Viele neue Regeln in 2023 – wichtige Änderungen im Gesundheitswesen für Praxen und Kliniken

Marina Urbanietz, Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

18. Januar 2023

Auch 2023 erwarten Ärztinnen und Ärzte in Praxis und Klinik einige Neuregelungen im Gesundheitswesen. Erfahren Sie hier, welche Änderungen für Praxen und Kliniken relevant werden, bei welchem Eingriff Versicherte nun auch Anspruch auf eine Zweitmeinung haben sowie Updates beim Notfallvertretungsrecht und der Verordnung.

eAU: Seit Januar für alle Arbeitgeber Pflicht

Arbeitgeber sind in diesem Jahr dazu verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeitsdaten ihrer gesetzlich versicherten Beschäftigten elektronisch bei den Krankenkassen abzurufen. Arbeitnehmer müssen sich dann lediglich noch „krankmelden“, die Pflicht zur Vorlage der Bescheinigung ist gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Dies gilt auch für Praxen.

Mit der Umstellung des Verfahrens müssen Arztpraxen nicht mehr in jedem Fall ihren Patientinnen und Patienten eine ausgedruckte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) für den Arbeitgeber aushändigen. Dies ist nur noch in Ausnahmefällen, zum Beispiel für Arbeitslose, oder auf Wunsch des Patienten erforderlich.

Mehr Informationen hierzu finden Sie bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Neues zur elektronischen Patientenakte

2023 wird die elektronische Patientenakte (ePA) um neue Funktionen erweitert. Versicherte können dann in ihrer ePA weitere medizinische Informationen speichern, u.a.:

  • Daten zur Arbeitsunfähigkeit in Form der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung,

  • Krankenhaus-Entlassungsbriefe,

  • Laborwerte,

  • Pflegeüberleitungsbögen,

  • Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten oder

  • digitale Gesundheitsanwendungen.

Vertragsärzte und -psychotherapeuten erhalten weiterhin 10 Euro für die Erstbefüllung der ePA (GOP 01648 einmal pro Patient).

TI-Pauschale

Für die Finanzierung der Ausstattungs- und Betriebskosten gibt es künftig eine monatliche TI-Pauschale (Telematik-Infrastruktur). Die konkrete Höhe der Pauschale und welche Komponenten und Dienste zur erforderlichen Ausstattung der Praxen gehören, sollen KBV und GKV-Spitzenverband für jeweils 2 Jahre festlegen – erstmals zum 30. April 2023. Können sich die Beteiligten nicht einigen, wird das Bundesgesundheitsministerium die Pauschale festlegen.

Ausgezahlt werden soll die Pauschale erstmals am 1. Juli 2023. Für Praxen bedeutet die neue Finanzierungsregelung, dass sie bei Neuanschaffungen erst einmal in Vorleistung gehen müssen.

Orientierungswert um 2% gestiegen

Der Orientierungswert ist mit Jahresbeginn auf 11,4915 Cent gestiegen (2022: 11,2662 Cent). Damit erhöhen sich die Preise aller ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen um 2%.

Die KBV klagt gegen diesen Beschluss und möchte erreichen, dass die Praxen einen Ausgleich für die aktuell steigenden Kosten aufgrund der hohen Inflationsrate erhalten.

Terminvermittlung: Praxen erhalten höhere Zuschläge

Die Zuschläge für eine schnelle Terminvermittlung wurden zum 1. Januar 2023 deutlich angehoben. Außerdem erhalten Hausärzte statt 10 Euro nun 15 Euro, wenn sie für ihre Patienten einen dringenden Termin beim Facharzt vereinbaren.

Dies hat der Bundestag im Oktober im Zusammenhang mit der Abschaffung der Neupatientenregelung beschlossen. Detaillierte Informationen finden Sie hier.

Neue GOP für Labornachweis des Affenpocken-Erregers

Für den Nukleinsäure-Nachweis des Affenpocken (Mpox)-Erregers gibt es die neue GOP 32810 im EBM. Sie ersetzt die bisherige Pseudo-Gebührenordnungsposition 88740. Die neue GOP ist mit 19,90 Euro bewertet und kann bis zu 3-mal im Behandlungsfall abgerechnet werden.

Ambulantes Operieren: Neue Eingriffe und höhere Vergütung

Viele Eingriffe, die bisher stationär erbracht werden, könnten nun auch ambulant stattfinden. KBV und GKV-Spitzenverband haben deshalb zum Jahresende ein Maßnahmenpaket beschlossen, das die Ambulantisierung vorantreiben soll. Das Paket beinhaltet:

  • höhere Vergütungen für ausgewählte ambulante Operationen (rund 500 OPS-Kodes) – die Vergütung dieser ausgewählten Operationen steigt dadurch um 16 bis 42%;

  • eine Reihe von stationären Eingriffen, die ab Januar ambulant von Vertragsärztinnen und -ärzten durchgeführt werden können – insgesamt werden 196 OP-Verfahren in Anhang 2 des EBM aufgenommen: Neurostimulatoren, Rhythmuschirurgie (Erweiterung Schrittmacher, Defibrillatoren), Ophthalmochirurgie, proktologische und gynäkologische Eingriffe, arthroskopische Gelenkeingriffe/Eingriffe an den Bewegungsorganen;

  • Möglichkeit einer verlängerten postoperativen Überwachung;

  • Überprüfung und gegebenenfalls angepasste Bewertung sämtlicher ambulanter und belegärztlicher Leistungen im EBM.

