körperliche Schmerztopographie: Generalisierte Schmerzen, definiert als Schmerzen in mindestens 4 von 5 Körperregionen (rechts oben, links oben, rechts unten, links unten, axial),

  • Dauer: Konstanz der Beschwerden für mindestens 3 Monate

  • Schweregrad der Symptome: Widespread Pain Index (WPI) ≥ 7 und Symptomschwere-Skala (SSS) ≥ 5 oder WPI 4–6 und SSS ≥ 9

  • Differenzialdiagnosen: Die Diagnose Fibromyalgie schließt das Vorliegen anderer klinisch wichtiger (Schmerz-) Erkrankungen nicht aus. Die Diagnose Fibromyalgie ist unabhängig von anderen Diagnosen gültig.

Neben Schmerzen leiden viele Fibromyalgie-Patienten außerdem unter Abgeschlagenheit, verminderter Leistungsfähigkeit und seelischen Belastungen. Hinzu kommen ausgeprägte Schlafstörungen mit häufigem Aufwachen und daraus folgender Tagesmüdigkeit.

Differenzialdiagnose nicht immer einfach

Die entsprechenden Kriterien lassen sich mit dem DGS-Praxisleitfaden in kurzer Zeit erfassen. Erfüllen die Angaben eines Patienten definierte Grenzwerte, so kann bzw. sollte die Diagnose Fibromyalgie gestellt werden. 

Aber auch eine Reihe anderer Erkrankungen können laut DGS ein syndromales Symptomgemenge verursachen, das auf den ersten Blick wie eine Fibromyalgie erscheint, in der Regel jedoch nicht zum Vollbild der Erkrankung entsprechend dem phänomenologischen Kriterienkatalog führt.

Das Konzept der ausschließlich auf den klinischen Befunden bzw. Beschwerden der betroffenen Patienten beruhenden positiven Diagnosestellung sei in der Schmerzmedizin nicht neu, werde aber in der (schmerz-)medizinischen Regelversorgung eher selten eingesetzt, erläutert die DGS. Dabei helfe diese Form der Diagnosestellung nicht nur in vielen Fällen den Teufelskreis aus nicht enden wollenden diagnostischen Verfahren zu durchbrechen, sondern Betroffenen auch durch eine „positive“ Diagnose ihre Beschwerden aktiv zu bewältigen.

Der Praxisleitfaden ist auch für Patienten gedacht

Die Leitlinie richtet sich an alle haus- und fachärztlich tätigen Ärzte, Vertreter anderer Gesundheitsberufe mit einem schmerztherapeutischen Behandlungsschwerpunkt sowie erwachsene Patienten mit chronischen Ganzkörperschmerzen und Verdacht auf Fibromyalgie. 

„Patienten können den Leitfaden nutzen, um sich auf das Gespräch mit dem Arzt vorzubereiten, indem sie vorab den Kriterienkatalog für eine Bestandsaufnahme der eigenen Symptome nutzen“, sagt Michael A. Überall, Autor des Praxisleitfadens und Vizepräsident der DGS. So können sie ihren Ärzten helfen, auf die richtige Spur zu kommen, die Diagnose zu stellen und danach adäquate therapeutische Maßnahmen einzuleiten.

Um Ärzte und Patienten auch in der Auswahl einer geeigneten Therapie des Fibromyalgie-Syndroms zu unterstützen, arbeitet die DGS aktuell am zweiten Teil des Praxisleitfadens. Dieser soll im 1. Quartal des kommenden Jahres fertig gestellt werden.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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