Neue Daten – bessere Prognosen beim Kolorektalkarzinom, beim Magenkarzinom und beim Ösophagus-Karzinom

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

24. Januar 2023

Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um Kolorektal- und Magenkarzinome. Ergebnisse der Phase-3-Studie FOxTROT zeigen, dass bei ausgewählten Patienten mit lokal fortgeschrittenem Kolorektalkarzinom eine neoadjuvante Chemotherapie das Rezidivrisiko senken kann. Eine DKFZ-Studie griff eine schon länger diskutierte Fragestellung zum Intervall des Darmkrebs-Screenings mit Koloskopie auf und führte zu dem Ergebnis, dass das 10-Jahres-Intervall sicher ist, es aber v.a. bei Frauen unter 60 ohne Befund verlängert werden kann. Zwei Studien, die beim ASCO GI im Januar 2023 vorgestellt wurden, ergaben ein verbessertes Überleben von Patienten mit Magen- und Speisenröhrenkrebs bei Behandlung mit Regorafenib und von Patienten mit Magenkrebs bei zusätzlicher Gabe von Zolbetuximab.

  • Kolorektalkarzinom: Neoadjuvante Chemotherapie senkt Rezidivrisiko in FOxTROT

  • Kolorektalkarzinom: Intervall zur Vorsorge-Koloskopie kann bei jüngeren Frauen verlängert werden

  • Magen- und Ösophagus-Karzinom: Verbessertes Überleben mit Regorafenib

  • Magenkarzinom: Zolbetuximab bessert PFS und OS als First-Line-Therapie

  • Multiples Myelom: Dreifach-Kombi vs. Mono zur Erhaltungstherapie nach Stammzell-Transplantation

  • Patient Reported Outcomes: 20% der neuen Onkologika ohne PRO-Erhebung zugelassen

Kolorektalkarzinom: Neoadjuvante Chemotherapie senkt Rezidivrisiko in FOxTROT

Eine neoadjuvante Chemotherapie mit Oxaliplatin/Fluoropyrimidin über 6 Wochen bei radiologisch ausgewählten Patienten mit lokal fortgeschrittenem, resezierbarem Kolorektalkarzinom kann das Rezidivrisiko im Vergleich zur sofortigen Operation signifikant verringern (Rate Ratio 0,72, p=0,037). Dies ergab die 1. Phase-3-Studie FOxTROT zu dieser Fragestellung, deren reife Ergebnisse eine europäische Arbeitsgruppe nun im  Journal of Clinical Oncoloy  publiziert hat.

In der Studie wurden zwischen Mai 2008 und Dezember 2016 genau 1.053 Patienten in 85 Zentren in UK, Schweden und Dänemark randomisiert nach der Operation mit Standard-Chemotherapie über 24 Wochen oder vor der Operation über 6 Wochen mit Chemotherapie (Fluorouracil, Leucovorin und Oxaliplatin) gefolgt von 18 Wochen Therapie nach der Operation behandelt. Patienten mit Wildtyp-RAS-Tumoren in der neoadjuvanten Gruppe konnten nach dem Zufallsprinzip 1:1 der Behandlung mit Panitumumab während der neoadjuvanten Therapie zugeteilt zu werden.

Der primäre Endpunkt der Studie wurde erreicht: Die neoadjuvante Chemotherapie führte zu einer signifikanten Reduktion der 2-Jahres-Rezidivrate um 28%. 

Die neoadjuvante Therapie ermöglichte mehr R0-Operationen (94,5% vs. 88,6%); die perioperative Morbidität nahm nicht zu. Sie induzierte ein erhebliches Tumor-Downstaging mit einer 10-prozentigen Abnahme der Rate von T4- und N2-Tumoren im Vergleich zur Kontrollgruppe sowie eine häufigere leichte bis mittelschwere pathologische Tumorregression (55 vs. 20%).

Im begleitenden Editorial wird die neoadjuvante Chemotherapie als neue Option für ausgewählte Patienten mit lokal fortgeschrittenem Kolorektalkarzinom bezeichnet. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass dieses Vorgehen bei T4-Tumoren und bei Patienten über 70 Jahren besonders wirksam sein könnte. Dies müsse jedoch in weiteren Studien bestätigt werden. 

Kolorektalkarzinom: Intervall zur Vorsorge-Koloskopie kann bei jüngeren Frauen verlängert werden

Das derzeit empfohlene Screening-Intervall von 10 Jahren für eine Darmspiegelung bei symptomfreien Personen zur Früherkennung von Darmkrebs kann nach einer Untersuchung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) als sicher angesehen werden. Nach den in  JAMA Intern Med.  publizierten Ergebnissen kann es gerechtfertigt sein, insbesondere bei Frauen unter 60 Jahren das Intervall auf mehr als 10 Jahre auszudehnen.

