Eine prospektive Studie aus den USA zeigt eine Assoziation zwischen einer Reihe von B-Vitaminen und dem Risiko, ein metabolisches Syndrom zu entwickeln. Die Autoren ziehen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass eine ausreichende Versorgung mit Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 der Prävention des metabolischen Syndroms dienen könnte. Doch ein deutscher Experte warnt vor genau solchen „voreiligen“ Schlüssen.
„Die Studie lief über einen langen Zeitraum, ist prospektiv und zeigte eine starke Assoziation zwischen der Aufnahme und auch dem Serumspiegel dieser B-Vitamine und der Entwicklung eines metabolischen Syndroms. Dennoch kann man aus diesen Daten nicht ablesen, dass Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 – aus der Ernährung oder aus Supplementen – vor dem metabolischen Syndrom schützen“, betont Hon.-Prof. Dr. Martin Merkel, Sprecher der Sektion Diabetes, Adipositas und Stoffwechsel der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, im Gespräch mit Medscape.
Nachbeobachtung über bis zu 30 Jahre
Erstautor Dr. Jie Zhu von der School of Family and Consumer Sciences an der Texas State University in San Marcos, USA, und seine Kollegen untersuchten Daten aus der prospektiven Coronary Artery Risk Development in Young Adults (CARDIA)-Studie. In diese wurden zwischen 1985 und 1986 insgesamt 4.414 weiße und schwarze Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren aufgenommen und bis 2015/2016 nachbeobachtet. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Autoren in JAMA Network Open [1].
Die CARDIA-Studie umfasste Ernährungserhebungen zu mehreren Zeitpunkten sowie Messungen der Serumkonzentrationen an Folat (Vitamin B9), Vitamin B6 und Vitamin B12 in einer Untergruppe von 1.430 Teilnehmenden. Erkrankungen am metabolischen Syndrom wurden anhand von klinischen und Laborparametern abgesichert.
Zu Studienbeginn waren die Teilnehmenden im Schnitt 24,9 Jahre alt. Über den bis zu 30-jährigen Nachbeobachtungszeitraum entwickelten 1.240 von ihnen ein metabolisches Syndrom.
Hohe Aufnahme an B-Vitaminen mit allgemein gesünderer Lebensweise assoziiert
Die Studienteilnehmenden mit höherer Aufnahme von Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 waren im Schnitt älter, häufiger Frauen und weiß. Sie hatten außerdem einen höheren Bildungsstand, hatten häufiger nie geraucht, tranken weniger Alkohol, bewegten sich mehr, nahmen weniger Kalorien zu sich und wiesen insgesamt eine gesündere Ernährungsweise auf. In dieser Gruppe hatten die Teilnehmenden darüber hinaus einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI), einen niedrigeren systolischen Blutdruck, eine schmalere Taille, niedrigere Blutfettwerte und seltener Diabeteserkrankungen in der Familie.
Um all diese potenziellen Einflussfaktoren gerecht zu werden, adjustierten die Autoren um Zhu ihre Daten in einer multivariaten Analyse. Diese ergab schließlich:
Diejenigen, die über die Ernährung am meisten Folat aufnahmen – das oberste Quintil – entwickelten um 61% seltener ein metabolisches Syndrom als diejenigen in der Gruppe mit der geringsten Aufnahme (unterstes Quintil).
Beim Vitamin B6 war die höchste Aufnahme mit einem um 39% geringeren Risiko assoziiert, und
beim Vitamin B12 war es eine Risikoreduktion um 26%.
Starke inverse Assoziationen bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen
Die Daten zu den Serumkonzentrationen an Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 bestätigten die inversen Assoziationen: Bei den Studienteilnehmenden mit den höchsten Folat-Werten im Blut war das Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms um 77% reduziert. Bei Vitamin B6 belief sich die Risikoreduktion auf 52% und bei Vitamin B12 auf 30%.
Die inversen Assoziationen zwischen der Aufnahme der 3 B-Vitamine und der Inzidenz des metabolischen Syndroms hätten auch bei Stratifizierung nach Alter, Geschlecht, Ethnizität und der Einnahme von Vitaminpräparaten persistiert, berichten die Autoren um Zhu. „Auch die konsistenten Ergebnisse für die Aufnahme und die Serumkonzentrationen dieser B-Vitamine sprechen für die Robustheit der Ergebnisse“, ergänzen sie.
Kein Beweis für einen kausalen Zusammenhang
Dennoch handele es sich um eine Beobachtungsstudie, und der Einfluss von Störfaktoren könne – auch durch eine multivariate Analyse – nicht vollständig ausgeschlossen werden. „Diese Studie kann keinen kausalen Zusammenhang zwischen Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 und dem metabolischen Syndrom herstellen“, stellen sie klar.
„Aus anderen, großen Beobachtungsstudien Studien, etwa der Nurses‘ Health Study (NHS), wissen wir – und das bestätigt auch diese Studie wieder –, dass Menschen, die in einem Lebensstilfaktor gesundheitsbewusster sind, meist auch ansonsten gesünder leben – gesünder essen, sich mehr bewegen, weniger rauchen, öfter Vitamine nehmen“, berichtet Merkel, der in Hamburg als Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie tätig ist.
Grünkohl und Spinat enthalten viele B-Vitamine – aber nicht nur
Auch Zhu und seine Kollegen räumen ein: „Folat-reiche Lebensmittel wie grünes Blattgemüse, Obst und Hülsenfrüchte enthalten auch noch andere gesundheitsförderliche Nährstoffe und Verbindungen, die die beobachtete inverse Assoziation zunichtemachen könnten.“
Da aber die Ergebnisse aus den Ernährungserhebungen und den Messungen im Serum übereinstimmten und auch in Subgruppenanalysen erhalten blieben, kommen sie dennoch zu folgendem Fazit: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass zur Prävention eines metabolischen Syndroms eine adäquate Aufnahme von Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 empfohlen werden sollte.“
Experte rät von vorschneller Supplementierung ab
Merkel betont, dass er keinem seiner Patientinnen und Patienten zur Einnahme von Folat, Vitamin B6 und Vitamin B12 raten würde, um einem metabolischen Syndrom vorzubeugen: „Dass es tatsächlich diese B-Vitamine sind, die die Entstehung eines metabolischen Syndroms verhindern, könnte nur eine interventionelle Studie zeigen.“
„Aber selbst wenn ein kausaler Zusammenhang bewiesen würde, heißt das noch lange nicht, dass eine Supplementierung das Risiko für das metabolische Syndrom senken würde“, ergänzt er. Das hätten interventionelle Studien zu Supplementen, die vor bestimmten Erkrankungen schützen sollten, immer wieder bewiesen.
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Diesen Artikel so zitieren: Folat, B6- und B12- Vitamine als Schutz vor metabolischem Syndrom – supplementieren? US-Studie findet Assoziation für Risiko - Medscape - 9. Feb 2023.
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