Weitere Informationen wie eine Übersicht der neuen Bewertungen sowie die neuen Kodes finden Sie bei der KBV.

Neue ambulante Therapie bei Knorpelschäden am Knie

Die Matrix-assoziierte autologe Chondrozyten-Implantation (M-ACI) wurde zum 1. Januar in den EBM aufgenommen. Gesetzlich Versicherten, die unter schweren Knorpelschäden am Knie leiden, steht damit eine neue ambulante Therapieoption zur Verfügung. W

eitere Informationen zur M-ACI und den neuen OPS-Kodes stellt die KBV bereit.

Neue Gebührenordnungsposition für gynäkologische Zytologie

Niedergelassene Frauenärzte können künftig immun-zytologische Untersuchungen der Zervix kurativ abrechnen. Abrechnungsberechtigt sind Pathologen sowie Frauenärzte mit der Zusatz-Weiterbildung in gynäkologischer Exfoliativ-Zytologie. Mit der Erweiterung um immunzytologische Untersuchungen, die seit 1. Januar gilt, wird die kurative Zervix-Zytologie im EBM an die Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Gynäkologische Exfoliativ-Zytologie der Musterweiterbildungsordnung 2018 angepasst.

Für die Abrechnung nutzen Praxen ab 1. Januar die Gebührenordnungsposition (GOP) 19327. Detaillierte Informationen finden Sie bei der KBV.

COVID-19-Impfpflicht für Gesundheitspersonal entfällt

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist mit Ablauf des 31. Dezember 2022 entfallen. Ende November hatte das Bundesgesundheitsministerium beschlossen, sie nicht zu verlängern. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass eine Impfung kaum oder gar nicht vor der Übertragung der neuen Omikron-Varianten schütze.

COVID-19-Impfung erst ab 8. April 2023 in der Regelversorgung

Schutzimpfungen gegen COVID-19 können weiterhin wie bisher in den Praxen erfolgen – bis zum 8. April zahlt der Bund. Danach gehen die Impfungen in die Regelversorgung über.

Außerdem wurde die COVID-19-Impfung in die Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) aufgenommen. Allerdings sind zukünftig Empfehlungen der Ständigen Impfkommission notwendig, die nicht alleine auf eine pandemische Situation ausgerichtet sind.

COVI-19-Präexpositionsprophylaxe: Beratung wird vergütet

    Für die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) einer COVID-19-Erkrankung mit dem monoklonalen Antikörper Evusheld® gibt es nun die neue GOP 01940 im EBM (18,73 Euro). Sie ist 2-mal im Krankheitsfall (= 4 Quartale) berechnungsfähig – sofern die PrEP mindestens einmal verabreicht wurde. Abrechnungsberechtigt sind Hausärzte, Kinder- und Jugendmediziner sowie Internisten.

    Das Mittel ist für Personen ab 12 Jahren (mindestens 40 kg Körpergewicht) zugelassen, bei denen:

    • kein ausreichender Immunschutz durch eine Impfung erreicht werden kann oder

    • die Impfung kontraindiziert ist oder wenn

    • Risikofaktoren für einen schweren Verlauf vorliegen.

    Telefon-AU bis Ende März 2023 möglich

    Krankschreibungen wegen Erkältungsbeschwerden bleiben noch bis zum 31. März 2023 auch telefonisch möglich – ohne extra Besuch in der Praxis. Dies teilt der G-BA mit.

    Zweitmeinung jetzt auch bei Entfernung der Gallenblase

    Vor einer geplanten Entfernung der Gallenblase haben gesetzlich Versicherte seit 1. Januar 2023 Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Ärztinnen und Ärzte, die als „Zweitmeiner“ tätig sein möchten, können nunmehr eine Genehmigung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen. Diese Möglichkeit besteht für Internisten und Gastroenterologen, Kinder-Gastroenterologen sowie für Allgemein-, Viszeral-, Kinder- und Jugendchirurgen.

    Ausführlichere Informationen, etwa zu den notwendigen Qualifikationen der „Zweitmeiner“, lesen Sie hier.

