Mit einem elektrisches Neuromodulationsgerät ist es Patienten in einer US-Studie gelungen, die Zahl ihrer Migränetage im Vergleich zur Anwendung eines Placebogeräts signifikant zu reduzieren, wie Wissenschaftler in Headache berichten [1].
Die prospektive, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte, multizentrische Studie habe gezeigt, dass eine Neuromodulation mit dem Gerät Nerivio des Unternehmens Theranica Bio-Electronics die Zahl der Migränetage im Schnitt um 4 Tage pro Monat reduziere, schreiben Dr. Stewart J. Tepper von der Geisel School of Medicine at Dartmouth in Hanover, USA, und seine Kollegen.

Dr. Stewart J. Tepper
„Die statistisch signifikanten Ergebnisse blieben auch in Subgruppenanalysen erhalten, etwa bei Patienten mit chronischer oder episodischer Migräne oder Patienten, die eine Migräneprophylaxe durchführten oder nicht“, ergänzen sie.
Eine nicht-pharmakologische Alternative
Die Forschenden randomisierten 248 Frauen und Männer in eine aktive Behandlungsgruppe und eine Placebogruppe. 95 Teilnehmende, die das aktive Neuromodulationsgerät nutzten, und 84 Teilnehmende, die das Placebogerät nutzten, erfüllten die Kriterien für den Einschluss in eine modifizierte Intention-to-treat-Analyse (mITT).
Die meisten Teilnehmenden im mITT-Datensatz waren Frauen (85,9%) im Alter von im Schnitt 41,7 Jahren. Zu Studienbeginn hatten sie durchschnittlich 12,2 Migränetage und 15,6 Kopfschmerztage pro Monat. Insgesamt 52,4% der Teilnehmenden im mITT-Datensatz hatten chronische Migräne, 25,0% hatten eine Migräne mit Aura, und 41,1% nahmen prophylaktisch Medikamente ein.
Aktive Neuromodulation versus Schein-Neuromodulation
Tepper und seine Kollegen beobachteten die Teilnehmenden anfänglich 4 Wochen, darauf folgte eine 8-wöchige Phase, in der die Teilnehmenden das ihnen zugewiesene Gerät alle 2 Tage für jeweils 45 Minuten anwendeten. Das Placebogerät habe elektrische Impulse der gleichen Intensität (34 mA) und Energie abgegeben, aber mit anderen Impulsdauer und viel niedrigeren Frequenzen als das aktive Neuromodulationsgerät, erklären die Autoren. Die Teilnehmenden führten ein Tagebuch, in dem sie ihre Symptome notierten.
Als primären Endpunkt untersuchten die Forschenden die Veränderung der Zahl der Migränetage pro Monat. Sekundäre Endpunkte waren die Zahl der Tage mit moderaten und/oder schweren Kopfschmerzen, die 50%ige Reduktion der Kopfschmerztage im Vergleich zur Baseline, die Scores beim Headache Impact Test Short Form (HIT-6) und auf dem Migraine Specific Quality of Life Questionnaire (MSQ) Role Function Domain in Woche 12 sowie die Tage mit akuter Kopfschmerz- oder Migränemedikation.
Weniger Migränetage bei chronischer und episodischer Migräne
Bei den Teilnehmenden, die die aktive Neuromodulationsbehandlung durchführten, reduzierte sich die Zahl der Migränetage pro Monat im Vergleich zur Placebogruppe signifikant (4,0 vs. 1,3 Tage; p<0,001). In Subgruppenanalysen war in Assoziation mit der Neuromodulation eine signifikante Reduktion der Migränetage sowohl bei Teilnehmenden mit episodischer Migräne (3,2 vs. 1,0 Tage; p=0,003) als auch chronischer Migräne (4,7 vs. 1,6 Tage p=0,001) im Vergleich zu Placebo zu beobachten.
Tepper und seine Kollegen stellten zudem fest, dass sich auch die Zahl der Tage mit moderaten und/oder schweren Kopfschmerzen (3,8 vs. 2,2 Tage; p=0,005) sowie die Zahl der Kopfschmerztage insgesamt (4,5 vs. 1,8 Tage; p<0,001) in der Gruppe mit aktiver Behandlung signifikant stärker reduzierten als in der Placebogruppe.
Weniger Medikationsbedarf mit Neuromodulation
Auch der Anteil an Patienten, bei denen die Zahl der moderaten/schweren Kopfschmerztage um mehr als 50% abgenommen hatte, war in der gruppe mit Neuromodulation signifikant höher als in der Placebogruppe (51,6% vs. 35,7%; p= 0,033). Darüber hinaus ging die Zahl der Tage mit akuter Medikation durch die Neuromodulation ebenfalls signifikant stärker zurück als durch die Anwendung des Placebogeräts (3,5 vs. 1,4 Tage; p=0,001). Schwere Komplikationen traten in keiner der beiden Gruppen auf.
Tepper und seine Kollegen schreiben, dass die Neuromodulationsbehandlung eine „dringend benötigte nicht-pharmakologische Alternative“ zu anderen präventiven und akuten Behandlungen bei Migräne sei. „Angesichts der bereits gut etablierten klinischen Effektivität und des hohen Sicherheitsprofils in der akuten Behandlung der Migräne kann diese Form der Neuromodulation das gesamte Spektrum der Migräne abdecken, sowohl die akute als auch die präventive Behandlung.“
Ein guter Anfang
In einem Kommentar zur Studie sagt Prof. Dr. Alan M. Rapoport, Professor für Neurologie an der University of California, Los Angeles, und Past-Präsident der International Headache Society, dass die Studie gut designt gewesen sei, allerdings sei die 8-wöchige Nachbeobachtungszeit ein Punkt, für den er gerne mehr Daten gesehen hätte.
Das Nerivio-Gerät ist von der US-Arzneimittelbehörde FDA für die akute Behandlung der Migräne zugelassen. Ausgehend von dieser Studie scheine es aber auch in der Migräneprävention wirksam zu sein – und das „praktisch ohne Nebenwirkungen“, merkt er an.
„Ich denke, es ist eine großartige Therapieoption. Ich denke, es ist ein guter Anfang [für die Migränebehandlung]“, sagt Rapoport. Angesichts der geringen Nebenwirkungsrate würde er in Betracht ziehen, das Gerät Patienten als erste Therapieoption zur Migräneprophylaxe anzubieten und dann – abhängig davon, wie der Patient anspricht – entweder zu einer anderen Therapie zu wechseln oder noch Medikamente dazu zu geben.
Da sich ein Neuromodulationsgerät nun sowohl bei akuter Migräne als auch in der Migräneprävention als wirksam erwiesen habe, wäre es Rapoport zufolge interessant, wenn noch andere Geräte, die ebenfalls von der FDA zur Migränebehandlung zugelassen seien, auf ihren Einsatz in der Prävention hin überprüft würden. „Ich denke, wir müssen diese Geräte bei mehr Patienten ausprobieren, so dass wir eine Idee davon bekommen, welche in der Akutsituation wirken und welche prophylaktisch einen Nutzen haben“, sagt er.
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus https://www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Photographer: © Martinmark
Lead image: Dreamstime.com
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Diesen Artikel so zitieren: Pulse statt Pillen: Elektrische Neuromodulation für den Heimgebrauch reduziert effektiv die Zahl der Migränetage - Medscape - 21. Feb 2023.
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