Der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin Dr. Horst Gross schlug neben seinem ärztlichen Beruf die Tätigkeit als freier Autor ein. Was ihn dazu bewog, für wen eine solche Tätigkeit geeignet ist und an welchen Auftrag er sich am liebsten zurückerinnert, erzählt er im Interview mit Coliquio.

Dr. Horst Gross
Coliquio: Wie sieht Ihr bisheriger beruflicher Werdegang aus?
Gross: Meine Studienlaufbahn begann mit dem Grundstudium Publizistik an der FU Berlin, dann Medizinstudium ebenfalls in Berlin. Über 30 Jahre habe ich vorwiegend im Bereich der Notfall- und Intensivmedizin gearbeitet – in 2 Berliner Innenstadtkrankenhäusern, in denen ordentlich etwas los war. Das sind bleibende Erfahrungen. Schließlich der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. Und nun die Rente.
Coliquio: Was hat Sie dazu bewogen, neben Ihrem ärztlichen Beruf auch noch als freier Autor tätig zu werden?
Gross: In der Zwischenzeit hatte ich mich wieder an mein Studium der Publizistik erinnert und die ärztliche Tätigkeit auf eine halbe Stelle reduziert. Da das Internet gerade aufkam und es einen großen Bedarf an schreibenden Ärzten gab, wurde daraus schließlich eine richtige Nebentätigkeit. Hinzu kamen zahlreiche Beiträge für den Hörfunk (Südwestrundfunk und Deutschlandfunk). Das Radio ist mein Lieblingsmedium.
Auf der Basis einer soliden klinischen Tätigkeit zu schreiben, finde ich spannend. Man kann sein eigenes klinisches Handeln reflektieren. Und man kann andere daran teilhaben lassen. Allerdings musste ich mir das Handwerkszeug für Print- und Radiobeiträge selbst aneignen.
Coliquio: Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag als freier Autor aus?
Gross: Der Alltag als freier Autor ist sehr unterschiedlich und umfasst sowohl das Recherchieren von Themen als auch längere Reisen für Kongressberichterstattung bzw. Interviews. Im Grunde besteht die Arbeit jedoch hauptsächlich aus Recherchieren und Schreiben am Computer. Es empfiehlt sich also unbedingt, sich einen rückenfreundlichen Bürostuhl anzuschaffen.
Coliquio: Gibt es etwas, das Sie an der Arbeit als freier Autor gerne verbessern würden?
Gross: Einer der Vorteile des freiberuflichen Schreibens ist die flexible Zeiteinteilung, aber es kann schwierig sein, sich selbst zu disziplinieren und Ablenkungen zu widerstehen. Ich habe mir vorgenommen, zu Zeiten, an denen ich arbeite, einfach nicht online zu gehen. Keine Mails, keine Nachrichten, keine Kochrezepte! Aber dazu reicht meine Willenskraft meist doch nicht aus.
Eine große Hilfe wäre es, wenn die Deutsche Bahn pünktlicher wäre, denn Bahnfahren ist immer ein unkalkulierbares Zeitrisiko. Aber ich befürchte, dieser Traum wird wohl nicht mehr in Erfüllung gehen.
Coliquio: Wie schaffen Sie es, Ihre ärztliche Tätigkeit mit der eines freien Autors zu vereinbaren?
Gross: Offen gesagt halte ich nichts von solchen Dingen wie Zeitmanagement und systematischer Strukturierung des Arbeitsprozesses. Auf Kommando fällt einem ohnehin nichts Vernünftiges ein. Bei mir funktioniert das nur unter Zeitdruck. Kurz vor dem Abgabetermin kommt man dann plötzlich wie von Geisterhand in den Flow und wundert sich, dass es doch noch klappt.
Coliquio: Zu welchen Ärztinnen und Ärzten passt der Beruf eines freien Autors oder einer freien Autorin?
Gross: Die Fähigkeit, antizipierend zu denken, ist die Grundvoraussetzung fürs Schreiben. Man muss sich in die Lage des potenziellen Lesers/Zuhörers versetzen können und Sachverhalte entsprechend darstellen können. Sehr hilfreich ist auch das Talent, scheinbar komplizierte Sachverhalte auf den Punkt zu bringen.
Ohne Spaß am Schreiben geht es natürlich auch nicht. Die Freude über eine gelungene Formulierung gehört dazu. Chronische Angst vor dem leeren Blatt ist dagegen keine gute Voraussetzung. Wer sich zum Schreiben zwingen muss, ist sicher nicht der richtige Kandidat.
Coliquio: Wie ist das finanzielle Einkommen als freier Autor?
Gross: Auch hier eine ehrliche Antwort: Finanziell sieht es im Bereich der Medizinpublizistik eher dürftig aus. Die Honorare im Printbereich sind meist bescheiden. Der Hörfunk zahlt etwas besser. Allerdings rutscht man durch die Kliniktätigkeit automatisch in die höchste Steuerklasse. Da hilft nur ein guter Steuerberater.
Insgesamt muss man aber feststellen, dass es deutlich lukrativere Paralleltätigkeiten gibt. Es sei denn, man verkauft seine Seele an die PR-Abteilung einer Pharmafirma oder gehört zu den Glücklichen, die im öffentlich-rechtlichen Bereich eine Stelle als fester Freelancer finden. Aber Hirschhausen gibt’s ja schon.
Coliquio: Welchen Vorteil hat die Arbeit als freier Autor im Vergleich zu anderen potenziellen Nebentätigkeiten für Ärztinnen und Ärzte?
Gross: Die journalistische Nebentätigkeit ist nur dann sinnvoll, wenn sie Spaß macht. Ein Teil der Bezahlung ist sozusagen der Erkenntnisgewinn, der beim Schreiben mit abfällt. Finanziell ist es sicher lukrativer, sich als Honorararzt etc. zu engagieren.
Coliquio: Gibt es einen Beitrag, an den Sie sich besonders gerne erinnern?
Gross: Das spannendste journalistische Projekt war für mich bisher ein Radiofeature für den Deutschlandfunk. Da ging es um Jugendliche, die Cannabis-abhängig sind, und wie die Eltern damit umgehen. Die Betroffenen dazu zu bringen, im Radio offen über diese doch sehr intimen Probleme zu sprechen, war wirklich harte Arbeit.
Aber es hat sich mehr als gelohnt. Die Resonanz auf den Beitrag war enorm. Ich bin mir sicher, dass einige Eltern durch diesen Beitrag erkannt haben, was sie in dieser tragischen Situation bisher falsch gemacht haben. So was macht dann echt Spaß.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
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Diesen Artikel so zitieren: Arzt und freier Journalist: Für wen diese Job-Kombination ideal sein könnte – und für wen nicht - Medscape - 7. Feb 2023.
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