Kombi-Therapie verwandelt Albträume in schöne Träume – mit Vorstellungskraft und einem kleinen Geräusch

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

23. Januar 2023

Patienten mit regelmäßigen Albträumen können lernen, die belastenden Träume in positive Träume umzuwandeln. Diese als Image Rehearsal Therapy (IRT) bezeichnete Strategie hat sich bereits als wirksam erwiesen. Sie könnte aber durch eine Kombination mit bestimmten akustischen Stimuli, die gezielt Gedächtnisinhalte reaktivieren (targeted memory reactivation, TMR), noch signifikant effektiver werden, wie eine kleine Studie aus der Schweiz zeigt [1].

 
Wir konnten eine klinische Reduktion der Häufigkeit von Albträumen bei Patienten mit Albtraumstörung zeigen, indem wir IRT und TMR kombinierten. Prof. Dr. Sophie Schwartz
 

„Wir konnten eine klinische Reduktion der Häufigkeit von Albträumen bei Patienten mit Albtraumstörung zeigen, indem wir IRT und TMR kombinierten“, schreiben die Neurowissenschaftler um Prof. Dr. Sophie Schwartz von der Fakultät für Medizin der Universität Genf, Genf, Schweiz. „Darüber hinaus nahmen Träume mit positiven Gefühlen, sprich Freude, nur in der TMR-Gruppe zu.

Regelmäßige Albträume sind nicht normal

„Viele Menschen haben hin und wieder Albträume. Die Diagnose einer Albtraumstörung wird gestellt, wenn mindestens ein Albtraum pro Woche auftritt und dies klinisch signifikantes Leiden verursacht, zum Beispiel in Form von Angst vor dem Einschlafen oder Durchschlafstörungen“, erklärt Prof. Dr. Michael Schredl, der am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim das wissenschaftliche Schlaflabor leitet. Betroffen seien davon im Erwachsenenalter etwa 5% der Bevölkerung. „Bei Menschen mit Depressionen oder einer Angststörung können sogar 30% betroffen sein“, ergänzt der Traumforscher.

Prof. Dr. Michael Schredl

Die IRT gilt bei einer Albtraumstörung als Methode der ersten Wahl. Ihr Prinzip: Der Patient generiert eine positive Fassung des unangenehmen Traums, die er in den folgenden Wochen im Kopf immer wieder durchgeht. Das Ziel ist es, einen emotional negativ besetzten Traum so zu modifizieren, dass der Traum keine Belastung mehr darstellt.

IRT ist bereits sehr wirksam

„Wir konnten in einer eigenen Studie zeigen, dass selbst eine Kurzform der IRT, bei der die Patienten nur ein einziges Telefongespräch von circa 30 Minuten Dauer mit einem Therapeuten führen und anschließend selbstständig üben, die Häufigkeit von Albträumen reduzieren kann“, berichtet Schredl. „Die Therapie war bei mehr als 80% der Teilnehmenden erfolgreich.“

 
Die Therapie war bei mehr als 80% der Teilnehmenden erfolgreich. Prof. Dr. Michael Schredl
 

Die Forschungsgruppe um Schwartz untersuchte, ob sich der Effekt der IRT durch die gezielte Reaktivierung von Gedächtnisinhalten (targeted memory reactivation, TMR) im REM-Schlaf noch verstärken lässt. „In der Studie wurde untersucht, ob die Kopplung eines akustischen Reizes mit der erfolgreichen Lösung des Albtraums in der Therapiesitzung für die Plastizität, das Lernen und das Konsolidieren des Gelernten im Schlaf, von Vorteil ist“, erklärt Schredl.

Fokus auf einen Albtraum hilft bei allen Albträumen

Traumforscher unterschieden zwischen idiopathischen Albträumen und posttraumatischen Albträumen. „Exakt wiederkehrende Albträume findet man nur bei Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Die meisten Albtraum-Patienten haben zwar eine Palette von verschiedenen Themen, aber keine echten Wiederholungsträume“, so Schredl.

