Im Onko-Blog dieser Woche stellen wir 2 Studien zum Einsatz von PARP-Inhibitoren beim metastasierten Prostatakarzinom vor, die beim ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2023 präsentiert worden sind. 10-Jahres-Daten der PRIME-II-Studie zeigen, dass bei bestimmten älteren Frauen mit frühem Mammakarzinom nach brusterhaltender Operation auf eine Bestrahlung verzichtet werden kann. In der PhALLCON-Studie erreichte Ponatinib im direkten Vergleich mit Imatinib jeweils in Kombi mit Chemotherapie bei Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver ALL in der Erstlinientherapie ein besseres Ansprechen.
Prostatakarzinom: Rucaparib bei vorbehandelter BRCA-mutierter metastasierter Erkrankung
Prostatakarzinom: Talazoparib verlängert rPFS bei nicht vorbehandelter metastasierter Erkrankung
Frühes Mammakarzinom: In bestimmten Fällen ist ein Verzicht auf Bestrahlung möglich
Ph+ ALL: Ponatinib schlägt Imatinib in der Erstlinientherapie
Rezidiviertes multiples Myelom: Längeres PFS mit Ide-cel als mit Standardtherapie
MGUS und SMM: Neues Diagnosetool zur besseren Prognoseeinschätzung?
Prostatakarzinom: Rucaparib bei vorbehandelter BRCA-mutierter metastasierter Erkrankung
Der PARP-Inhibitor Rucaparib verbesserte bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom das radiologisch nachgewiesene progressionsfreie Überleben (rPFS) signifikant im Vergleich zu Docetaxel, Abirateron oder Enzalutamid. Dieses Ergebnis der Phase-3-Studie TRITON-3 präsentierte PD Dr. Alan H. Bryce von der Mayo Clinic in Rochester auf dem 2023 ASCO Genitourinary Cancers Symposium (Abstract 18) und parallel im New England Journal of Medicine .
In die randomisierte, kontrollierte Phase-3-Studie wurden Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs mit einer BRCA1- , BRCA2- oder ATM-Mutation eingeschlossen, die mit einem Androgenrezeptor-Signalweg-Inhibitor (ARPI) der 2. Generation vorbehandelt worden waren. Randomisiert erhielten 270 Patienten Rucaparib, 135 Patienten Docetaxel, Abirateron oder Enzalutamid. 75% wiesen eine BRCA-Mutation, 25% eine ATM-Veränderung auf.
In der Gesamt-Population betrug das mediane rPFS 10,2 Monate mit Rucaparib gegenüber 6,4 Monaten mit der Vergleichstherapie (Hazard Ratio 0,61, p=0,0003). Patienten mit BRCA-Mutation erreichten mit Rucaparib ein medianes rPFS von 11,2 Monate gegenüber 6,4 Monaten mit der Vergleichstherapie (HR 0,50, p<0,0001). Patienten mit ATM-Veränderungen profitierten nicht von Rucaparib.
Die Überlebensdaten sind derzeit noch nicht reif. Es zeigt sich jedoch eine Tendenz zugunsten des PARP-Inhibitors, obwohl 75% der Patienten im Vergleichsarm nach Progression in den Rucaparib-Arm wechselten.
Häufigste unerwünschte Wirkungen von Rucaparib waren Fatigue und Übelkeit.
Prostatakarzinom: Talazoparib verlängert rPFS bei nicht vorbehandelter metastasierter Erkrankung
Der PARP-Hemmer Talazoparib verlängerte zusätzlich zu Enzalutamid gegeben bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom im Vergleich zu Placebo plus Enzalutamid das radiologisch nachgewiesene progressionsfreie Überleben (rPFS) signifikant in der Erstlinientherapie. Das Ergebnis der randomisierten Phase-3-Studie TALAPRO-2 hat Prof. Dr. Neeraj Agarwal, Huntsman Cancer Institute, University of Utah, auf dem 2023 ASCO Genitourinary Cancers Symposium vorgestellt (Abstract LBA17).
In die TALAPRO-2-Studie wurden 805 Männern mit neu diagnostiziertem mCRPC aufgenommen, alle wurden mit Enzalutamid und zusätzlich randomisiert mit Talazoparib und Placebo behandelt.
Der primäre Endpunkt, das rPFS, wurde durch die Kombination signifikant verbessert: Das mediane rPFS wurde mit Talazoparib plus Enzalutamid noch nicht erreicht, mit Enzalutamid betrug es 21,9 Monate (Hazard-Ratio 0,63, p<0,001). Der Effekt war unabhängig vom Status der homologen Rekombinationsreparatur (HRR), also Mutationen in BRCA-Genen. Er war allerdings bei Patienten mit fehlender HRR stärker ausgeprägt.
Die Kombination erreichte auch eine höhere objektive Ansprechrate (61,7% vs. 43,9%; p=0,005) und ein besseres vollständiges Ansprechen (37,5% vs. 18,2%). Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif.
