Therapieresistente Depression erfolgreich behandeln: Pilotstudie zeigt, Ketamin-Infusionen bei Älteren sicher und wirksam

Eve Bender

Interessenkonflikte

20. Januar 2023

Ketamin i.v. über 2 Monate kann bei therapieresistenten Depressionen (TRD) helfen und die Exekutivfunktionen bei älteren Erwachsenen verbessern. Diese Schlüsse legen die Resultate einer neuen Pilotstudie nahe [1].

Die Ergebnisse zeigten unter den Teilnehmenden eine Ansprache auf Ketamin von fast 50% und 25% erreichten eine vollständige Remission ihrer TRD. Diese Bewertungen wurden mithilfe der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) ermittelt.

Dr. Marie Anne Gebara

„Unsere Pilotstudie zeigt, dass Ketamin i.v. gut verträglich und sicher ist und im höheren Alter zu einer Verbesserung der TRD führt“, sagte Dr. Marie Anne Gebara, Professorin für Psychiatrie an der University of Pittsburgh School of Medicine in Pennsylvania gegenüber Medscape.

 
Unsere Pilotstudie zeigt, dass Ketamin i.v. gut verträglich und sicher ist und im höheren Alter zu einer Verbesserung der TRD führt. Dr. Marie Anne Gebara
 

Sie wies darauf hin, dass die Behandlung „möglicherweise nicht für alle TRD-Erkrankten geeignet ist“, wie z.B. für Personen mit psychotischen Symptomen in der Vorgeschichte oder einer unkontrollierten Hypertonie, aber „sie scheint eine vielversprechende Option zu sein“.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden am 4. Dezember online im American Journal of Geriatric Psychiatry veröffentlicht.

Fehlende Daten zu älteren Menschen

Obwohl in früheren Studien Erwachsene unter Ketamin Suizidgedanken alsbald aufgaben, fehlten bislang Daten zur Effektivität und Sicherheit des Wirkstoffes bei älteren Erwachsenen, so die Forschenden.

„Beinahe die Hälfte der älteren Erwachsenen mit Depression hat eine TRD, die als eine der Hauptursachen für Beeinträchtigungen, erhöhte Mortalität durch Suizide und für Demenz gilt“, so Gebara.

Nach 2 gescheiterten Studien mit Antidepressiva gäbe es für „ältere Erwachsene nur wenige evidenzbasierte Möglichkeiten: die Augmentation mit Aripiprazol oder Bupropion, die transkranielle Magnetstimulation oder die Elektrokrampftherapie. Da die Langzeitergebnisse schlecht und die Rückfallquoten hoch sind, werden rasch wirkende neue Therapieoptionen dringend benötigt“.

Gebara und ihr Team rekrutierten für die Pilotstudie zwischen Oktober 2020 und November 2021 an 5 Standorten (Columbia University, New York State Psychiatric Institute, University of Toronto, University of Pittsburgh und Washington University in St. Louis) jeweils 5 Personen im Alter von mindestens 60 Jahren, insgesamt also 25 Personen mit einem Durchschnittsalter von 71.

 
Da die Langzeitergebnisse schlecht und die Rückfallquoten hoch sind, werden rasch wirkende neue Therapieoptionen dringend benötigt. Dr. Marie Anne Gebara
 

Die Rekrutierungen erfolgten aus Krankenregistern oder über entsprechende Fach- oder Hausärzte. Bei allen war eine TRD diagnostiziert worden, d.h. eine schwere depressive Episode ohne psychotische Merkmale, die trotz 2 oder mehrerer Versuche mit Antidepressiva, einschließlich mindestens einer evidenzbasierten Zweitlinientherapie, anhielt.

Die Patienten mussten mindestens einen Monat vor Beginn der Ketamin-Infusionen ein orales Antidepressivum einnehmen und dies während der gesamten Studiendauer beibehalten.

