Deutliche Kritik an Lauterbachs Reformplänen für Krankenhäuser: Planwirtschaft oder guter Vorstoß? Wer sind die Verlierer?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

25. Januar 2023

Anfang Januar 2023 hat die „Bund-Länder-Kommission für die Krankenhausreform“ bereits zum 4. Mal getagt. „Wir stehen am Vorabend einer notwendigen Revolution im Krankenhaussektor“, sagte danach Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD). Eines der wesentlichen Reform-Projekte ist die Umwandlung von kleineren Krankenhäuser zum Beispiel in spezialisierte Gesundheitszentren. Diese Pläne rufen jetzt Kritiker auf den Plan.

Bayern fürchtet bei der Krankenhausreform „quasi-planwirtschaftliches System“

So sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu Medscape: „Eine Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform würde unzumutbar in die Kompetenz der Länder eingreifen. Krankenhausplanung ist Ländersache! Wir erwarten, dass wir im weiteren Prozess nicht nur engmaschig einbezogen, sondern vor allem auch gehört werden.“ Das bisherige Konzept der Regierungskommission berge die Gefahr, dass „ein zentral gesteuertes, quasi-planwirtschaftliches und hochtheoretisches System“ geschaffen werde. 

 
Eine Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission zur Krankenhausreform würde unzumutbar in die Kompetenz der Länder eingreifen. Krankenhausplanung ist Ländersache! Klaus Holetschek
 

Holetschek fordert deshalb mehr Transparenz darüber, wie sich die Vorschläge aus Berlin auswirken würden und kündigte ein entsprechendes Gutachten an. „Klar ist: Wir brauchen auch weiterhin eine flächendeckende und qualitativ hochwertige stationäre Krankenhausversorgung – in der Stadt und auf dem Land. Was die Reform bringen muss, ist weniger Bürokratie und passgenauere Strukturen – ausgerichtet an den Bedarfen vor Ort“, sagte der Minister.

 
Was die Reform bringen muss, ist weniger Bürokratie und passgenauere Strukturen – ausgerichtet an den Bedarfen vor Ort. Klaus Holetschek
 

Vergütungs- und Planungsstruktur gemeinsam mit den Ländern entwickeln

Das Thüringische Sozialministerium verwies auf die Besonderheiten im Osten der Republik. Hier habe bereits nach der Wende eine „Strukturbereinigung im Bereich der Kliniken stattgefunden“, schreibt das Haus auf Anfrage, „sodass die Strukturen hier bereits „schlanker“ und effizienter aufgestellt sind. Eine Bereinigung von Standorten im Sinne von Schließungen ist in Thüringen daher nicht zu erwarten. Alle bestehenden Standorte werden auch weiter gebraucht. 

Vielmehr gehe es im laufenden Thüringer Krankenhausplanungsprozess verstärkt um den Ausbau von Kooperationen und Vernetzungen, sowie um flächendeckende Sicherstellung der Basisversorgung auf der einen Seite und Spezialisierung auf der anderen Seite, wie es hieß.

Das Hessische Sozialministerium hält Lauterbachs Reform für einen guten Vorstoß, der allerdings zu sehr in die Länderangelegenheiten eingreife. „Daher ist es richtig und war es notwendig, dass das Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche zugesagt hat, einen Vorschlag für eine neue Vergütungs- und Planungsstruktur gemeinsam mit den Ländern zu entwickeln“, so das Ministerium. 

Vor allem der Bestand der kleineren Häuser und der ambulanten Versorgung müssten im Mittelpunkt der Beratung stehen, so das Ministerium auf Anfrage.