Insgesamt litten 71,9% der Patienten in der Kombi-Gruppe unter einer behandlungsbedürftigen Nebenwirkung vom Schweregrad 3 oder 4. Bei 43% der Patienten trat unter der Kombination eine Anämie vom Schweregrad ≥ 3 auf. Die hämatologische Toxizität ist nach Aussage der Diskutantin Dr. Elena Castro, Hospital Universitario 12 de Octubre, Madrid, besorgniserregend.
Frühes Mammakarzinom: In bestimmten Fällen Verzicht auf Bestrahlung möglich
Nach einer brusterhaltenden Operation kann bei bestimmten älteren Frauen mit Hormonrezeptor-positivem frühem Mammakarzinom, die adjuvant endokrin behandelt werden, auf eine Bestrahlung verzichtet werden. Dies zeigen die 10-Jahres-Daten der randomisierten PRIME-II-Studie, die im New England Journal of Medicine erschienen sind. Bei einem Verzicht auf die postoperative Bestrahlung traten zwar mehr Lokalrezidive auf. Fernmetastasen waren jedoch nicht häufiger. Das Gesamtüberleben war ebenfalls nicht verändert.
1.326 Frauen im Alter über 65 Jahren erhielten randomisiert eine Bestrahlung (n=658) oder keine Bestrahlung (n=668). Die kumulative Inzidenz lokaler Brustkrebsrezidive innerhalb von 10 Jahren betrug 9,5% in der Gruppe ohne Strahlentherapie und 0,9% mit Strahlentherapie (Hazard Ratio 10,4; p<0,001). Obwohl in der Gruppe ohne Strahlentherapie häufiger Lokalrezidive auftraten, lag die 10-Jahres-Inzidenz eines Fernrezidivs als 1. Ereignis ohne Strahlentherapie mit 1,6% niedriger als mit 3,0% mit Bestrahlung. Das Gesamtüberleben nach 10 Jahren war in mit 80,8% ohne Bestrahlung und 80,7% mit Bestrahlung ähnlich.
Im begleitenden Editorial heißt es, dass diese Daten eine Antwort auf das seit langem bekannte Problem der Überbehandlung älterer Frauen mit Mammakarzinom mit niedrigem Risiko lieferten. Diese Ergebnisse räumten zusammen mit den Daten der Studie Cancer and Leukemia Group B (CALGB) 9343 jeden Zweifel darüber aus, dass der Verzicht auf eine Bestrahlung bei Frauen ab 65 Jahren mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs im Frühstadium möglich sei. Die 10-jährige Nachbeobachtungszeit der Studien sei „extrem beruhigend“.
Ph+ ALL: Ponatinib schlägt Imatinib in der Erstlinientherapie
Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph+ ALL) sprechen auf eine Induktionstherapie mit 3 Zyklen Ponatinib plus Chemotherapie signifikant stärker und anhaltender an als auf Imatinib plus Chemotherapie. Dieses Ergebnis der randomisierten Phase-3-Studie PhALLCON stellte Prof. Dr. Elias Jabbour, University of Texas MD Anderson Cancer Center, Houston, bei der virtuellen Plenarserie der ASCO am 15. Februar 2023 vor (Abstract 398868). „PhALLCON ist die 1. klinische Studie der Phase 3, die Head-to-Head die Erstlinienbehandlung mit Ponatinib und Imatinib in Kombination mit Chemotherapie vergleicht“, erklärte er.
245 Patienten mit neu diagnostizierter Ph+ ALL wurden 2:1 randomisiert. Sie erhielten Ponatinib (n=164) oder Imatinib (n=81) jeweils in Kombination mit einer Chemotherapie mit reduzierter Intensität. Insgesamt waren 20 Behandlungszyklen als Einleitung (Zyklen 1-3), Konsolidierung (Zyklen 4-9) und Nachkonsolidierung (Zyklen 10-20) vorgesehen. Danach wurden die Patienten allein mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor weiter behandelt, bis die Krankheit fortschritt oder bis inakzeptable Nebenwirkungen auftraten.
Primärer Endpunkt war die Rate der Minimal Residual Disease (MRD)-negativen vollständigen Remission (CR) am Ende der Induktion. Er wurde erreicht. Mit Ponatinib war die MRD-negative CR-Rate mit 34,4% signifikant höher als mit Imatinib mit 16,7% (p=0,0021). Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif. Das ereignisfreie Überleben war im Ponatinib-Arm im Trend besser. Die Verträglichkeit war in beiden Armen mit 85% vs. 88% Nebenwirkungen vom Schweregrad 3/4 ähnlich.
