MEINUNG

Bei medizinischen Notfällen können sich Ehegatten gegenseitig vertreten – unter einigen Voraussetzungen

Nadine Ettling

Interessenkonflikte

22. Februar 2023

Zum 1. Januar 2023 ist eine Reform des Betreuungsrechts in Kraft getreten. Dazu gehört auch die Neuregelung eines gegenseitigen Vertretungsrechts von Ehegatten in einer Notfallsituation im Bereich der Gesundheitssorge.

Die Regelung zum Notvertretungsrecht kommt dann zur Anwendung, wenn die Ehegatten (noch) keine Regelungen zur Vertretung im Erkrankungsfall getroffen haben. Bisher konnte ein Ehegatte den anderen nur vertreten, wenn er über eine Vorsorgevollmacht verfügte, die Regelungen zur Gesundheitssorge enthielt, oder wenn der jeweils andere Ehegatte vom Betreuungsgericht zum rechtlichen Betreuer bestellt worden ist.

Voraussetzungen und Ausschlussgründe

Voraussetzung für das Notvertretungsrecht ist, dass ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder aufgrund einer Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht mehr selbst besorgen kann. Der behandelnde Arzt muss die medizinischen Voraussetzungen des Vertretungsrechts und den Zeitpunkt, zu dem diese spätestens eingetreten sind, schriftlich bestätigen. Offen bleibt bislang, ob dies auch zu dokumentieren ist, was aus haftungsrechtlicher Sicht sicherlich sinnvoll ist. 

Der vertretende Ehegatte hat auf der anderen Seite dem behandelnden Arzt schriftlich zu versichern, dass kein Ausschlussgrund für das Vertretungsrecht vorliege und dass dieses aufgrund der Bewusstlosigkeit oder Krankheit bisher nicht ausgeübt worden sei. Hier stellt sich für den behandelnden Arzt eine weitere Problematik: Kann man dieser Bestätigung vertrauen? Muss der dies aktiv erfragen und so die familienrechtliche Problematik im Behandlungszimmer erörtern?

Automatisch Entbindung der Schweigepflicht

Sofern alle Voraussetzungen vorliegen, ist der Arzt kraft Gesetzes von seiner Schweigepflicht gegenüber dem Ehegatten entbunden, auch ohne zusätzliche Schweigepflichtentbindungserklärung. Der Wortlaut umfasst nur behandelnde Ärzte, nicht aber Angehörige anderer Heilberufe (z. B. Therapeuten, Pflegekräfte, Laborpersonal, Sprechstundenhilfen). Darauf hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft schon in ihrer Stellungnahme vom 09.12.2020 hingewiesen. Schlussendlich wurde der Gesetzeswortlaut nicht angepasst.

Formular zum Download

Zur Erleichterung hat das Bundesministerium der Justiz auf den Seiten der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Formular zur Verfügung gestellt, mit dem die Ärzte die obigen Voraussetzungen prüfen und dokumentieren können.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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