Niedersachsen fürchtet Aushebelung der Länderkompetenzen

Auch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) fürchtet eine „Aushebelung der Länderkompetenzen“, was die wohnortnahe Versorgung gefährden könnte. „Die in den Empfehlungen der Regierungskommission skizzierten kleinteiligen Krankenhaus-planerischen Vorgaben des Bundes bewerten wir kritisch“, sagte NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke zu Medscape

Entscheidend sei, dass die Krankenhäuser mehr Geld erhalten. „Ansonsten wird über die Umverteilung des Mangels und einen ‚kalten Strukturwandel‘ die Krankenhausversorgung in der Fläche willkürlich und zufällig“, so Engelke. „Der Systemfehler der unzureichenden Vergütung von Krankenhausleistungen wird durch das vorgeschlagene Modell keineswegs behoben“, sagte Engelke. 

 
Der Systemfehler der unzureichenden Vergütung von Krankenhausleistungen wird durch das vorgeschlagene Modell keineswegs behoben. Helge Engelke
 

„Bevor über hochkomplexe Umverteilungsmechanismen die Versorgungsaufträge der Krankenhäuser neu sortiert werden, sollte zunächst eine solide Finanzierungsbasis geschaffen werden. Es muss dringend verhindert werden, dass unter dem Deckmantel der Reform eine kalte Strukturbereinigung durch wirtschaftlichen Druck erfolgt, um anschließend mit den – verbliebenen – Krankenhäusern in eine Umverteilungsszenerie einzusteigen“, betonte Engelke.

„Es wird Gewinner und Verlierer geben“

Prof. Dr. Volker Amelung, Gesundheitssystemforscher an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), sieht die Sache illusionslos: „Es wird mit der Krankenhausreform Gewinner und Verlierer unter den Krankenhäusern geben“, so Amelung zu Medscape. Die kleineren, oft kommunalen Häuser werden eher das Nachsehen haben, zu den Gewinnern werden die Unikliniken gehören. 

 
Es wird mit der Krankenhausreform Gewinner und Verlierer unter den Krankenhäusern geben. Prof. Dr. Volker Amelung
 

„Aber wir sollten uns von dem Gedanken verabschieden, dass mit Reformen vor allem etwas kaputt gemacht werde“, sagte Amelung. „Stattdessen sollten wir uns auf die Verbesserung der Versorgung konzentrieren. Es geht um Qualität.“

So werde mehr Personal in den Krankenhäusern zur Verfügung stehen, wenn es weniger Krankenhäuser gibt. „Da wären wir doch gut beraten, 2 kleinere Häuser zu einem großen zusammen zu legen, statt 2 Häuser zu betreiben, in denen ich die Stellen nicht besetzt bekomme.“ Zugleich würden hier größere Operationen deutlich häufiger gemacht – und dadurch besser. 

Allerdings spielen die Patienten da nicht unbedingt mit. „Die Deutsche Gesellschaft für Organtransplantation (DGP) hat zum Beispiel festgestellt, dass die Patienten nicht unbedingt in die Häuser gehen, die am meisten Transplantationen gemacht haben“, so Amelung. „Das bedeutet: Der Markt funktioniert nicht.“ 

Andererseits werbe eine Augenklinik-Kette mit den Worten: „Wir haben schon 10.000 Augen gelasert.“ Die Nutzer medizinischer Leistungen scheinen sich also immer mehr nach den Regeln des Marktes zu richten. 

Im Hinblick auf die größere Qualität in Krankenhäusern bedeutet das: „Es sind nur bessere Leistungen zu erbringen, wenn die Anzahl der Leistungserbringer reduziert wird.“ 

 
Es sind nur bessere Leistungen zu erbringen, wenn die Anzahl der Leistungserbringer reduziert wird. Prof. Dr. Volker Amelung
 

Nach Amelungs Meinung muss aber die flächendeckende, wohnortnahe stationäre Versorgung unbedingt erhalten bleiben – aber eben mit kleineren Strukturen auf dem Lande, die zwar Betten für 2 bis 3 Nächte zur Verfügung halten, „aber eben keine Krankenhäuser sind“, so Amelung. 

Kommt die große Krankenhausreform, so müsse neu über ambulante und stationäre Versorgung nachgedacht werden, so der Hannoveraner Professor. „Braucht es wirklich so viele Praxen des herkömmlichen Modells?“

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Kommentar

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