Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.
Corona-Newsblog, Update vom 23. Januar 2023
Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 68 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 22. Januar lag der Wert bei 69.
Unsere Themen heute:
Bundesländer vernichten mehr als 17 Millionen Masken
Haben manche Apotheker illegal Paxlovid® exportiert?
Mehr als 800.000 zusätzliche Infektionen durch die Fußball-EM 2021
Neue Daten zur Immunflucht von BQ.1.1 und XBB.1
Nach Corona: Wann eine Maskenpflicht dennoch sinnvoll ist
COVID-19 – auch langfristig ein kardiovaskulärer Risikofaktor
Bundesländer vernichten mehr als 17 Millionen Masken
Zu Beginn der Pandemie war der Mund-Nasen-Schutz ein rares, teures Gut. Doch mancher Großeinkauf aus früheren Zeiten scheint sich nun zu rächen. Medien berichten über die Vernichtung von mehr als 17 Millionen abgelaufenen Schutzmasken: u.a. 6,1 Millionen in Baden-Württemberg, 5,5 Millionen in Sachsen, 5 Millionen in Nordrhein-Westfalen und 656.000 in Mecklenburg-Vorpommern. Die Anschaffungskosten sollen bei rund 6 Millionen Euro gelegen haben. 11 Bundesländer haben bislang keine Masken entsorgt.
Haben manche Apotheker illegal Paxlovid® exportiert?
Ab sofort dürfen Apotheken nur noch maximal 20 Packungen des COVID-19-Medikaments Paxlovid® bevorraten. Bei krankenhausversorgenden Apotheken und bei Krankenhausapotheken sind bis zu 50 Therapieeinheiten möglich. Doch wie kam es zu den Änderungen?
„Eine Abgabe an Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs deutschen Rechts ist ebenso wie das Handeltreiben mit diesen Arzneimitteln verboten“, heißt es in der zugehörigen Allgemeinverfügung. Genau das scheint aber passiert zu sein. In einem Schreiben an Standesorganisationen der Apothekerschaft erklärt das Bundesministerium für Gesundheit: „Diese Änderungen erachten wir als notwendig, nachdem uns vermehrt Informationen über auffällig hohe Bestellzahlen des vom Bund zentral beschafften Arzneimittels Paxlovid® durch einzelne Apotheken sowie weiterhin direkte Anfragen zu den Möglichkeiten eines Exports durch verschiedene Marktteilnehmer erreicht haben.“ Womöglich nutzten manche Apotheken die Gunst der Stunde, um das Medikament zu exportieren.
Mehr als 800.000 zusätzliche Infektionen durch die Fußball-EM 2021
Die letzte Fußball-Europameisterschaft fand vom 11. Juni bis zum 11. Juli 2021 statt. Jetzt gingen Forscher der Frage nach, wie riskant die Spiele aus virologischer Sicht waren. Anhand epidemiologischer Daten wollten sie herausfinden, wie viele zusätzliche Infektionen es gegeben hat.
Forscher untersuchten für 12 der beteiligten Länder, wie sich das Infektionsgeschehen während und nach der EM entwickelt hat. Grundlage der Veröffentlichung waren nach Geschlecht aufgeschlüsselte Fallzahlen.
Zu Ansteckungen kam es weniger in den Stadien selbst als vielmehr bei privaten Treffen oder in Sport-Kneipen. Jede infizierte Person startete eine Infektionskette und steckte laut Studie im Schnitt 4 weitere Menschen an. Die Schätzungen ergaben für alle 12 untersuchten Länder zusammen rund 840.000 zusätzliche Infektionen – mit starken regionalen Unterschieden.
2 Extreme: In Tschechien kam es pro Million Einwohnern nur zu etwa 460 zusätzlichen Infektionen – in England jedoch steckten sich rund 11.000 Menschen pro eine Million Einwohner an. Die Forschenden erklären solche Unterschiede mit der epidemiologischen Ausgangssituation zu Beginn der EM: In Tschechien gab es vergleichsweise wenige Infektionen, in England waren die Inzidenzen aber schon recht hoch.
