Körperliche Aktivität reduziert depressive Symptome bei Kindern und Jugendlichen, dafür brachte eine Metaanalyse nun die wissenschaftliche Evidenz. Francesco Recchia von der Universität Hongkong und seine Kollegen veröffentlichten ihre Studie in JAMA Pediatrics [1].
„In ihrer systematischen Überprüfung und Metaanalyse erweitern die Autoren die Belege für den gesundheitlichen Nutzen körperlicher Aktivität“, schreiben Dr. Eduardo Bustamante und seine Kollegen in einem Editorial der aktuellen Ausgabe [2].
In der Metaanalyse werteten die Autoren 21 Studien mit insgesamt 2.441 Teilnehmern aus. Ziel war es, einen möglichen Zusammenhang zwischen Interventionen zur körperlichen Aktivität und depressiven Symptomen zu bestimmen. „Die Analyse umfasst Daten von Forschern in den USA, China, Chile, Deutschland, Iran, Brasilien, Thailand und dem Vereinigten Königreich der letzten 35 Jahre – die meisten Studien wurden jedoch in den letzten 10 Jahren durchgeführt“, so Bustamante.
Er bezeichnet die Arbeit als „zeitgemäß“, denn sie komme zu einer Zeit, in der die Fälle psychischer Störungen bei Jugendlichen zunehmen. Ebenso sei die Wahl der Methoden rigoros und beinhalte z.B. Modelle, um zufällige Effekte herauszufiltern, sowie eine Bewertung des Risikos von Verzerrungen und Sensitivitätsanalysen.
„Mit dieser systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wollten wir ein breiteres Spektrum an Studien erfassen, um einen entscheidenden Einblick in den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und depressiven Symptomen bei Kindern und Jugendlichen zu gewinnen“, schreiben Recchia und sein Team. „Außerdem wollten wir mögliche teilnehmer- und studienbezogene Merkmale identifizieren, die den Gesamteffekt der Behandlung abschwächen könnten.“
Depressionen und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind seit Beginn der COVID-19-Pandemie laut einem Report der DAK-Gesundheit deutlich gestiegen. Kinder und Jugendliche mit depressiven Symptomen haben ein erhöhtes Risiko, eine ausgeprägte Depression oder Angststörung im Erwachsenenalter zu entwickeln.
Zu wenige junge Patienten erhalten jedoch eine entsprechende Therapie, laut einer US- Umfrage unter Jugendlichen nur etwa 34%. Neben der Behandlung einer Depression durch Psychotherapie oder Pharmakotherapie, könnte nun körperliche Aktivität komplementär oder alternativ als leicht zugängliche Methode eingesetzt werden, um die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.
Durchführung der Metaanalyse
Die Autoren analysierten anfangs 104 Studien und schlossen davon 21 in die Metaanalyse ein (mit 2.441 teilnehmenden Kindern und Jugendlichen unter 19 Jahren). Darunter befanden sich 17 randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und 4 quasi-experimentelle, nicht-randomisierte Studien (NRCTs).
Unter den 2.441 Teilnehmern waren 53,0% weibliche Kinder bzw. Jugendliche mit einem mittleren Alter von 14 Jahren. In 12 Studien waren Teilnehmer eingeschlossen, die an einer somatischen oder psychiatrischen Erkrankung litten, darunter Depression, Fettleibigkeit, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Diabetes.
Die häufigste Form der Aktivität in den eingeschlossenen Studien war eine aerobe körperliche Aktivität von 50 Minuten, die 3-mal pro Woche, nicht-beaufsichtigt, über einen Zeitraum von im Mittel 22 Wochen (6 – 144 Wochen) durchgeführt wurde. Depressive Symptome wurden mit Hilfe einer validierten Depressions-Bewertungsskala bestimmt. In 4 Studien wurde der Effekt der physischen Aktivität mit einem Follow-up von im Mittel 21 Wochen nach Ende der Intervention untersucht.
Durch Interventionen mit körperlicher Aktivität waren depressive Symptome signifikant reduziert im Vergleich zu Kontrollgruppen (Hedges g −0,29; 95%-Konfidenzintervall [KI] −0,47 bis −0,10; p = 0,004). Die Autoren verwendeten für die statistische Analyse die Messgröße Hedges g, welche unterschiedliche Stichprobengrößen bei der Berechnung der Effektgröße berücksichtigt. Die Auswertung der 4 Studien mit Follow-up-Daten zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen „aktiven“ Gruppen und Kontrollgruppen (g −0,39; 95%-KI −1,01 bis 0,24; p = 0,14).
Eine Moderationsanalyse, welche das Gesamtvolumen der physischen Aktivität, das Studiendesign, den Gesundheitsstatus der Teilnehmer und eine verdeckte Zuteilung oder Bewertung berücksichtigte, schwächte den Behandlungseffekt nicht ab.
Größter Benefit für vorerkrankte Jugendliche ab 13 Jahren
Eine Zweitanalyse zeigte, dass die Charakteristika der Teilnehmer den Behandlungseffekt beeinflussten: Bei Teilnehmern, die älter als 13 Jahre waren und bei denen zuvor eine psychische Erkrankung oder eine Depression diagnostiziert worden war, gingen die depressiven Symptome am deutlichsten zurück.
Ob ein Zusammenhang mit Parametern der körperlichen Aktivität – wie Häufigkeit, Dauer und Überwachung – besteht, konnte in der Metaanalyse nicht geklärt werden und erfordert weitere Untersuchungen.
Die Autoren schlussfolgern, dass die Interventionen bei Teilnehmern im Alter von 13 Jahren oder älter und mit einer psychischen Erkrankung oder Depressionsdiagnose einen großen Nutzen zeigten. Dies führen die Autoren darauf zurück, „dass jüngere Kinder bereits ausreichend aktiv sind und daher nicht so sensitiv auf zusätzliche Interventionen reagieren, während ihre älteren und öfter sitzenden Altersgenossen möglicherweise mehr von einer Intervention profitieren.“
Körperliche Aktivität als Behandlung gut in den Alltag integrierbar
Da die meisten der analysierten Studien sich auf eine betreute Schulintervention bezogen, in der die Schüler durch ein breites Sportangebot wie Spiele und einfache aerobe Übungen (Laufen, Springen) zur Bewegung animiert worden waren, halten die Autoren diese Maßnahmen für gut in den Alltag der Jugendlichen integrierbar: „Körperliche Aktivität, insbesondere aerobes Training, ist für Kinder geeignet, da es ein wichtiger Bestandteil der meisten sportlichen Aktivitäten ist und leicht in den Sportunterricht integriert werden kann.“
Die Metaanalyse „stärkt die Rolle der körperlichen Aktivität bei der Bewältigung depressiver Symptome“, so Recchia und seine Kollegen, weshalb es wichtig sei, das Potenzial solcher strukturierten Sportprogramme in den Grund- und Sekundarschulen zu nutzen und somit die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.
Die Autoren spekulieren außerdem, dass eine Kombination von Pharmakotherapie und körperlicher Aktivität die Rückfallrate verringern und, im Vergleich zur Pharmakotherapie allein, die Adhärenz zur medikamentösen Therapie und das Management von Nebenwirkungen verbessern könnte.
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Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Metastudie bestätigt: Kindern und Jugendlichen mit Depression oder psychischen Problemen helfen Sport und Bewegungsspiele - Medscape - 19. Jan 2023.
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