Die Ketamin-Infusionen wurden über 4 Wochen 2-mal wöchentlich verabreicht. Die genaue Dosierung war gewichtsabhängig.

Nach den 4 Wochen traten die Studien-Teilnehmenden, die einen MADRS-Wert unter 10 erreichten oder deren MADRS-Wert sich gegenüber dem Ausgangswert um mindestens 30% verringert hatte, in eine weitere 4-wöchige Studienphase ein. In dieser Phase wurde den Teilnehmenden 1-mal wöchentlich Ketamin i.v. verabreicht.

Größere randomisierte kontrollierte Studie geplant

In der ersten Phase der Studie kam es bei 15 der 25 Teilnehmenden (60%) zu einem Rückgang der MADRS-Werte um mindestens 30%. Der durchschnittliche Rückgang beim MADRS von Beginn bis Ende der ersten Phase betrug 9,4 Punkte (p < 0,01).

Am Ende der nächsten Phase erfüllte knapp die Hälfte (48%) die Kriterien für ein Ansprechen und 27% für eine Remission.

 
Wir waren mit diesen Ergebnissen sehr zufrieden, da sie die Sicherheit dieser Intervention bei älteren Erwachsenen bestätigen. Dr. Marie Anne Gebara
 

Nach Ketamin-Gabe kam es auch zu einer Verbesserung des „Fluid Cognition Composite Score“ (Effektstärke 0,61), was auf eine mittlere bis große Wirkung hindeutet.

Nebenwirkungen waren insgesamt selten, kein Patient musste die Studienteilnahme vorzeitig beenden, erklärten die Forschenden. 5 der 25 Personen berichteten von einer infusionsbedingten, wenngleich vorübergehenden Hypertonie.

Zu den Einschränkungen der Studie gehören ihre geringe Stichprobengröße sowie das Fehlen einer Randomisierung und einer Placebo-Kontrolle oder Vergleichstherapie.

„Wir waren mit diesen Ergebnissen sehr zufrieden, da sie die Sicherheit dieser Intervention bei älteren Erwachsenen bestätigen“, sagte Gebara. „Nachdem dies und auch ihre Verträglichkeit nachgewiesen sind, können wir auch größere, randomisierte, kontrollierte Studien planen, durch die sich dann die Effektivität der i.v.-Gabe von Ketamin bei älteren Menschen mit TRD bestimmen lässt“, fügte sie hinzu.

Mehrere Mechanismen möglich

Dr. Gerard Sanacora, Professor für Psychiatrie an der Yale University School of Medicine und Direktor des Yale Depression Research Program in New Haven, Connecticut, machte in einem Kommentar gegenüber Medscape mehrere mutmaßliche Mechanismen für die antidepressive Wirkung von Ketamin verantwortlich. Sanacora hat selbst zur Wirkung von Ketamin geforscht, war jedoch an der aktuellen Studie nicht beteiligt.

Dr. Gerard Sanacora

„Ein Großteil der bisherigen Arbeiten konzentrierte sich auf die naheliegenden Effekte des Wirkstoffes auf das Neurotransmittersystem von Glutamat und die daraus resultierende Verstärkung der adaptiven Neuroplastizität in verschiedenen Hirnregionen“, sagte er.

 
Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass andere Neurotransmittersysteme und eventuell auch neuroinflammatorische Regulatoren hier einen Beitrag zur Gesamtwirkung leisten. Dr. Marie Anne Gebara
 

„Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass andere Neurotransmittersysteme und eventuell auch neuroinflammatorische Regulatoren hier einen Beitrag zur Gesamtwirkung leisten“, fügte er hinzu.

Diese Mechanismen würden nach seiner Auffassung vermutlich auch durch die „Hoffnung, den Optimismus, die Erwartungen und die insgesamt bessere medizinische Versorgung, die bekanntermaßen mit Behandlungen einhergehen, die eine engmaschige Überwachung und Nachsorge erfordern, verstärkt.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....