Dr. Anjali Advani von der Cleveland Clinic wies als Diskutantin der Studie darauf hin, dass die Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren recht jung gewesen seien. Es sei unklar, welche Nebenwirkungen bei einer älteren Patientengruppe mit mehr kardiovaskulären Begleiterkrankungen auftreten würden. Bei kardiovaskulär vorbelasteten Patienten müsse man sehr vorsichtig sein, weil Ponatinib mit einem erhöhten Risiko für arterielle Verschlusskrankheiten und venöse Thromboembolien assoziiert sei. Aus ihrer Sicht wäre auch ein Vergleich von Ponatinib mit Dasatinib besser gewesen. Schwierig sei zudem, dass sich die Standardtherapie in diesem Bereich sehr schnell ändere.
Rezidiviertes multiples Myelom: Längeres PFS mit Ide-cel als mit Standardtherapie
Eine gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) gerichtete CAR-T-Zell-Therapie mit Idecabtagen vicleucel (Ide-cel) verlängerte bei stark vorbehandelten Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom (rrMM) das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu einer Standardtherapie von 4,4 auf 13,3 Monate signifikant. Auch das Ansprechen war mit Ide-cel besser. Eine internationale Arbeitsgruppe hat diese Ergebnisse der Phase-3-Studie KarMMa-3 im New England Journal of Medicine publiziert.
In die von 2seventy bio und Celgene finanzierte internationale, offene Phase-3-Studie waren 386 Patienten mit rrMM nach 2 bis 4 Vortherapien, u.a. mit Immunmodulatoren und Daratumumab, aufgenommen und 2:1 randomisiert mit Ide-cel oder einer Standardtherapie behandelt worden. Je nach Vortherapie und nach Entscheidung des Prüfarztes wurden als Standardtherapie
Daratumumab/Pomalidomid/Dexamethason,
Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason,
Ixazomib/Lenalidomid/Dexamethason,
Carfilzomib/Dexamethason oder
Elotuzumab/Pomalidomid/Dexamethason eingesetzt.
66% der Patienten waren auf 3 Arzneimittelklassen und 95% auf Daratumumab refraktär.
Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 18,6 Monaten betrug das mediane progressionsfreie Überleben 13,3 Monate in der Ide-cel-Gruppe im Vergleich zu 4,4 Monaten in der Gruppe mit Standardbehandlung (Hazard-Ratio 0,49, p<0,001). 71% der Patienten sprachen auf Ide-cel an, 42% auf die Standardbehandlung (p<0,001); vollständig sprachen 39% bzw. 5% an. Die Daten zum Gesamtüberleben sind noch nicht reif.
Unerwünschte Wirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 traten bei 93% der Patienten in der Ide-cel-Gruppe und bei 75% in der Vergleichsgruppe auf.
MGUS und SMM: Neues Diagnosetool zur besseren Prognoseeinschätzung?
Ein Multi-Antigen-Myelom-spezifischer (MaMs) T-Zell-Assay ist möglicherweise dazu geeignet, bei Personen mit den Myelom-Vorläufer-Erkrankungen MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) und SMM (Smoldering Multiples Myelom) die Prognose besser einzuschätzen. Erste Ergebnisse hierzu stellte eine italienische Arbeitsgruppe in Cancers vor.
Verschiedene Faktoren werden derzeit dazu verwendet, um das Risiko der Progression einer MGUS oder eines SMM zum Plasmozytom oder multiplen Myelom vorherzusagen, sie basieren z. B. auf der Art und Menge des monoklonalen Proteins, dem Leichtketten-Quotient sowie der Infiltration des Knochenmarks durch klonale Plasmazellen.
Die italienische Arbeitsgruppe untersuchte nun die Rolle der myelomspezifischen T-Zell-Immunität und setzte dafür den MaMs-T-Zell-Assay ein, der eine gleichzeitige Bewertung der T-Zell-Antworten auf 10 verschiedene MM-assoziierte Antigene ermöglicht.
Von 22 Personen mit MGUS und 11 Personen mit SMM untersuchten sie im Verlauf der Patienten-Beobachtung 152 Blutproben. Im Median wurden die Patienten 28 Monate beobachtet.
26 Patienten der Kohorte waren zu Beginn als stabil und 7 Fälle als progressiv eingestuft worden. Von den stabilen Patienten wiesen 17 (65%) in mindestens 1 Test eine positive T-Zell-Antwort auf, während dies bei keinem der progressiven Patienten der Fall war.
Die Autoren sehen ihre Arbeit als Proof-of-Concept an, um möglicherweise die Entwicklung neuer immunologischer Prognosetests mit potenziellen Auswirkungen auf die Behandlung von MGUS/SMM-Patienten voranzutreiben. Weitere Studien sind erforderlich, um z. B. den optimalen MM-abgeleiteten Antigenpool zu definieren und den Nachweis spezifischer T-Zell-Antworten zu verbessern, die signifikant mit der Krankheitskontrolle verbunden sind.
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Credits:
Photographer: © Patricioj
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebs – wann es auch ohne Bestrahlung geht; Neues zum Nutzen von PARP-Inhibitoren beim Prostatakarzinom - Medscape - 21. Feb 2023.
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