In einer monozentrischen Langzeitstudie führte die hybride Koronarrevaskularisation (HKR) bei Personen mit Mehrgefäßerkrankung zu „befriedigenden“ Ergebnissen im Vergleich zum Koronararterienbypass oder zur perkutanen Koronarintervention (PCI) [1].
Die HKR ist eine Kombination aus minimalinvasiver Koronararterienbypass-OP am Ramus interventricularis anterior (RIVA) und einer PCI für Läsionen außerhalb des RIVA. Sie hat sich bei ausgewählten Personen mit koronarer Mehrgefäßerkrankung als sicher und durchführbar erwiesen, schreiben Dr. Shengshou Hu vom State Key Laboratory of Cardiovascular Disease, Fuwai Hospital in Beijing und sein Team. In den meisten Studien gab es jedoch nur kleine Stichproben bei zugleich eher kurzer Nachbeobachtungszeit.
Um diese Lücke zu schließen, verglichen die Forschenden die Langzeitergebnisse von HKR, Bypass-OP und PCI in einer retrospektiven 10-Jahres-Analyse, die 1620 Patienten umfasste.
Danach kamen sie zu dem Ergebnis, dass die HKR in Bezug auf unerwünschte kardiale und zerebrovaskuläre Ereignisse (MACCE, major adverse cardiac and cerebrovascular events) und im Seattle Angina Questionnaire (SAQ) ähnlich gut abschnitt wie die Koronarchirurgie ohne Herz-Lungen-Maschine (OPCAB, off-pump coronary artery bypass) und besser als die PCI.
Die Studie wurde am 9. Januar in „JACC: Cardiovascular Interventions“ online publiziert
Revaskularisierungsrate unter HKR höher
In den 3 Gruppen mit jeweils 540 nach dem Propensity-Score-Verfahren ausgewählten Personen lag das Durchschnittsalter bei 61 Jahren. Etwa 83% waren männlich. Bei allen wurde zwischen 2007 und 2018 eine HKR, eine Bypass-OP oder eine PCI durchgeführt.
Alle Teilnehmenden wurden anhand des EuroSCORE II (European System for Cardiac Operative Risk Evaluation), der das individuelle Mortalitätsrisiko während einer kardiochirurgischen Eingriffes vorhersagen soll (niedrig < 0,9; mittel 0,9-1,4; hoch > 1,5), und des SYNTAX-Scores (Synergy Between Percutaneous Coronary Intervention With Taxus and Cardiac Surgery), der das Ausmaß des Koronarbefalls misst, stratifiziert (niedrig < 22; mittel 22-32; hoch > 33).
Um die störenden Auswirkungen der Lernkurve zu minimieren, wurden die Analysen auf die HKR-Eingriffe von 3 erfahrenen Operierenden beschränkt, wobei jeweils die ersten 10 Eingriffe ausgeschlossen wurden. Um eine Selektionsverzerrung zu vermeiden, wurden in der Bypass-Gruppe nur diejenigen berücksichtigt, die tatsächlich eine OPCAB erhalten hatten.
Die maßgeblichen Endpunkte waren die MACCE, die Gesamtmortalität und der funktionelle Status im Nachbeobachtungszeitraum. Die MACCE wurden als Kombination aus kardialer Sterblichkeit, Myokardinfarkt, Schlaganfall und erneut erforderlicher Revaskularisierung definiert.
In der OPCAB-Gruppe wurde in 533 Fällen (98,7%) der Bypass des RIVA mithilfe der linken A. mammaria interna (LIMA), in 3 Fällen (0,6 %) mithilfe der rechten A. mammaria interna und in 4 Fällen (0,7%) über eine endoskopische Entnahme der A. radialis bewerkstelligt. Darüber hinaus wurden 1011 Transplantate der V. saphena magna für einen Bypass zu einer anderen Arterie als dem RIVA genutzt.
In der HKR-Gruppe erhielten 539 (99,8%) Personen einen LIMA-RIVA-Bypass und eine Person (0,2%) einen Bypass des RIVA über die rechte innere Brustwandarterie. Alle Personen erhielten an anderen betroffenen Koronargefäßen Stents.
Bei einer Nachbeobachtungszeit von 8 Jahren lagen die Abschlussraten bei 95,7% für HKR, bei 96,9% für den OPCAB und bei 96,5% für die PCI.
Die HKR schnitt ähnlich gut ab wie die OPCAB, übertraf aber die PCI in Bezug auf MACCE und SAQ deutlich. In den Tertilen mit niedrigem bis mittlerem EuroSCORE II und mittlerem bis hohem SYNTAX-Score waren die MACCE-Raten in der HKR-Gruppe signifikant niedriger als in der PCI-Gruppe (EuroSCORE II: niedrig, 30,7% vs. 41,2%; mittel, 31,3% vs. 41,7%; SYNTAX-Score: mittel, 27,6% vs. 41,2%; hoch, 32,4% vs. 52,7%).
