Lauterbach: manche Corona-Regeln „Schwachsinn“; neue Varianten durch Medikament; weniger Geruchsverlust bei Omikron

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

13. Februar 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 13. Februar 2023

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 92 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 5. Februar lag der Wert bei 94.

Unsere Themen heute:

  • Lauterbach: Manche Corona-Regeln waren „Schwachsinn“

  • COVID-19: Die Symptome ähneln grippalen Infekten stärker als zuvor

  • Pegyliertes Interferon Lambda senkt Hospitalisierungsrate deutlich

  • Entstehen durch Molnupiravir neue Varianten von SARS-CoV-2?

  • USA: COVID-19 unter den 10 häufigsten Todesurdachen von Kindern

  • Präklinische COVID-19-Therapie auch bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen wirksam

Lauterbach: Manche Corona-Regeln waren „Schwachsinn“

Kaum ist die Pandemie vorbei, geht es Politikern um eine retrospektive Bewertung. „Was Schwachsinn gewesen ist, wenn ich so frei sprechen darf, sind diese Regeln draußen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der ZDF-Sendung Markus Lanz. Gemeint sind Maskenregeln im Freien. „Das ist natürlich klar, das sind Exzesse gewesen“, so Lauterbach weiter. Auch längere Kita- und Schulschließungen bewertet er rückblickend als „Fehler“.

Dennoch zieht er unter dem Strich eine positive Bilanz. „Wir sind gut durchgekommen“, lautet das Fazit. In Deutschland sei die Sterblichkeit trotz der älteren Bevölkerung niedriger gewesen als in anderen Ländern. Insgesamt seien 180.000 Menschen an COVID-19 gestorben.

Teile der FDP geben sich mit den Äußerungen nicht zufrieden. „Karl Lauterbach war einer derjenigen, die daran mitgewirkt haben, kritische wissenschaftliche Stimmen auszugrenzen, Panik selbst zu schüren und die Grenzen des Verfassungsstaates zu verschieben“, schreibt Wolfgang Kubicki. „Wenn er meint, jetzt mit einer ‚Schwamm-drüber-Mentalität‘ zur Tagesordnung übergehen zu können, dann wäre das für den demokratischen, rechtsstaatlichen und sozialen Aufarbeitungsprozess fatal.“

Kritik kommt ebenfalls aus der Wissenschaft. „Was Karl Lauterbach betrifft: Die Geschichte spricht hier für sich, das hat ja mittlerweile auch er selbst verstanden“, so die Einschätzung von Prof. Dr. Hendrik Streeck, Virologe am Uniklinikum Bonn. Politische und wissenschaftliche Abwägungen hätten nicht ausreichend stattgefunden. „Wer nur das Pandemiemanagement unkritisch lobt, macht es sich zu einfach. Auch mit dem Präventionsparadoxon zu argumentieren und zu behaupten, dass eine aus der Luft gegriffene Anzahl an Todesfällen verhindert wurde, ist in der Rückschau irreführend und statistisch nicht valide.“

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wiederum rechtfertigt sich für strenge Maßnahmen im Freistaat: „Zum Beginn der Pandemie musste schnell gehandelt werden, um Menschenleben zu retten. Das kann niemand ernsthaft bestreiten – auch nicht Herr Lauterbach.“ Im weiteren Verlauf der Pandemie habe man „mit Augenmaß auf neue Entwicklungen reagiert“ und, sobald es die Lage erlaubt habe, „möglichst rasch mehr Freiheiten ermöglicht“.

COVID-19: Die Symptome ähneln grippalen Infekten stärker als zuvor

Während der Pandemie haben neue Varianten das Geschehen geprägt. Daten aus deutschen Meldesystemen zeigen jetzt, dass sich durch Mutationen auch die Beschwerden bei symptomatischen Patienten verändert haben. Grundlage der Studie waren Angaben zu 9.200 000 symptomatischen Fällen, darunter 1.400.281 Fälle, die während der Omikron-BA.5-Welle aufgetreten sind.

Die Ergebnisse:

  • Husten (51% beim Wildtyp; 69% bei BA.5) und Schnupfen (36% versus 62%) waren die häufigsten Beschwerden.

  • Die Prävalenz an Halsschmerzen hat sich von 27% auf 39% erhöht.