Um eine belastbare Grundlage für künftige Screening-Empfehlungen zu schaffen, werteten DKFZ-Forscher in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland Daten des Deutschen Screening-Koloskopie-Registers aus, in das Ärzte seit Einführung der Vorsorge-Darmspiegelung jede Untersuchung eintragen müssen.

Mit dessen Daten analysierten Epidemiologen die Häufigkeit von Darmkrebs und seinen Vorstufen bei 120.289 Teilnehmern, die sich mindestens 10 Jahre nach ihrer ersten Koloskopie einer wiederholten Darmspiegelung unterzogen hatten. Der Anteil an Personen mit Darmkrebs war 10 Jahre nach einer befundfreien Erstuntersuchung mit etwa 0,2% sehr niedrig und stieg auch bei Personen, deren Erstuntersuchung bereits 14 Jahre zurücklag, nicht wesentlich.

Im Vergleich dazu wurde Darmkrebs bei etwa 1% der Untersuchungen gefunden, wenn alle im Register gemeldeten Koloskopien bei Personen vergleichbaren Alters zusammen betrachtet wurden. Bei Männern war die Häufigkeit durchweg höher als bei Frauen; sie nahm mit dem Alter zu. Informationen über die Auswirkungen der Vorsorge-Koloskopie auf die Darmkrebs-Prävention und -Sterblichkeit kann die aktuelle Untersuchung nicht liefern, da die deutschen Datenschutzbestimmungen keine Verknüpfung mit Krebsregistern und Mortalitätsdaten gestatten.

„Unsere Ergebnisse geben starke Hinweise darauf, dass das derzeit empfohlene 10-Jahres-Intervall für die Vorsorgekoloskopie bei symptomfreien Personen mit negativer Ausgangsuntersuchung sicher ist. Außerdem legen die Ergebnisse nahe, dass das Vorsorgeintervall insbesondere bei Frauen, die bei der Erstuntersuchung jünger als 60 Jahre alt waren, verlängert werden könnte“, heißt es in einer Pressemitteilung des DKFZ.

Magen- und Ösophagus-Karzinom: Verbessertes Überleben mit Regorafenib

Eine Behandlung mit dem oralen Tyrosinkinase-Inhibitor Regorafenib verbesserte im Vergleich zu Placebo das Gesamtüberleben von Patienten mit fortgeschrittenem, refraktären Magen- und Speiseröhrenkrebs. Dies ergab die doppelblinde, Placebo-kontrollierte, randomisierte, internationale Phase-3-Studie INTEGRATE IIa, deren Ergebnisse Prof. Dr. Nick Pavlakis, Royal North Shore Hospital, St. Leonards, Australien, beim ASCO GI Cancers Symposium am 19. Januar 2022 in San Francisco vorgestellt hat (Abstract LBA 294). 

Regorafenib ist damit der 1. orale Multi-Targeting-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der in einer gemischten Population aus asiatischen und nicht-asiatischen Patienten mit metastasiertem oder lokal rezidiviertem Magen- und Speiseröhrenkrebs ein verbessertes Gesamtüberleben erreicht hat.

In der Studie wurden in 5 Ländern 251 Patienten eingeschlossen (davon 157 aus Asien), die randomisiert mit Regorafenib (n=169) oder Placebo (n=82) behandelt wurden. Mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor wurde ein medianes Überleben von 4,5 Monaten, mit Placebo von 4 Monaten in der Gesamtgruppe der Patienten erreicht (Hazard-Ratio 0,70, p=0,011). Nach 1 Jahr lebten noch 19% bzw. 6% der Patienten. 

Magenkarzinom: Zolbetuximab bessert PFS und OS als First-Line-Therapie

Der gegen Claudin-18.2 (CLDN18.2) gerichtete monoklonale Antikörper Zolbetuximab verbesserte als Erstlinientherapie zusätzlich zu mFOLFOX6 gegeben das progressionsfreie Überleben (PFS) und das Gesamtüberleben (OS) von Patienten mit CLDN18.2-positivem, HER2-negativem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom oder Karzinom des gastroösophagealen Übergangs im Vergleich zu Placebo plus mFOLFOX6. Ergebnisse der Phase-3-Studie SPOTLIGHT stellte Dr. Kohei Shitara, Kashiwa, Japan, beim ASCO GI Cancers Symposium vor (Abstract LBA292).

Randomisiert erhielten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom Zolbetuximab plus mFOLFOX (n=283) oder Placebo plus mFOLFOX (n=282). Primärer Endpunkt war das PFS. Das OS als sekundärer Endpunkt wurde nur ausgewertet, wenn der primäre Endpunkt erreicht worden war.