Im hohen EuroSCORE-II-Bereich wies die HKR eine niedrigere MACCE-Rate auf als die OPCAB (31,9% vs. 47,0%) und die PCI (31,9% vs. 53,7%).
Die kumulative 10-Jahres-MACCE-Rate nach HKR war ähnlich hoch wie nach OPCAB (28,7% vs. 23,9 %) und deutlich niedriger als nach PCI (28,7% vs. 45,3%).
Bei der kumulativen Gesamtmortalität gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der HKR-, der OPCAB- und der PCI-Gruppe (12,7% bzw. 9,7% bzw. 15,6%).
Die HKR-Gruppe schnitt bei den SAQ-Scores ähnlich ab wie die OPCAB-Gruppe, erzielte jedoch in allen Bereichen (körperliche Einschränkung, Angina-Stabilität, Angina-Häufigkeit, Behandlungszufriedenheit und Lebensqualität) signifikant höhere Werte als die PCI-Gruppe.
Bei Personen mit einer HKR lag die Inzidenz kardialer Rehospitalisierungen jedoch höher als bei denjenigen, die sich einer OPCAB unterzogen (28,5% vs. 19,7%), aber niedriger als nach PCI (28,5% vs. 50,5%).
„Es fällt auf, dass der restliche SYNTAX-Score, bei dem hohe Punkte auf eine unvollständige Revaskularisierung hinweisen, in der HKR-Gruppe höher ausfiel als in der OPCAB-Gruppe. Zudem hatten Personen nach einer HKR gegenüber der OPCAB-Gruppe eine signifikant höhere Rehospitalisierungsrate, die hauptsächlich auf neuerliche Revaskularisierungen zurückzuführen war“, schreiben die Forschenden. „Dieser deutliche Anstieg sollte nicht ignoriert werden.“
Herzzentren schlecht für HKR gerüstet
Dr. Wayne B. Batchelor, Vorsitzender der Interventionellen Kardiologie des American College of Cardiology und der Inova Medical Group in Fairfax, Virginia, kommentierte die Studie für Medscape.
„Zentren, die HKR durchgeführt haben, konnten zeigen, dass es möglich, machbar, ziemlich sicher und effektiv ist“ sagte er. „Das Problem ist nur, dass die meisten Zentren dafür nicht über die nötige Fachkompetenz verfügen. Sie verfügen nicht über die Protokolle und über kein Hybridlabor. Man muss in der Lage sein, die Abläufe so zu koordinieren, dass eine Person operiert wird und im Idealfall noch am selben Tag eine PCI bekommt. Dies zu organisieren und von der Logistik her zu planen, ist schwierig.“
Die Kombination aus fehlenden prospektiven Studien und Durchführbarkeitsproblemen hat diese Technik in den USA, wo nur etwa 0,5% der Eingriffe als Hybridverfahren durchgeführt werden, ausgebremst, sagte er, und weiter: „Obwohl die Studie einen 10-Jahres-Zeitraum abdeckt, handelt es sich doch um eine retrospektive und nicht randomisierte Studie aus einem einzigen Zentrum in China. Betrachtet man die Gesamtzahl der Hybrideingriffe während des Studienzeitraums, macht diese nicht einmal 1% der aller Eingriffe aus. Es handelt sich also um eine äußerst selektive Gruppe.“
Insgesamt, meint Batchelor, sei die Studie „ein Denkanstoß. Sie regt zum Nachdenken darüber an, ob eine ordnungsgemäß durchgeführte prospektive randomisierte Studie sinnvoll sein könnte. In der Vergangenheit war ein solches Unterfangen wegen der schwierigen Rekrutierung kaum umsetzbar und, um die klinischen Endpunkte zu erreichen, bräuchte man eine ausreichend große Studie. Es könnte also zu lange dauern und einfach nicht machbar sein.“
Dr. Mateusz Tajstra vom Silesian Center for Heart Diseases im polnischen Zabrze und sein Team schreiben in einem begleitenden Editorial[2]: „Alle kardiologischen Fachkräfte sollten sich zusammenschließen und dem Beispiel etwa der Onkologen folgen, die gezeigt haben, dass verschiedene Unterdisziplinen zusammenarbeiten und alle Hindernisse aus dem Weg räumen können, um gemeinsam das Ziel einer optimierten Behandlung zu verfolgen.“
Und sie enden mit diesem Statement: „Angesichts der Daten, die einen Schatten auf die Bedeutung der Revaskularisierung im Allgemeinen werfen, wird es jetzt besonders wichtig, die HKR durch weitere Erforschung zu unterstützen, um zu zeigen, dass diese Methode nicht zu einem Nischendasein für eine geringe Personenzahl und eine Handvoll medizinischer Enthusiasten verdammt ist.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Megaflopp
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: 10-Jahres-Analyse zeigt: Hybride Koronarrevaskularisation ist durchführbar und sicher - Medscape - 10. Feb 2023.
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