Influenza-Saison 2021/22: Extrem viele US-Amerikaner infizieren sich im eigenen Haushalt. Woran könnte das liegen? 

Nicola Siegmund-Schultze

Interessenkonflikte

3. Februar 2023

Weltweit befanden sich im Winter 2021/22 die Influenzainfektionszahlen auf einem historisch niedrigen Stand, auch in den USA und in Deutschland. Zugleich aber infizierten sich in den USA deutlich häufiger Menschen, mit Grippekranken zusammenlebten, als in den Jahren zuvor. 50% aller Haushaltsmitglieder einer grippekranken Person steckten sich an, in den Jahren vor der Coronapandemie waren es nur 20,1%, Das geht aus einer neuen Studie hervor [1]

Gründe könnten genetische Variationen der Virusantigene sein, die immer wieder zu saisonalen Schwankungen führen. Auch pandemiespezifische Veränderungen könnten zu einer sinkenden Immunität gegenüber Influenza geführt haben. Wissenschaftler rechne mit Folgen für künftige Pandemien. 

Daten aus Deutschland und aus den USA

Zum Hintergrund: Saisonale Influenzawellen verursachen in Deutschland jährlich 1 bis 7 Millionen zusätzlicher Arztkontakte, in Jahren mit starken Grippewellen auch deutlich mehr. Details veröffentlicht das Robert Koch-Institut, Berlin, in regelmäßigen Abständen. 

Die Grippesaisons 2020/21 und 2021/22 waren in Deutschland ebenso wie in vielen anderen Ländern, etwa in den USA, Ausnahmen. Durch Schutzmaßnahmen während der SARS-CoV-2-Pandemie gab es keine Grippewellen im herkömmlichen Sinne. Eigentlich beginnt die Grippesaison auf der Nordhalbkugel ab der 40. Kalenderwoche und dauert bis zum Frühjahr des kommenden Jahres an. 

Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wollten wissen, ob sich das Risiko für Influenza-Infektionen innerhalb von Lebensgemeinschaften zwischen der Saison 2021/22 und früheren Jahren unterschied. Die Inkubationszeit der Grippe ist im Allgemeinen kurz: Sie beträgt durchschnittlich 1 bis 2 Tage.

Design der Studie

Die Forscher arbeiteten mit einer prospektiven Studie zur Influenzaübertragung in 2 US-Bundesstaaten in der Ära vor der Coronapandemie (2017-2020) und in 4 US-Bundesstaaten in der Grippesaison 2021/22. Als Indexfall definierten sie den 1. Per PCR-Test-bestätigten Fall einer Grippe in einem Haushalt in der jeweiligen Saison. Neben der Indexperson wurden sämtliche Haushaltsmitglieder 5-10 Tage seit Beginn der Erkrankung der Indexperson nach Symptomen befragt und auf Influenza getestet.

Überraschend hohe Übertragungsraten

Von 84 Primärinfizierten und 186 Haushaltskontakten in der Saison 2021/22 lagen vollständige Daten vor. Das mediane Alter der Indexpersonen betrug 10 Jahre, das der Haushaltskontaktpersonen 28,5 Jahre.

Auch von 152 Primärinfizierten und 353 Haushaltskontakten aus der präpandemischen Ära konnten vollständige Daten ausgewertet werden. Hier lag das mediane Alter der Primärinfizierten bei 13 Jahren und das der Haushaltkontaktpersonen bei 33 Jahren.

In der präpandemischen Ära hatten sich 20,1% der Haushaltkontaktpersonen mit Influenza infiziert, in der Saison 2021/22 aber waren es 50,0%. Das Risiko für Haushaltmitglieder, sich anzustecken, lag in der Saison 21/22 um den Faktor 2,31 über denen der 3 früheren Winterperioden. Der Risikofaktor war bereits um das Alter der Familienmitglieder, die Größe der Familie, die Zahl Geimpfter in der Familie und das Risiko für Hauptkontaktpersonen adjustiert.

Forscher auf der Suche nach Ursachen 

Diese methodisch aufwendige und qualitativ hochwertige Studie belegt eine deutlich höhere Transmissionsrate von Influenza im Winter 2021/22 während der Coronapandemie als in früheren Jahren. 

Es könne sich um eine saisonale Schwankung handeln, die auch ohne die SARS-CoV-2-Pandemie aufgetreten wäre, so die Autoren. Möglich sei aber auch eine geringere Viruszirkulation durch Coronaschutzmaßnahmen – mit einer geringeren Exposition gegenüber viralen Antigenen und als Folge mit einer geringeren Immunität. Diese Möglichkeit wurde international von Infektiologen diskutiert.

Gerade in solchen Zeiten könne es sinnvoll sein, Kontaktpersonen von Grippeinfizierten zu intensiveren Schutzmaßnahmen zu raten, da sie stärker gefährdet sein könnten.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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