Die zusätzliche Gabe von Zolbetuximab verlängerte sowohl das PFS als auch das OS. Das PFS nahm von 8,7 Monaten im Median auf 10,6 Monate zu (Hazard-Ratio 0,751, p=0,0066), das OS von 15,54 auf 18,23 Monate im Median (HR 0,75, p=0,0053). 

„Dies ist eindeutig eine positive Studie und sie führt hoffentlich zur Zulassung von Zolbetuximab, das zum Behandlungsstandard wird, insbesondere für Patienten, die CLDN18.2-positiv sind“, sagte Shitara.

Die am häufigsten berichteten behandlungsbedingten unerwünschten Wirkungen in der Zolbetuximab-Gruppe waren Übelkeit (81,0% vs. 60,8%), Erbrechen (64,5% vs. 34,5%) und verminderter Appetit (47,0% vs. 33,5%).

Übelkeit und Erbrechen hängen vermutlich mit der Claudin-Hemmung zusammen; sie traten v.a. zu Beginn der Behandlung auf. 

Multiples Myelom: Dreifach-Kombi vs. Einzelwirkstoff zur Erhaltungstherapie nach Stammzell-Transplantation

Eine Kombination aus Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason erwies sich bei einer Interimsanalyse der Phase-3-Studie ATLAS einer alleinigen Lenalidomid-Erhaltungstherapie bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom nach autologer Stammzelltransplantation als überlegen. Wie die US-amerikanisch-polnische Arbeitsgruppe in  Lancet Oncology  berichtete, lag das progressionsfreie Überleben (PFS) nach einer Nachbeobachtungszeit von 33,8 Monaten im Median bei 59,1 Monaten unter der Kombination und 41,1 Monaten unter der Monotherapie (Hazard-Ratio 0,51, p=0,012).

In die Untersucher-initiierte offene, randomisierte Phase-3-Studie wurden in 12 akademischen Zentren in den USA und Polen 180 Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom nach einer autologen Stammzell-Transplantation aufgenommen. Randomisiert erhielten sie bis zu 36 Zyklen Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason (n=93) oder Lenalidomid allein (n=87) bis zur Progression oder inakzeptablen Toxizität als Erhaltungstherapie.

Bei einer Interimsanalyse erwies sich die Kombination in der Wirkung auf das PFS als überlegen. Häufigste Nebenwirkungen vom Schweregrad 3 oder 4 waren Neutropenie (48% vs. 60%), Thrombozytopenie (13% vs. 6%) und Infektionen der unteren Atemwege (8% vs. 1%). In der Kombi-Gruppe verstarb 1 Patient aufgrund einer schweren behandlungsbedingten Pneumonie.

„ATLAS ist eine Schlüsselstudie, die darauf hindeutet, dass Erhaltungsansätze mit mehr als einem Medikament, einschließlich Lenalidomid, weiter untersucht werden sollten“, kommentierte Prof. Dr. Monika Engelhardt von der Universitätsklinik Freiburg im begleitenden Editorial. Es seien allerdings noch viele Fragen offen. Aber: „Bis die Primäranalyse von ATLAS vorliegt, legen die vorläufigen Daten nahe, dass Carfilzomib, Lenalidomid und Dexamethason bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom nach autologer Stammzelltransplantation in Betracht gezogen werden können.“

20% aller neuen Onkologika ohne Patient Reported Outcomes zugelassen

Für 1 von 5 zwischen 2017 und 2021 neu in der EU zugelassenen onkologischen Medikamente wurden nach Informationen im EPAR (European Public Assessment Report) keine Patient Reported Outcomes erhoben, so die Ergebnisse einer italienischen Analyse, die als Research Letter in  JAMA Network Open  publiziert worden ist.

Die Europäische Zulassungsbehörde fordert in den letzten Jahren vermehrt, Patient Reported Outcomes in Studien zur Zulassung von Arzneimitteln zu berücksichtigen. Die italienische Arbeitsgruppe analysierte nun anhand der EPARS von zwischen 2017 und 2021 von der EU-Kommission neu zugelassenen Onkologika, inwieweit PROs berücksichtigt worden sind.

In 51% der EPARs von 103 mit einer onkologischen Indikation zugelassenen Arzneistoffen wurde über PROs berichtet. Wurden Generika ausgeschlossen, die abgekürzte Zulassungsverfahren durchlaufen, stieg der Anteil auf 79% (50 von 63). PROs wurden häufiger bei Arzneimitteln mit Orphan Drug Status berichtet als bei Nicht-Orphan-Drugs. 

PROs waren in den Studien häufig sekundäre Endpunkte (62%), meist wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität (56%) erhoben. 

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