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SGLT2-Inhibtoren für alle mit Herzinsuffizienz? Was die erweiterte EU-Zulassung laut Experten für die Praxis bedeutet

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

21. Februar 2023

Die Europäische Kommission hat die Indikation für den SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin auf Herzinsuffizienz im gesamten Spektrum der linksventrikulären Ejektionsfraktion erweitert. Auch Patienten mit leicht reduzierter und erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) können jetzt damit behandelt werden.

Prof. Dr. Andreas M. Zeiher

Mit der Zulassungserweiterung für Dapagliflozin und der bereits im März 2022 erfolgten Indikationsausdehnung für Empagliflozin stehen nun 2 SGLT2-Inhiboren für die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz zur Verfügung. Prof. Dr. Andreas M. Zeiher, Distinguished Professor für Kardiologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Past-President der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie erklärt, wie die neuen Therapieoptionen in der Praxis am besten genutzt werden können.

Medscape: Sollten jetzt alle Patienten mit Herzinsuffizienz einen SGLT2-Inhibitor erhalten?

Zeiher: Grundsätzlich muss man diese Frage mit ja beantworten. Das wird seit der Zulassungserweiterung für Empagliflozin im vergangenen Jahr auch bereits so gehandhabt. Die Besonderheit von Dapagliflozin ist – im Moment noch – dass es auch bei Patienten mit reduzierter Nierenfunktion eingesetzt werden kann. Die positiven Ergebnisse der DAPA-CKD-Studie haben dazu geführt, dass es auch für niereninsuffiziente Patienten zugelassen ist. Man sollte immer darauf achten, dass niereneingeschränkten Herzinsuffizienz-Patienten einen SGLT2-Inhibtor erhalten, da sie sogar zweifach davon profitieren.

Medscape: Ist bei allen Patienten, die nun behandelt werden können, mit dem gleichen therapeutischen Benefit zu rechnen?

Zeiher: Bei Herzinsuffizienz-Patienten mit reduzierter Pumpfunktion wird mit SGLT2-Inhibtoren ein klarer Überlebensvorteil erreicht. Bei Patienten mit HfpEF dagegen ist nur eine grenzwertige Lebenserwartungsverbesserung zu erwarten. Bei ihnen geht es überwiegend darum, die Inzidenz von Krankenhausaufnahmen zu reduzieren.

Medscape: Wie gehen Sie persönlich bei der Verordnung von SGLT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz vor?

Zeiher: Ich persönlich behandle Herzinsuffizienz-Patienten mit erhaltener Pumpfunktion dann mit einem SGLT2-Inhibtor, wenn sie symptomatisch sind, etwa eine Dyspnoe haben. Bei diesen Patienten sollte man auf jeden Fall einen SGLT2-Inhibitore geben, bei asymptomatischen Patienten dagegen eher nicht. Denn der Haupteffekt bei HFpEF liegt auf der Symptomatik bzw. den Krankenhausaufnahmen. Von daher muss man tatsächlich nicht jedem Herzinsuffizienz-Patienten einen SGLT2-Inhibtor verordnen.

Medscape: SGLT2-Inhibitoren umgibt mitunter die Aura der neuen „Wunderdroge“ – gibt es auch kritische Punkte?

Zeiher: Es gibt tatsächlich kaum kritische Punkte, da es kaum Nebenwirkungen gibt. Anfangs gab es den Verdacht, dass vermehrt Ketoazidosen auftreten, was sich aber nicht bestätigt hat. Sie sind so selten, dass man sich deswegen keine Sorgen machen muss. Einen Punkt gibt es aber zu beachten: SGLT2-Inhibitoren sind zwar für die Behandlung des Diabetes entwickelt worden, aber für den Typ-2-Diabetes. Patienten mit insulinabhängigem Typ-1-Diabetes waren aus den Studien ausgeschlossen, für sie gibt es keine Daten, weshalb die Gabe nicht empfohlen wird – auch nicht, wenn sie eine Herzinsuffizienz entwickeln.

Medscape: In Deutschland erkranken immer mehr Menschen an einer Herzinsuffizienz – kann sich unser Gesundheitssystem SGLT2-Inhibtoren für (fast) alle leisten?

Zeiher: SGLT2-Inhibitoren sind von der Kostendeckelung ausgenommen sind, das heißt Niedergelassene können sie verschreiben, ohne dass Regressforderungen zu befürchten. Aber mit einem Preis von etwa 1,80 Euro pro Tablette kommen bei beiden SGLT2-Inhibitoren im Verlauf eines Jahres durchaus hohe Kosten zusammen. Auf der anderen Seite ist die symptomatische HFpEF eine Erkrankung, bei der wir bislang keine Therapieoption hatten, die wirklich gut gewirkt hätte. Deshalb sollte man sie den symptomatischen HFpEF-Patienten nicht vorenthalten. Das muss sich unser Gesundheitssystem einfach leisten können.

Medscape: Typ-2-Diabetes, Herzinsuffizienz, Nierenerkrankung – was können wir von SGLT2-Inhibitoren in Zukunft noch alles erwarten?

Zeiher: Im Moment ist sicher am wichtigsten, dass wir Herzinsuffizienz-Patienten mit gleichzeitiger Niereninsuffizienz Dapagliflozin geben können. Eine entsprechende Studie zu Empagliflozin läuft bereits und auch hier ist eine Zulassung für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion zu erwarten. Das ist ein immenser Fortschritt, weil es sich um ein Patientenkollektiv handelt, bei dem wir lange mit dem Rücken zur Wand standen. Des Weiteren werden Empagliflozin und Dapagliflozin gerade bei Patienten mit frischem Herzinfarkt erprobt. Sollten die Studien EMPACT-MI und DAPA-MI positiv ausfallen, werden wir SGLT2-Inhibtoren möglicherweise künftig auch in der Akutphase der Herzinsuffizienz einsetzen.
 

Kommentar

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