Neue Daten zur Immunflucht von BQ.1.1 und XBB.1
Die Bewertung neuer Varianten bleibt eine der wichtigsten Maßnahmen, um mögliche Risiken zu identifizieren. Jetzt haben Forscher weitere Daten zu BQ.1.1 und XBB.1 veröffentlicht.
Sie untersuchten zunächst immunologische Parameter bei 16 Teilnehmern, die 2021 mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Pfizer-BioNTech) geimpft worden waren. Nach der Auffrischimpfung betrug der mittlere neutralisierende Antikörpertiter gegen den WA1/2020-Stamm 45.695. Die Titer gegen die BA.5-, BF.7-, BA.2.75.2-, BQ.1.1- und XBB.1-Varianten lagen bei 887, 595, 387, 261 bzw. 105. Damit waren die mittleren neutralisierenden Antikörpertiter gegen die BQ.1.1- und XBB.1-Varianten um den Faktor 3 bzw. 8 niedriger als gegen BA.5.
Wissenschaftler bewerteten die Antikörpertiter bei 15 Teilnehmern, welche 2022 eine Auffrischimpfung mit einem monovalenten mRNA-Vakzin erhalten hatten. Hinzu kamen Daten von 18 Personen, die 2022 einen bivalenten Impfstoff bekommen hatten. In diesen Kohorten hatten 33% der Personen nachweislich eine SARS-CoV-2-Omikron-Infektion in der Vorgeschichte, bei unbekannt hoher Dunkelziffer.
Vor der Auffrischimpfung waren neutralisierenden Antikörpertiter gegen den WA1/2020-Stamm und gegen die Omikron-Varianten in den beiden 2022-Kohorten höher als in der 2021-Kohorte.
Nach der monovalenten Auffrischimpfung im Jahr 2022 betrug der mittlere neutralisierende Antikörpertiter gegen den WA1/2020-Stamm 21.507, und die Titer gegen die BA.5-, BF.7-, BA.2.75.2-, BQ.1.1- und XBB.1-Varianten lagen bei 2.829, 2.276, 745, 406 bzw. 170.
Nach der bivalenten Auffrischimpfung im Jahr 2022 betrug der mittlere neutralisierende Antikörpertiter gegen den WA1/2020-Stamm 40.515, und die Titer gegen die BA.5-, BF.7-, BA.2.75.2-, BQ.1.1- und XBB.1-Varianten lagen bei 3.693, 2.399, 883, 508 bzw. 175.
Die medianen neutralisierenden Antikörpertiter gegen die BQ.1.1- und XBB.1-Varianten waren in der monovalenten Booster-Kohorte um den Faktor 7 bzw. 17 niedriger als die medianen Titer gegen BA.5.
In der bivalenten Booster-Kohorte waren die medianen neutralisierenden Antikörpertiter gegen die BQ.1.1- und XBB.1-Varianten um den Faktor 7 bzw. 21 niedriger als die medianen Titer gegen BA.5.
Fazit: „Die neutralisierenden Antikörpertiter gegen BQ.1.1 und XBB.1 waren dramatisch niedriger als die Titer gegen den Stamm WA1/2020“, kommentieren die Autoren. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die BQ.1.1- und XBB.1-Varianten die Wirksamkeit aktueller mRNA-Impfstoffe verringern können.“ Klinische Daten wurden aber nicht ausgewertet.
Nach Corona: Wann eine Maskenpflicht dennoch sinnvoll ist
Zur Kontrolle der Pandemie haben Regierungen weltweit auf Masken, auf die soziale Distanzierung, auf die Schließung von Schulen und Unternehmen sowie auf Reisebeschränkungen gesetzt. Nachdem viele Länder solche nicht-pharmazeutischen Interventionen beendet haben, kam es zu Wellen mit verschiedenen Infektionskrankheiten wie Influenza oder RSV.
In einer Publikation gehen Forscher jetzt der Frage nach, ab welchem Schwellenwert nicht-pharmazeutische Interventionen aufzuheben sind, ohne Krankenhäuser durch andere Atemwegsinfektionen zu überlasten. Für das Modell wurden Daten aus den Jahren 2014 bis 2021 verwendet. Zu den untersuchten Krankheiten gehören RSV, das Rhinovirus/Enterovirus, das Adenovirus, Influenza A und B sowie Parainfluenza.