 
[Die IRT] stärkt das Traum-Ich, so dass dieses die schwierigen Albtraumsituationen schon im Traum besser bewältigen kann. Prof. Dr. Michael Schredl
 

Es genügt bei der IRT, sich auf einige wenige Albtraumthemen zu fokussieren und diese in umgewandelter, positiver Fassung immer wieder durchzugehen - pro Albtraum zwei Wochen, jeweils für 5 bis 10 Minuten am Tag. „Es gibt einen Generalisierungseffekt, die IRT wirkt nicht nur auf eine spezielle Traumthematik, sondern generell auf Albträume“, sagt Schredl. „Sie stärkt das Traum-Ich, so dass dieses die schwierigen Albtraumsituationen schon im Traum besser bewältigen kann.“

Tägliche Übung und Töne im REM-Schlaf

Schwartz und ihre Kollegen schlossen in ihre Studie 36 Patienten mit einer idiopathischen Albtraum-Störung ein. Sie hatten im Schnitt 2-3 Albträume pro Woche. Sie alle überlegten sich bei einer ersten IRT-Sitzung eine positive Fassung ihres Albtraums. Aber nur einer Hälfte von ihnen wurde während der Imaginierungsübung ein bestimmter Ton vorgespielt.

In den folgenden 2 Wochen gingen alle Teilnehmenden die positive Fassung ihres Albtraums täglich für mindestens 5 Minuten im Kopf durch. Beim Schlafen trugen sie ein Stirnband, welches die Schlafphasen ermittelte und im REM-Schlaf alle 10 Sekunden den TMR-Ton abspielte – der aber nur den Patienten in der TMR-Gruppe aus der IRT-Sitzung bekannt war. Ihre Träume dokumentierten die Patienten in einem Traumtagebuch.

Die Träume werden angenehmer

Nach 2 Wochen IRT war die Albtraumhäufigkeit in der TMR-Gruppe auf 0,19 Albträume pro Woche gesunken. Auch die Patienten in der Kontrollgruppe hatten weniger Albträume als vor der Therapie. Aber mit 1,02 Albträumen pro Woche waren es noch signifikant mehr als in der Gruppe mit dem zusätzlichen akustischen Stimulus. Selbst nach 3 Monaten hatte die TMR-Gruppe noch immer weniger Albträume als zu Beginn und als in der Kontrollgruppe.

Schwartz und ihre Kollegen machten aber noch eine weitere Entdeckung: Die IRT hatte auch einen Effekt darauf, wie viel Freude die Patienten in ihren Träumen empfanden. Und auch hier zeigte sich, dass die TMR-Gruppe signifikant mehr positive Traumemotionen hatte als die Kontrollgruppe.

Zweifel an massivem Effekt

Der große Unterschied zwischen den beiden Gruppen, speziell hinsichtlich der Häufigkeit von Albträumen, löst bei Traumforscher Schredl allerdings Zweifel aus: „Die Studie zeigt an erster Stelle, dass die IRT sehr gut funktioniert. Dass ein akustischer TMR-Stimulus einen so großen zusätzlichen Effekt hervorbringt, halte ich für unwahrscheinlich.“

 
Dass ein akustischer TMR-Stimulus einen so großen zusätzlichen Effekt hervorbringt, halte ich für unwahrscheinlich. Prof. Dr. Michael Schredl
 

Aus eigener Erfahrung berichtet er: „Wir haben ebenfalls bereits mit Tonpräsentationen im Schlaf gearbeitet und es lässt sich nicht verhindern, dass die Patienten zwischendurch einmal wach werden und den Ton hören. Es ist demzufolge schwer trennbar, ob durch die TMR wirklich die schlafbezogene Gedächtniskonsolidierung verbessert wird oder ein bewusstes Lernen stattfindet, weil die Patienten den Ton hören und sich an ihre positive Traumfassung erinnerten.“ Ob die TMR tatsächlich einen Effekt hat und in welchem Ausmaß müssten Replikationsstudien zeigen.

Hilfe auch bei anderen psychischen Störungen

Schwartz und ihre Kollegen vermuten, dass die TMR-Manipulation möglicherweise einen Prozess beschleunigt, mit dem Träume ihre Funktion, die sie bei der Angstauslöschung spielen, schneller wiedererlangen können. „Deshalb könnte TMR im REM-Schlaf möglicherweise auch als neue ‚Schlaftherapie‘ bei anderen psychischen Erkrankungen genutzt werden, bei denen Defizite bei Angstauslöschung und Gefühlsregulation bestehen, wie Angststörungen, PTSD, affektiven Störungen und Schlafstörungen.“

Und auch Schredl bestätigt: „Es ist durchaus vorstellbar, dass therapeutische Interventionen, die am Tage durchgeführt werden und mit einem Reiz gekoppelt werden, um dadurch die Gedächtniskonsolidierung im Schlaf zu verbessern, wirksamer gemacht werden können. Man darf nicht vergessen, dass jegliche Form von Psychotherapie sehr viel mit Lernen von neuen Fähigkeiten zu tun hat“, kommentiert er.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....