Der Klimawandel ist die weltweit größte Bedrohung für die Gesundheit. Immer mehr Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen setzen sich daher aktiv für mehr Nachhaltigkeit ein. Zudem gilt es, Strategien im Umgang mit den aus dem Klimawandel resultierenden Herausforderungen zu erarbeiten. Neben Maßnahmen und Bestrebungen für eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung auf nationaler und internationaler Ebene, zählt auch das Engagement des Einzelnen im eigenen Wirkungsfeld.
Problembewusstsein und Bereitschaft unter Ärzten vorhanden
Als Berufsgruppe, der die Deutschen das größte Vertrauen entgegenbringen, können und wollen Ärztinnen und Ärzte vielfach mit gutem Beispiel vorangehen. So ist bereits ein großes Problembewusstsein in weiten Teilen der Ärzteschaft vorhanden: Wie eine Umfrage zeigte, sehen 83% der Befragten den Klimawandel als dringendes Problem, das sofortiges Handeln erfordert. Die Befragung zeigte auch: Ärztinnen und Ärzte sehen sich bereits mehrheitlich in der Verantwortung, Tipps zu einem gesundheitsfördernden und gleichzeitig klimafreundlichen Lebensstil zu geben. Auch die Bereitschaft, Ressourcen in den Bereichen Energie, Mobilität und Verbrauchsmaterialien zu schonen, ist unter ihnen groß.
Fußabruck des Gesundheitssektors
Wäre der globale Gesundheitssektor ein Land, so stünde er in Sachen Ausstoß von Klimagasen im weltweiten Ranking auf Platz 5.
In Deutschland macht der Gesundheitssektor 5,2% der Gesamtemissionen aus.
Weltweit betrachtet verursachen innerhalb des Gesundheitssektors die damit zusammenhängenden Produktions- und Lieferketten 71% der Emissionen. Direkte Emissionen der Gesundheitseinrichtungen machen etwa 17% aus, weitere 12% entfallen auf indirekte Emissionen, z. B. durch Strom, Wärme und Kühlung.
Im Jahr 2014 fielen in Deutschland 245.100 Tonnen Abfälle aus der medizinischen Versorgung und Forschung an.
Zu den am häufigsten verwendeten Einwegprodukten in Gesundheitseinrichtungen zählen u. a. Nierenschalen.
Sie möchten sich ebenfalls in Ihrem beruflichen Umfeld für mehr Umweltschutz einbringen und fragen sich, was Sie konkret in Ihrer Praxis für mehr Nachhaltigkeit tun können? Keine Sorge, Klimaschutz muss nicht aufwendig oder kompliziert sein. Diese 10 Tipps für die ärztliche Praxis lassen sich leicht umsetzen und können so als erste Impulsgeber dienen:
Medikation überprüfen, Überversorgung vermeiden
Medikamente sind für den größten Teil der Treibhausgasemissionen von Arztpraxen verantwortlich.
Auch um Wechselwirkungen bei Polymedikation zu vermeiden, sollte bei langen Medikamentenlisten regelmäßig überprüft werden, ob die Verordnung aktuell noch angezeigt ist.
Überversorgung und unnötige apparative Untersuchungen gilt es zu vermeiden.
Durch die verwendeten Treibhausgase sind Dosieraerosole unter den Medikamenten am klimaschädlichsten. Für eine durchschnittliche Praxis sind ihre Auswirkungen auf das Klima stärker als die von Heizung und Stromverbrauch zusammen. Wann immer möglich sollten daher Pulverinhalatoren zum Einsatz kommen.
Im Büro Potenziale zur Einsparung nutzen
Recyclingpapier nutzen: Die Herstellung von Recyclingpapier spart im Vergleich zu Frischfaserpapier 60% Wasser und knapp 20% der CO2-Emissionen. Zusätzlich kann die Umstellung im Einkauf Geld sparen.
