Versteckte Entzündungen in Organen und Bindegewebe: IgG4-Antkörper auf Abwegen – so therapieren Sie und erkennen Warnhinweise

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

6. Februar 2023

Eigentlich hat Immunglobulin G4 (IgG4) die Aufgabe Viren oder Bakterien zu bekämpfen. Manchmal aber richtet es sich gegen den eigenen Körper. „Dann kommt es zu Entzündungen, die die Selbstheilungskräfte nicht mehr unter Kontrolle haben“, erklärte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Auf der Jahrespressekonferenz DGIM erläuterte Müller-Ladner, der Direktor der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim ist, wie IgG4 Entzündungen im ganzen Körper auslöst und welche Therapiemöglichkeiten bestehen [1].

Eine Erkrankung, verschiedene Erscheinungsformen

IgG4-assoziierte Entzündungen können ein oder mehrere Organe oder das umliegende Bindegewebe betreffen und dort Fibrosen verursachen, bei denen das Organ nach und nach seine Funktion verliert und schließlich komplett in vernarbendes Bindegewebe umgewandelt wird.

„Bei IgG4-assoziierten Entzündungen haben diese Fibrosen feingeweblich eine Struktur, nur sind nicht alle betroffenen Organe einer Probenentnahme zugänglich“, so der Internist und Rheumatologe. Leber, Gallenwege, Gefäße, Haut, Augen oder auch das ZNS – in nahezu jedem Organsystem kann es zu solchen Entzündungsreaktionen kommen.

Wahrscheinlich gibt es IgG4-assoziierte Erkrankungen schon sehr lange, aber erst seit 10 Jahren rückt mehr und mehr ins Bewusstsein, dass es sich – trotz verschiedener Manifestationen – „um ein und dieselbe Krankheit handelt“, erklärte Müller-Ladner.

Erst in den letzten Jahren wurden die IgG4-assoziierten, chronisch-entzündlich fibrosierenden Erkrankungen zu einer gemeinsamen Entität zusammengefasst. Pathophysiologisch wirken B-Lymphozyten, IgG4-positive Plasmazellen, follikuläre T-Helferzellen, zytotoxische CD4-positiven T-Zellen und Makrophagen zusammen und stimulieren eine Entzündungsreaktion, die dann Fibroblasten zur überschießenden Synthese von Bindegewebe anregen.

Achtung bei unerklärbaren Entzündungen mit Bindegewebsvermehrung

Schätzungen gehen davon aus, dass einer von 100.000 Menschen an der Krankheit leidet, wobei die Dunkelziffer der (noch) nicht korrekt kategorisierten Patienten sicher deutlich höher liegen dürfte.

Die Herausforderung für die Diagnostik liegt darin, dass IgG4-assoziierte Entzündungen in nahezu jedem Organ des Körpers auftreten und je nach betroffenem Organ unterschiedliche Symptome hervorrufen können.

Als Merksatz formulierte Müller-Ladner: „Alle Entzündungsvorgänge, die unerklärt sind, und alle Fehlfunktionen von Organen, vor allem wenn diese mit einer Bindegewebsvermehrung einhergehen, können eine IgG4-assoziierte Erkrankung sein. Das Drandenken ist der Schlüssel zur Genesung.“

Meist schreitet die Entzündung über viele Jahre fort und Erkrankte entwickeln erst spät im Krankheitsverlauf Symptome; hochakute Verläufe sind aber ebenfalls möglich.

Klassische Symptome wie Fieber sind bei der schwelenden Entzündungsreaktion eher untypisch und gemäß den Klassifikationskriterien der rheumatologischen Fachgesellschaften sogar ein Ausschlusskriterium – auch differenzialdiagnostisch gegenüber den ebenfalls überall im Organismus auftretenden Vaskulitiden.

Histologie als Schlüssel zu Diagnose

Nicht immer reichen der IgG4- Spiegel im Blut und die Bildgebung zur Absicherung der Diagnose aus. Dann ist die Histologie häufig der entscheidende Schlüssel zur definitiven Diagnose. Dominante Organe bei den IgG4-assoziierten Erkrankungen sind Pankreas, Leber, Gallenblase und Intestinum, das Retroperitoneum, die großen Gefäße, die Nieren, Herz und Gehirn sowie Speichel- und Tränendrüsen sowie natürlich alle Bindegewebsräume des Körpers.

An der Niere zeigen sich z.B. vorwiegend Entzündungen des Bindegewebes und Raumforderungen. „Bei einem Befall der Bauchspeicheldrüse können die Anzeichen von einer diffusen Schwellung bis hin zur Entwicklung eines Diabetes mellitus reichen. Bei einem Befall der Hauptschlagader dagegen macht sich die Entzündung durch eine Verdickung der Gefäßwände, Aneurysmen und den entsprechenden Durchblutungsstörungen bemerkbar“, erklärte Müller-Ladner.

Die lange Zeit bis zur Diagnose führe häufig dazu, dass mehr als 50% der Patienten zum Diagnosezeitpunkt bereits irreversible Organschädigungen aufwiesen, berichtete Müller-Ladner.

Glukokortikoide zur Soforttherapie und langfristig Immunsuppressiva

Deshalb kann die Erkrankung trotz therapeutischen Eingreifens auch in jüngeren Jahren tödlich verlaufen, erinnerte Müller-Ladner. Therapeutisch sind derzeit Glukokortikoide das Mittel der Wahl. Die Dosis liegt dabei bei mehr als 0,5 mg/Prednisolonäquivalent pro kg Körpergewicht. „Das führt meist zu einer raschen Besserung der Entzündung. Anschließend werden alle Organe gründlich diagnostiziert, um die Schwere der Erkrankung abzuschätzen und weitere Behandlungsschritte zu planen.“

Langfristig kommen wie bei vielen anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen bewährte Immunsuppressiva wie Azathioprin, Mycophenolat, Leflunomid und Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Cyclophosphamid oder Ciclosporin werden wegen ihrer Nebenwirkungen seltener eingesetzt.

Aufgrund der B-Zelldominanz stellt aktuell die B-Zell-depletierende Therapie mit Rituximab eine sehr effektive, aber aufgrund des (noch) fehlenden Labels zu beantragende Therapieoption dar. „Spricht der Organismus gut auf die Medikamente an, lässt sich die Organfunktion oft wiederherstellen“, sagte Müller-Ladner.

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Kommentar

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