Die Forscher fanden heraus, dass in Hongkong die Wiedereinführung von nicht-pharmazeutische Interventionen bei Erreichen eines Schwellenwerts von 600 schweren Fällen sicherstellen konnte, dass das Krankenhaussystem nicht überlastet wird. „Ohne Beschränkungen wird es in den Jahren 2023 und 2024 2 Wellen von Ausbrüchen von Infektionskrankheiten der Atemwege geben, welche die Kapazität des Krankenhaussystems in Hongkong übersteigen“, schreiben die Forscher. „Durch die Umsetzung strikter oder sogar milder Maßnahmen, bevor 600 Krankenhausbetten belegt sind, kann der Ausbruch von anderen Atemwegsinfektionskrankheiten als COVID-19 vollständig auf ein für die Krankenhäuser sicheres Niveau zurückgedrängt werden.“
Simulationen dieser Art sind für alle Gesundheitssysteme möglich. Hongkong gilt hier als Beispiel.
COVID-19 – auch langfristig ein kardiovaskulärer Risikofaktor
COVID-19 ist nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod verbunden, so eine Studie mit fast 160.000 Teilnehmern. Im Vergleich zu nicht infizierten Personen war die Wahrscheinlichkeit, dass COVID-19-Patienten starben, in den ersten 3 Wochen der Infektion bis zu 81-mal höher und blieb bis zu 18 Monate später 5-mal höher.
Ein Blick auf die Details: Mehr als 7.500 Patienten mit COVID-19-Infektion wurden von Wissenschaftlern der UK Biobank identifiziert. Daten eines jeden Probanden wurden während des Studienzeitraums (16. März 2020 bis Ende 2020) mit bis zu 10 Personen ohne COVID-19 abgeglichen. Angaben einer Kohorte vor der Pandemie (16. März 2018 bis 30. November 2018) kamen noch hinzu.
Daten zur Krankengeschichte wurden aus Krankenakten und Sterbeurkunden entnommen. Zu den eingeschlossenen Endpunkten gehörten u.a. Schlaganfall, Vorhofflimmern und Myokardinfarkt, der Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankung und der Tod aus jeglicher Ursache. Assoziationen wurden in der akuten Phase (innerhalb von 21 Tagen nach der COVID-19-Diagnose) und in der postakuten Phase (22 Tage nach der Diagnose und andauernd bis zu 18 Monaten) bewertet.
Die Ergebnisse:
Im Vergleich zu nicht infizierten Teilnehmern war die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten mit COVID-19 in der akuten Phase eine schwere kardiovaskuläre Erkrankung entwickelten, etwa 44-mal höher und in der postakuten Phase 40% höher.
Im Vergleich zu nicht infizierten Personen war das Sterberisiko bei COVID-19-Patienten in der akuten Phase bis zu 81-mal höher und in der postakuten Phase 5-mal höher. Patienten mit schwerem COVID-19 entwickelten mit größerer Wahrscheinlichkeit eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung oder starben – im Vergleich nicht schweren Fällen.
COVID-19-Patienten hatten eine größere Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen im Vergleich zu nicht infizierten Teilnehmern, sowohl kurz- als auch langfristig, einschließlich Myokardinfarkt, koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und tiefer Venenthrombose.
Das Risiko einiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen – z.B. Schlaganfall und Vorhofflimmern – war bei COVID-19-Patienten kurzfristig erhöht, kehrte dann aber wieder auf ein normales Niveau zurück.
In ihren Daten sehen die Autoren ein klares Argument, Patienten nach COVID-19-Infektionen längerfristig zu begleiten und mehrfach zu untersuchen.
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Credits:
Photographer: © Sergey Tolmachyov
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: 800.000 Infektionen durch Fußball-EM 2021; illegale Paxlovid®-Exporte; langfristig Herzrisiko nach COVID; Mio. Masken im Müll - Medscape - 23. Jan 2023.
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