Prozesse möglichst digitalisieren
überflüssige/unerwünschte Werbesendungen abbestellen
bei Bürogeräten und Verbrauchsmaterial auf Nachhaltigkeit achten – ein Großmarkt mit nachhaltigem Sortiment ist beispielsweise Memo
Nachhaltigkeit im Internet, z.B. durch Nutzung der Google-Alternative Ecosia
Nachhaltige Produkte kaufen
z.B. nachhaltig prouzierte und CO2-neutral gelieferte Berufsbekleidung von Green Textile Solutions oder 7Days
Hygieneanforderungen und -vorschriften lassen sich zum Teil auch mit ökologischen und biologisch abbaubaren Reinigungsmittel-Alternativen erfüllen – sprechen Sie Ihre Reinigungsfirma an
wenn möglich, Nachfüllpackungen einkaufen (verfügbar z.B. für Ultraschallgele, Desinfektionstücher und -mittel, Seifen)
Liegenpapierrolle, Einmalhandtücher und Toilettenpapier aus recyceltem Material
Sterilisation statt Wegwerfmaterial
Gesundheits- und klimafreundliche Mobilität fördern
Umstellung auf Ökostrom
Wassersparen, z.B. mithilfe von Perlatoren, Wasserspartasten in Toilettenspülungen oder wassersparenden Armaturen
Prüfung der Möglichkeiten der Eigenproduktion von Strom, z.B. Photovoltaik
ältere Geräte überprüfen und ggf. in energiesparende Anlagen neuester Generation investieren
Energie einsparen durch LED-Beleuchtung, Abschalten statt Standby, Stoßlüften und moderates Heizen
Lebensmittelversorgung nachhaltig gestalten
Wasserspender mit Gläsern oder recycelten Pappbechern ausstatten
Patientinnen und Patienten zu gesunder Ernährung aufklären und motivieren
Pflanzenbasierte, saisonale, regionale und biologische Kost für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Abfallwirtschaft optimieren
Mülltrennung optimieren, z.B. Glasmüll separat entsorgen und dem Recycling zuführen, Papier und Restmüll konsequent trennen
ausgediente Geräte, Tonerkartuschen, Leuchtmittel und Co. in Wertstoffhöfen entsorgen
Recyclingprogramm für Einmalhandschuhe in Zusammenarbeit mit TerryaCycle nutzen
Auf nachhaltiges Finanzmanagement setzen
Wechsel zu einer ökologischen Bank, die z.B. in erneuerbare Energien oder Ökolandbau investiert
auf Versicherungen mit nachhaltiger Anlagepolitik setzen
einen Überblick bietet u.a. www.utopia.de
Problembewusstsein schaffen
Einbindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Entwicklung ressourcenschonender Abläufe, z.B. durch Projektgruppen oder das Anbieten von Weiterbildungen und Vorträgen
Aufklärung von Patientinnen und Patienten über den Zusammenhang von Wohlbefinden und Umwelt
Thematik auch bei Kolleginnen und Kollegen adressieren
Sich weiter zum Thema informieren und fortbilden
Weitere Informationen und Möglichkeiten zum Aktivwerden bieten u. a.:
Planetary Health Academy, organisiert durch KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.
Praktisches Beispiel: Optimierung der Medikamentengabe
Eine britische Studie kam zu dem Ergebnis, dass eine Optimierung der Medikamentengabe (insbesondere im Falle von Polypharmazie) folgende Einsparungen pro 100.000 Personen bringen könnte:
202 Tonnen Treibhausgasemissionen
0,3 Mio. m3 Frischwasser
24 Tonnen Abfall
(Potenzielle Einsparungen ergeben sich hauptsächlich durch Vermeidung von Nebenwirkungen und deren Behandlung, in Teilen aber auch direkt durch weniger Verschreibungen).
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Von Seife zum Nachfüllen bis Ökostrom: 10 Tipps für mehr Nachhaltigkeit in der Praxis - Medscape - 24. Jan 2023.
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