Nach mehreren Tuberkulose-Fällen in Chemnitz befürchten Gesundheitsämter, die Infektionsketten könnten bis in andere Bundesländer reichen. Derzeit werden 4 Patienten stationär behandelt, 2 von ihnen aufgrund einer offenen Tuberkulose. Besonders fatal: Unter ihnen sind auch 2 Schülerinnen einer Pflegefachschule mit Kontakt zu alten Menschen.
Symptome nicht ernst genommen?
Alles begann Mitte Dezember 2022. Ärzte diagnostizierten bei einer Pflegefachschülerin Tuberkulose. Sie hatte bereits einige Zeit an Husten unklarer Genese gelitten; nach mehreren Arztbesuchen stellte ein Pneumologe endlich die Diagnose. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits eine Mitbewohnerin aus dem Schwesternheim infiziert.
Laut Robert Koch-Institut (RKI) gehört therapieresistenter Husten mit oder ohne Auswurf zu den typischen Beschwerden der Tuberkulose. Manche Patienten leiden auch an wenig spezifische Symptomen wie Einschränkungen des Allgemeinbefindens, Appetitmangel, Gewichtsabnahme, leichtem Fieber, Schwitzen, Müdigkeit oder Schwäche.
Nachverfolgung der Kontakte
Auf das Gesundheitsamt Chemnitz kommt nach den Diagnosen viel Arbeit zu. Wie ein Sprecher sagt, seien bislang 150 Kontaktpersonen ermittelt worden. „Von diesen 150 Personen haben wir bislang 25 gefunden, die auch infiziert sind. Aus diesem Grund hat das Gesundheitsamt weitere Untersuchungen veranlasst“, sagt der Sprecher. Er rechne damit, dass die Untersuchungen noch einige Wochen in Anspruch nähmen. Derzeit sollen es laut Medien sogar 185 Kontaktpersonen sein.
Mitarbeiter des Gesundheitsamts prüfen auch Kontakte nach Hamburg und nach Augsburg. Wo sich die Indexpatientin infiziert hat, im Heim oder außerhalb, bleibt unklar. Vor Ort jedenfalls müssen Pflegekräfte, die mit beiden Schülerinnen Kontakt hatten, FFP-2-Masken tragen.
Sicherheitslücken im System
Die Infektionen zeigen, welche Schwäche das bestehende System hat: Ursprünglich war ein Tuberkulose-Screening für Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften verpflichtend vorgeschrieben. Bei einer der vielen Änderungen im Infektionsschutzgesetz während der COVID-19-Pandemie sind solche Regeln für Pflegeheime gestrichen worden. Und seit 2001, als das Bundesseuchenschutzgesetz auslief, müssen sich Angestellte nicht mehr auf Tuberkulose untersuchen lassen.
Infektionen sind keine Seltenheit
Der Bedarf an Screenings jedenfalls wäre da, wie Zahlen aus 2021 zeigen. Das RKI hat im Berichtszeitraum insgesamt 3.896 Tuberkulose-Fälle registriert, was einer Inzidenz von 4,7 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner entspricht.
Nach einem deutlichen Anstieg auf fast 6.000 Fälle in den Jahren 2015 und 2016 wurden 2017 und 2018 mit rund 5.500 Fällen wieder geringere Fallzahlen erfasst. In 2019 (4.811 Fälle) und 2020 (4.159 Fälle) war ein weiterer deutlicher Rückgang zu beobachten.
Die Inzidenz bei Männern war mit 6,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner fast doppelt so hoch wie bei Frauen (Inzidenz 3,3). Die höchsten Inzidenzen wurden unabhängig vom Geschlecht bei 20- bis 24-Jährigen (10,1) und 25- bis 29-Jährigen (10,3) erfasst.
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Credits:
Photographer: © Puwadol Jaturawutthichai
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Diesen Artikel so zitieren: Pflegefachschülerinnen haben sich mit Tuberkulose infiziert: Braucht Deutschland einen strengeren TBC-Infektionsschutz? - Medscape - 10. Feb 2023.
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