Eine kürzlich im BMJ veröffentlichte Studie aus Japan zeigt keine Unterschiede bei der Sterbe- oder Komplikationsrate nach operativen Eingriffen, die durch männliche oder weibliche Chirurgen durchgeführt wurden. Und dies trotz des Umstands, dass Chirurginnen häufiger als ihre männlichen Kollegen mit Hochrisikopatienten betraut waren [1].
Chirurgie: Frauen noch immer in der Minderheit
Obwohl die Zahl der Ärztinnen in den vergangenen Jahren weltweit gestiegen ist, sind Frauen in der Chirurgie nach wie vor selten anzutreffen. In Kanada, den USA und dem Vereinigten Königreich beispielsweise machen weibliche Allgemeinchirurgen 28% (2019), 22% (2019) bzw. 33% (2017) der chirurgisch Tätigen aus. In Japan ist der Anteil der Chirurginnen mit 5,9% sogar niedriger.
Frühere Studien aus den USA und Kanada haben jedoch gezeigt, dass die Fähigkeiten von Chirurginnen gleich oder sogar besser sind als die ihrer männlichen Kollegen. So zeigte z.B. eine in JAMA Surgeryveröffentlichte Studie, dass Frauen die besseren Operateure vor allem für weibliche Patienten sind. Patientinnen ging es nach einem Eingriff besser, wenn Frauen die Operation durchgeführt hatten.
Um dies weiter zu untersuchen, nutzte das Forscherteam um Kae Okoshi die japanische Nationale Klinische Datenbank (NCD), die Daten zu über 95% der in Japan durchgeführten Operationen enthält, um die chirurgischen Ergebnisse von weiblichen und männlichen Chirurgen zwischen 2013 und 2017 zu vergleichen. Außerdem untersuchten sie den Zusammenhang zwischen der postoperativen Sterblichkeit (innerhalb von 90 Tagen nach der Operation), den chirurgischen Komplikationsraten (innerhalb von 30 Tagen nach der Operation) und der Ausbildung der jeweiligen Operateure.
OPs bei Magen- und Rektumkarzinomen
Im Fokus der Analyse standen 3 gängige OP-Verfahren bei Magen- und Rektumkarzinomen (distale Gastrektomie, totale Gastrektomie und tiefe anteriore Rektumresektion). Diese wurden ausgewählt, weil die Zahl der Chirurginnen und Chirurgen, die diese Eingriffe vornahmen, für eine Analyse ausreichte, ohne dass dabei die einzelnen Operateure identifiziert werden mussten. Insgesamt wurden 149.193 distale Gastrektomien, 63.417 totale Gastrektomien und 81.593 tiefe anteriore Rektumresektionen in die Studie eingeschlossen.
Die Forscher fanden heraus, dass weibliche Chirurgen nur 5 % dieser Eingriffe durchführten und seltener als ihre männlichen Kollegen in Zentren mit hohem Operationsvolumen arbeiteten. Weibliche Chirurgen wurden zudem häufiger mit Hochrisikopatienten betraut (u.a. Unterernährung, langjährige Einnahme von Steroiden und spätere Krankheitsstadien).
Keine Leistungsunterschiede zwischen Frauen und Männern
Dennoch fand das Forscherteam nach Berücksichtigung anderer patientenbezogener Faktoren keine Unterschiede in den Raten von Todesfällen oder chirurgischen Komplikationen zwischen männlichen und weiblichen Chirurgen.
Bezüglich der Mortalität nach den chirurgischen Eingriffen kam das Autorenteam zu den folgenden Ergebnissen:
Distale Gastrektomie: adjustiertes Odds Ratio (aOR) 0,98 (95%-Konfidenzintervall 0,74 bis 1,29)
Totale Gastrektomie: 0,83 (0,57 bis 1,19)
Tiefe anteriore Rektumresektion: 0.56 (0,30 bis 1,05)
Bei der Mortalität nach einem Eingriff in Kombination mit Clavien-Dindo Grad ≥3 Komplikationen: (adjustiertes Odds Ratio 1,03 (0,93 bis 1,14) für distale Gastrektomie; 0,92 (0,81 bis 1,05) für totale Gastrektomie; 1,02 (0,91 bis 1,15) für tiefe anteriore Rektumresektion).
Im Durchschnitt hatten weibliche Chirurgen zudem weniger Jahre Arbeitserfahrung und führten seltener minimalinvasive Eingriffe durch. Die Forscher vermuten, dass dies auf schlechtere Ausbildungsmöglichkeiten und die konkurrierenden Anforderungen der traditionellen gesellschaftlichen Rollen von Frauen, einschließlich der Kindererziehung, zurückzuführen ist.
„Laut unserer Analyse gab es keinen signifikanten Unterschied bei der Sterblichkeit oder den Komplikationsraten nach den Operationen, die von weiblichen und männlichen Chirurgen durchgeführt wurden, was darauf hindeutet, dass sowohl Chirurginnen als auch Chirurgen bei der Entwicklung ihrer chirurgischen Fähigkeiten gleichermaßen erfolgreich sind“, so das Autorenteam. „Eine effizientere chirurgische Ausbildung für weibliche Chirurgen könnte die chirurgischen Ergebnisse weiter verbessern.“
Auf der Suche nach Kausalität
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, können keine eindeutigen Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung gemacht werden. Das Forscherteam kann auch nicht ausschließen, dass die Ergebnisse durch andere, nicht gemessene Faktoren beeinflusst wurden.
Zu den Stärken der Studie gehören jedoch die Verwendung einer sehr genauen klinischen Datenbank in Bezug auf den präoperativen Zustand der Patientinnen und Patienten sowie die Berücksichtigung wichtiger patientenbezogener Faktoren für die einzelnen Verfahren.
Auch in anderen Ländern erschwerte Arbeitsbedingungen für Chirurginnen
Die Herausforderungen, mit denen Chirurginnen in Japan konfrontiert sind, sind nicht einzigartig. Viele Chirurginnen in anderen Ländern hätten ähnliche Erfahrungen gemacht, wie Cherry Koh, eine Chirurgin aus Australien, in einem Editorial schreibt.
Veränderungen am Arbeitsplatz, zu Hause und auf gesellschaftlicher Ebene seien notwendig, um Frauen in der Arbeitswelt zu unterstützen, sagt sie. Um den Wandel voranzutreiben, sei Führung auf allen Ebenen entscheidend, einschließlich des Engagements seitens der Politik, chirurgischer Berufsverbände, Krankenhausmanager und Abteilungsleiter.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Frau oder Mann – wer operiert besser? Gibt es wirklich Unterschiede? Neue Daten zu einer alten Frage der Medizin - Medscape - 22. Feb 2023.
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