Medizinische Versorgungszentren in Investorenhand, darin steckt Sprengstoff. Die Diskussion, ob und – wenn ja – wie sozial, zivil- und verfassungsrechtlich eine Einschränkung der Praxisabgabe an Finanzinvestoren möglich ist, wird den Abgebermarkt 2023 prägen. Denn die Diskussion ist Bewegung geraten.
Hans-Joachim A. Schade , Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator von der Rechtsanwaltskanzlei Broglie, Schade & Partner GbR, fasst die Forderungen verschiedener Verbände zusammen und erklärt, was eine Reform für abgabewillige Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber bedeuten könnte.

Hans-Joachim A. Schade
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hatte jüngst eine Reform in Aussicht gestellt ( Medscape berichtete). Und die Bundesärztekammer legte Mitte Januar ein Konzeptpapier vor, wie der Einfluss von Finanzinvestoren in die ambulante Gesundheitsversorgung eingedämmt werden könnte.
Fraglich ist, ob es Einschränkungen, wie es sie bereits im Zahnarztbereich gibt, kommen könnten. Und über all dem schwebt die Frage, was rechtlich überhaupt umsetzbar ist. Eins ist dabei klar: Die intensive Diskussion von Einzelheiten wird neue Versorgungsmodelle anstoßen, wie beispielsweise die regionale Versorgung durch Ärzte-Genossenschaften, die Medizinische Versorgungszentren (MVZ) betreiben.
Finanzinvestoren gefährlich und deshalb auszuschließen?
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) formuliert in ihrem jüngsten Jahresbericht, Investoren-getriebene MVZ seien daran zu erkennen , dass erzielte Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet und damit keine Investition in moderne Ausstattung und angemessene gute Bezahlung des Personals erfolgten.
Doch wie sind dann Investoren von MVZ zu bewerten, die 10% höhere Honorare zahlen als marktüblich? Was ist mit Finanzinvestoren, die ihre Gewinne nicht ausschütten, sondern in technische modernste Ausstattung reinvestieren? Wenn man diese vagen Kriterien der KVBW anwendet, könnte die Gefahr für die Versorgung eher bei investitionsarmen kommunalen und gemeinnützigen unterfinanzierten Trägern liegen.
Patient erhebt AufkläruLassen sich Investor-betriebene MVZ verbieten?ngsrüge
In einem Interview in der Reihe KBV Klartext argumentiert Prof. Dr. Ulrich Wenner aus verfassungsrechtlicher Sicht zur Frage, ob sich Investor-betriebene MVZ verbieten lassen. Verfassungsrechtlich geboten sei die Gleichbehandlung von Krankenhäusern und MVZ. Dabei dürfen und müssen Finanzinvestoren zugelassene Krankenhäuser betreiben, um überhaupt im ambulanten Sektor MVZ betreiben zu können.
Aktuell liegt der Marktanteil privater Investoren bei 40%, bei MVZ sind es 10 bis 12%. Der hohe Marktanteil entstand, weil es Kommunen, Landkreise, Länder und auch Kirchen und Wohlfahrtsverbände nicht schafften, rentable Organisationsmodelle für MVZ zu entwickeln.
Es ist davon auszugehen, dass eine Mehrzahl der Finanzinvestoren jedoch langfristige Geschäftsinteressen hat, um für Pensionsfonds, Stiftungen oder Familienvermögen stabile Anlagemodelle zu entwickeln. Einige Beispiele unterstreichen diesen Gedanken:
Hinter Helios/Fresenius steht die Else Kröner-Fresenius-Stiftung als eine der größten Stiftungen Deutschlands im medizinischen Forschungsbereich.
Die Asklepios-Broermann-Gruppe investiert in moderne Ausstattung ihrer Krankenhäuser und schüttet keine Gewinne aus.
Die Sana Kliniken AG hat das Geld der privaten Krankenversicherer (24 Unternehmen der privaten Krankenversicherung sind die Aktionäre) langfristig anzulegen, um Arztrechnungen der Privatpatienten bezahlen zu können.
Die Paracelsus Kliniken gehören einem deutschen Familien-Unternehmer mit Sitz in der Schweiz.
Krankenhäuser nur auf räumlichen Einzugsbereich beschränken?
Oft wird argumentiert, es sei sinnvoll, die MVZ-Gründung von Krankenhäusern, die Finanzinvestoren gehören, auf den räumlichen Einzugsbereich des Krankenhauses zu beschränken. Doch was ist die Begründung? Und hält die Maßnahme dem Realitätscheck stand?
Die großen privaten Eigentümer von Krankenhäusern wie beispielsweise Helios/Fresenius haben für die bestehenden MVZ Bestandsschutz. Setzte man den Vorschlag also um, würden Monopole entstehen, weil diese Krankenhäuser an vielen Standorten vertreten sind und noch nicht für alle Abteilungen ambulante MVZ im räumlichen Einzugsbereich haben. Folglich würde mit einer räumlichen Beschränkung genau das Gegenteil dessen eintreten, was gewünscht zu sein scheint.
Bundesärztekammer will fachübergreifende MVZ
Mitte Januar hatte sich die Bundesärztekammer mit dem o.g. Papier positioniert. Darin spricht sich die Standesvertretung dafür aus, ausschließlich fachübergreifende MVZ zuzulassen. Darüber hinaus fordert sie:
eine bessere Transparenz, um nachvollziehen zu können, wem das MVZ gehört,
die grundsätzliche Begrenzung von Marktanteilen,
mehr Möglichkeiten, um Versorgungsaufträge zu überprüfen, sowie
die Einhaltung des Berufsrechts.
Kritik gab es an der Forderung der ausschließlich fachübergreifenden MVZ. Denn gerade im Hausarztbereich sei es kaum möglich, eine Versorgung ohne fachgleiche MVZ zu ermöglichen, so der Verband Medi Baden-Württemberg.
Auch die Forderung nach einem räumlichen Bezug sieht Medi kritisch. Eine vorgeschriebene örtliche Nähe zu den MVZ-Gründerinnen und -Gründern sei nicht zielführend. „Wenn ein in ärztlicher Hand geführtes MVZ Konzepte für eine überregionale Versorgungskette entwickeln möchte, muss das erlaubt sein. Regionalität ist hier kein Qualitätskriterium“, fordert Medi-Vizechef Dr. Norbert Smetak. Eine Ausdehnung innerhalb des eigenen Bundeslands mit den angrenzenden Randgebieten anderer Bundesländer sollte mindestens möglich sein.
Dieser Artikel ist im Original am 23. Januar 2023 erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: MVZ als Goldesel für Investoren – bald verboten? Was Verbände fordern und ein Fachanwalt zu den geplanten Reformen sagt - Medscape - 8. Feb 2023.
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