Wenn ein Ehepartner die Diagnose einer Krebserkrankung erhält, erhöht sich für den anderen das Risiko von psychischen Störungen. Über 8 Jahre hinweg nahmen psychiatrische Erstdiagnosen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe um 14% zu, im 1. Jahr sogar um 30%. Das hat eine neue Studie ergeben [1].
Offene Fragen zur psychischen Belastung von Angehörigen
Zum Hintergrund: Einiges deutet darauf hin, dass die Prävalenz psychischer Störungen unter Ehepartnern von Krebspatienten erhöht sein könnte. Allerdings waren die bisherigen Studien zu diesem Thema limitiert durch retrospektive Analysen, die Fokussierung auf einzelne Krankheiten und kurze Nachverfolgungszeiten.
Neue Erkenntnisse liefert jetzt eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit 546.321 Partnern von Krebspatienten aus Dänemark (Erstdiagnose 1986 bis 2016) und aus Schweden (Erstdiagnose 1973 bis 2014). Die Angehörigen wurden in Dänemark als gesetzlich registrierte, heterosexuelle Partner definiert. In Schweden waren es Personen, die mit dem Krebspatienten ein gemeinsames Kind hatten.
Ihnen wurden jeweils 5 Personen mit nichterkrankten Partnern, aber ähnlichen Merkmalen (n = 2.731.574), als Kontrollen gegenübergestellt.
Die exponierten Studienteilnehmer waren zu 54% weiblich, median 60 Jahre alt, und wurden median etwa 8 Jahre lang nachverfolgt. Die psychiatrischen Diagnosen wurden erfasst anhand von Klinikaufzeichnungen sowohl für ambulante als auch stationäre Patienten.
Signifikant häufiger psychische Folgen für Partner
Die Inzidenzraten je 1.000 Personenjahren für psychiatrische Ersterkrankungen betrugen in der exponierten Gruppe 6,8 und in der Kontrollgruppe 5,9. Das Risiko einer psychiatrischen Erstdiagnose erhöhte sich im 1. Jahr nach Feststellung der Krebserkrankung beim gesunden Partner um 30%. Das adjustierte Chancenverhältnis (aHR) betrug 1,30 bei einem 95%-Konfidenzintervall von 1,25 bis 1,34.
Am stärksten erhöht war das Risiko für Depressionen (aHR 1,38; 95%-KI 1,30 bis 1,47) und Stress-verwandte Störungen (aHR 2,04; 95%-KI 1,88 bis 2,22). Über die gesamte Nachverfolgungszeit nahm das Risiko um 14% zu, und zwar in ähnlicher Weise für Substanzmissbrauch, Depression und Stressstörungen.
Besonders ausgeprägt war das Risiko auch bei Krebserkrankungen mit schlechter Prognose (z.B. Pankreaskarzinom: aHR 12,41), in fortgeschrittenem Stadium (aHR 1,31), oder, falls der Patient während des Follow-ups starb (aHR 1,29).
Partner im ärztlichen Alltag mit überwachen
Die Studie bestätigt die naheliegende Vermutung, dass bei einer Krebserkrankung der Partner ein erhöhtes Risiko hat, eine psychiatrische Störung zu entwickeln.
Mit 6,9% versus 5,6% war der Unterschied während der 8-jährigen Nachverfolgungszeit moderat. Dennoch legen die Autoren nahe, dass die Partner in die Überwachung und Beratung der Krebspatienten mit einbezogen werden sollten.
Der Artikel ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Forscher raten: Bei neuen Krebsdiagnosen auch an die psychische Belastung des Partners denken - Medscape - 28. Feb 2023.
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