  • Weniger Patienten leiden an Geruchs- und Geschmacksverlust – ursprünglich den auffälligsten Symptomen (23% versus 11%).

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anteil an Geruchs- und Geschmacksverlust während der BA.5-Phase niedrig blieb und erkältungs- und grippeähnliche Symptome wie Halsschmerzen, Husten und Fieber zunahmen“, fassen die Autoren zusammen.

Pegyliertes Interferon Lambda senkt Hospitalisierungsrate deutlich

Interferone stimulieren Abwehrreaktion des Körpers gegen unterschiedliche Virusinfektionen. Zahlreiche Daten aus Laborstudien und aus kleineren klinischen Studien liefern Hinweise auf Einsatzmöglichkeiten gegen schweres COVID-19. Die Wirksamkeit einer Einzeldosis von pegyliertem Interferon Lambda zur Verhinderung schwerer Komplikationen war unklar. Deshalb haben Forscher eine randomisierte, kontrollierte Plattformstudie mit überwiegend geimpften Erwachsenen durchgeführt.

Ambulante Patienten mit COVID-19, die sich innerhalb von 7 Tagen nach Symptomeintritt beim Arzt vorstellten, erhielten entweder pegyliertes Interferon Lambda (einmalig 180 μg subkutan) oder Placebo (als einmalige Injektion oder oral). Der primäre, zusammengesetzte Endpunkt bestand aus einem Krankenhausaufenthalt, einer Verlegung nach stationärer Aufnahme bzw. einem Besuch in der Notaufnahme (Beobachtung für mehr als 6 Stunden) aufgrund von COVID-19 innerhalb von 28 Tagen nach der Randomisierung.

Ärzte haben 933 Patienten für die Behandlung mit pegyliertem Interferon Lambda und 1.018 für den Placebo-Arm ausgewählt. 83% der Patienten waren gegen COVID-19 geimpft. Bei 25 von 931 Patienten (2,7%) in der Interferon-Gruppe trat ein Ereignis des primären Endpunkts auf, verglichen mit 57 von 1.018 (5,6%) in der Placebo-Gruppe, was einem Unterschied von 51% entspricht (relatives Risiko 0,49; 95%-Bayes'sches Glaubwürdigkeitsintervall 0,30 bis 0,76).

Die Ergebnisse waren konsistent bei Analysen sekundärer Endpunkte, etwa der Zeit bis zur Hospitalisierung aufgrund von COVID-19 (Hazard Ratio: 0,57; 95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 0,33 bis 0,95), der Hospitalisierung oder des Todes (HR: 0,59; 95%-Glaubwürdigkeitsintervall: 0,35 bis 0,97).

„Bei überwiegend geimpften ambulanten Patienten mit COVID-19 war die Inzidenz von Krankenhausaufenthalten oder Besuchen in der Notaufnahme nach der Gabe einer Dosis von pegyliertem Interferon Lambda signifikant niedriger als bei denjenigen, die Placebo erhielten“, so das Resümee der Autoren.

Entstehen durch Molnupiravir neue Varianten von SARS-CoV-2?

Molnupiravir (Lagevrio®), ein antivirales Medikament, das in großem Umfang gegen SARS-CoV-2 eingesetzt wurde, wirkt, indem es während der Replikation Mutationen im Virusgenom auslöst. Das geschieht über Kopierfehler bei der viralen RNA-Replikation.

Die meisten zufälligen Mutationen sind schädlich für das Virus. Es ist jedoch denkbar, dass einige Patienten, die mit Molnupiravir behandelt werden, SARS-CoV-2-Infektionen nicht vollständig ausheilen, so dass es zu einer Weitergabe mutierter Viren kommen könnte.

Um das Risiko besser abzuschätzen, haben Forscher globale Sequenzierdatenbanken auf eine Signatur der Molnupiravir-Mutagenese hin durchsucht. Sie fanden heraus, dass eine bestimmte Klasse von eng verwandten Sublinien fast ausschließlich in Sequenzen aus dem Jahr 2022 auftritt. Damals hatten Ärzte erstmals Molnupiravir eingesetzt.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass eine Signatur der Molnupiravir-Mutagenese in globalen Sequenzdatenbanken zu finden ist, in einigen Fällen mit Weitergabe von Mensch zu Mensch“, lautet das Fazit. Unklar bleibt, ob die neuen Varianten pathogener oder kontagiöser sind.