    Bei diesen planbaren Eingriffen besteht derzeit ein rechtlicher Zweitmeinungsanspruch:

    • Amputation beim diabetischen Fußsyndrom,

    • Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie),

    • Eingriff an der Wirbelsäule,

    • Gallenblasenentfernung (Cholezystektomie),

    • Gebärmutterentfernung (Hysterektomie),

    • Gelenkspiegelungen an der Schulter (Schulterarthroskopie),

    • Herzkatheteruntersuchung und Ablationen (Verödungen) am Herzen,

    • Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Defibrillators,

    • Implantation einer Knieendoprothese.

    Geplant ist laut G-BA in 2023, als weitere Indikation das Ersetzen des Hüftgelenks in das Zweitmeinungsverfahren aufzunehmen.

    Höhere Mindestmengen für komplexe Operationen

    Vom 1. Januar 2023 müssen Kliniken bei bestimmten komplexen Eingriffen höhere Fallzahlen vorweisen, um die Operationen durchführen zu können. Zum Beispiel:

    • So haben sich die sogenannten Mindestmengen bei Operationen an der Speiseröhre von 10 auf 26 Fälle pro Jahr und Standort erhöht.

    • Für die Versorgung extrem kleiner Frühchen müssen die Perinatalzentren jetzt 20 statt wie bisher 14 Fälle behandeln.

    • Zudem hat der G-BA die Mindestmengen für die Transplantation von allogenen Stammzellen erhöht.

    Mehr Informationen finden Sie beim G-BA.

    Mehr Pflegepersonal in Urologie, Rheumatologie und HNO

    Seit 1. Januar 2023 müssen auch urologische und rheumatologische Kliniken sowie Fachabteilungen der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bestimmte Vorgaben zur personellen Besetzung der Pflege auf ihren Stationen einhalten.

    Weitere Informationen finden Sie hier.

    Weniger Dokumentation in der Psychiatrie

    Kliniken der Psychiatrie und Psychosomatik müssen die stations- und monatsbezogenen Nachweispflichten der Richtlinie zur Personalausstattung von psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen (PPP-RL) vorerst nicht erfüllen.

    Weitere Details finden Sie beim G-BA.

    Mehr Orientierung zu Mindestmengen-Regelungen in Krankenhäusern

    Auf den Internetseiten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) können sich Patientinnen und Patienten künftig darüber informieren, welche Krankenhausstandorte in der näheren und weiteren Umgebung berechtigt sind, bestimmte planbare und mindestmengenrelevante stationäre Leistungen zu erbringen.

    Nach Eingabe von Postleitzahl und geplantem Eingriff werden entsprechende Krankenhausstandorte in der Nähe angezeigt, die die Mindestmengen erreichen.

    Notfallvertretung neu geregelt

    Seit 1. Januar 2023 gilt das sogenannte Notvertretungsrecht (§ 1358 Bürgerliches Gesetzbuch). Danach dürfen sich Eheleute und eingetragene Lebensgemeinschaften in einer Notfallsituation wie Unfall oder Erkrankung gegenseitig vertreten und für den anderen gesundheitliche Entscheidungen treffen.

    Bisher konnten sich Ehepartner in einer medizinischen Notsituation nur dann rechtlich gegenseitig vertreten, wenn eine gemeinsame Vorsorgevollmacht vorlag. Das Gesetz umfasst die gesundheitliche gegenseitige Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für maximal 6 Monate. 

    Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege

    Zum 1. Januar 2023 ist die neue Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege in Kraft getreten. Damit wird die außerklinische Intensivpflege aus der Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege herausgelöst.

    Allerdings hat der G-BA eine Übergangsregelung geschaffen: Diese besagt, dass bis einschließlich 30. Oktober 2023 das Verordnen von Leistungen zur außerklinischen Intensivpflege nach der Richtlinie zur häuslichen Krankenpflege weiterhin möglich ist.

    Über den genauen Ablauf der Verordnung sowie über die ärztliche Qualifikation informiert die KBV.

    Verordnung von Rehabilitationssport und Funktionstraining

    Neuerungen betreffen hier unter anderem die Angabe von Diagnosen, aber auch die Verordnung von Herzsport bei Herzinsuffizienz. Auch das dazugehörige Verordnungsformular (Muster 56) wurde angepasst. Die bisherigen Formulare dürfen ab Januar nicht mehr verwendet werden.

    Diagnoselisten für Heilmittel angepasst

    Der G-BA hat die Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf um zusätzliche Diagnosen ab Januar 2023 ergänzt. Unter anderem wurden weitere neuromuskuläre Erkrankungen sowie Mehrfachamputationen an Armen und Beinen ergänzt.

    Hier finden Sie die aktuelle Diagnoseliste (Stand 1. Januar 2023).

    Kassen bezahlen Krankenfahrten auch zu Früherkennungsuntersuchungen

    Für Versicherte mit einer stark eingeschränkten Mobilität übernehmen die Krankenkassen Fahrtkosten auch zu Gesundheits- und Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Ärztinnen und Ärzte können seit 11. Januar anspruchsberechtigten Patienten somit auch in diesen Fällen eine Verordnung ausstellen. Eine Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht erforderlich.

    Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

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