USA: COVID-19 unter den 10 häufigsten Todesurdachen von Kindern

In den USA werden insgesamt mehr als 940.000 Todesfälle auf eine SARS-CoV-2-Infektion zurückgeführt, darunter waren mindestens 1.289 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren. Auch wenn dies auf den 1. Blick vielleicht nicht viel erscheint, muss man diese Zahl in Relation zu der geringen Gesamtzahl an Todesfällen in dieser Altersgruppe in den USA setzen.

Jetzt haben Forscher epidemiologischen Daten zu Todesfällen bei Kindern und Jugendlichen der US Centers for Disease Control and Prevention genutzt, um herauszufinden, ob COVID-19 – wie oft vermutet – zu einer der wichtigsten Todesursachen in dieser Altersgruppe gehört. Darüber hat Coliquio.de berichtet.

Von April 2020 bis August 2022 starben US-weit insgesamt 821 Kinder und Jugendliche an COVID-19. Dies entsprach einer Todesrate von 1,0 pro 100.000 Einwohnern. Am häufigsten waren Kinder unter 1 Jahr (4,3 pro 100.000 Einwohner) und Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren (1,8 pro 100.000 Einwohner) betroffen.

Im Zeitraum zwischen August 2021 und Juli 2022 gehörte COVID-19 damit zu den 10 häufigsten Todesursachen im Kindes- und Jugendalter. 2% aller Todesfälle standen mit der Erkrankung in Zusammenhang. Unter allen Todesursachen war COVID-19 an 8., unter allen krankheitsbedingten Todesursachen (ohne Unfälle, Gewalttaten und Suizide) an 5. Stelle. Platz 1 nahm COVID-19 unter den Todesfällen durch Infektionen oder respiratorischen Erkrankungen ein.

Die Zahl der zumindest durch COVID-19 mitbedingten Fälle liege wahrscheinlich noch höher, da nur Fälle mit Covid-19 als eindeutiger Todesursache mitgerechnet wurden, so die Autoren. Auch Langzeitfolgen von Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen wurden nicht mitberücksichtigt.

Präklinische COVID-19-Therapie auch bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen wirksam

Bei einigen Patienten mit rheumatoiden Erkrankungen und mit Immunsuppression besteht möglicherweise immer noch ein Risiko für schwere COVID-19. Profitieren sie von einer ambulanten COVID-19-Behandlung? Das wollten Forscher wissen.

Sie haben eine retrospektive Kohortenstudie am Mass General Brigham Integrated Health Care System, Boston, aufgebaut und untersucht. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von mindestens 18 Jahren mit einer rheumatoiden Erkrankung und mit COVID-19

Zwischen 23. Januar und 30. Mai 2022 wurden 704 Patienten identifiziert (Durchschnittsalter 58,4 Jahre; 536 [76%] waren weiblich; 347 [49 %] hatten rheumatoide Arthritis). Insgesamt wurden 426 (61%) von 704 Patienten ambulant behandelt (307 [44%] mit Nirmatrelvir-Ritonavir, 105 [15%] mit monoklonalen Antikörpern, 5 [1%] mit Molnupiravir, 3 [< 1%] mit Remdesivir und 6 [1%] mit Kombinationen.

Unter 426 Patienten, die ambulant behandelt wurden, gab es 9 (2,1%) Krankenhausaufenthalte bzw. Todesfälle, verglichen mit 49 (17,6 %) unter 278 Patienten, die nicht ambulant behandelt wurden (bereinigte Odds Ratio [0,12; 95%-KI 0,05-0,25). Bei 25 (7,9 %) der 318 Patienten, die ambulant oral behandelt wurden, wurde ein COVID-19-Rebound dokumentiert.

„Die ambulante Behandlung war im Vergleich zu keiner ambulanten Behandlung mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit schwerer COVID-19-Erkrankungen verbunden, auch bei Rheuma“, so das Fazit. „Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer ambulanten SARS-CoV-2-Behandlung für Patienten mit systemischer autoimmuner rheumatischer Erkrankung und COVID-19 sowie den Bedarf an weiteren Untersuchungen zum COVID-19-Rebound.“

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