Paris – Man geht in Frankreich davon aus, dass bei 70% der Paare die Empfängnisverhütung „Frauensache“ ist. In Deutschland nehmen laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung etwa die Hälfte der Frauen die Pille und fast die Hälfte der Männer ein Kondom (im Alter von unter 30 Jahren). Die Zahl der Frauen, die Hormone schlucken, sinkt und der Druck auf Männer steigt, selbst Verantwortung für die Verhütung zu übernehmen. Die WHO empfiehlt für Männer aktuell 3 Formen der Empfängnisverhütung: das Kondom, den Coitus interruptus und die Vasektomie.
Eine ungewöhnliche Alternative hat nun Vincent Foulonneau, Statistiker am Universitätskrankenhaus von Toulouse, auf dem Jahreskongress der Französischen Urologischen Gesellschaft 2022 vorgestellt: eine Studie zur Verträglichkeit des kontrazeptiven Andro-Switch-Hodenrings [1].
Der Hodenring aus Silikon, der nicht zu den empfohlenen Verhütungsmethoden zählt, beruht auf demselben Prinzip wie der Thermo-Slip: Der Penis und die Haut des Hodensacks werden durch den Ring gezogen, sodass die Hoden nach oben in Richtung Körper geschoben werden. In dieser Position erwärmt sich durch die höhere Körpertemperatur der Hoden und die Apoptose der Spermien wird eingeleitet. Dazu muss der Ring jedoch täglich über 15 Stunden getragen werden und seine Wirkung setzt erst nach 3 Monaten ein.
Die französische Behörde für Sicherheit und Zulassung von Medikamenten und Gesundheitsprodukten hat die Erlaubnis zum Verkauf des Geräts Mitte Dezember 2021 ausgesetzt, da das Produkt über keine CE-Kennzeichnung verfügte – „die einzige Möglichkeit, seine Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten“. Es wird jedoch von der Firma Thoreme weiterhin für rund 40 € offiziell unter dem Begriff „Kunstobjekt“ verkauft.
Gründe für eine Anwendung
Ende 2021 führten Foulonneau und sein Team eine kleine, unabhängige Beobachtungs- und Querschnittsstudie durch, um die Motive der Nutzer des Geräts zu untersuchen und etwas über sein Verträglichkeitsprofil und die Folgen der Anwendung für das Sexualleben zu erfahren.
Die Teilnehmer wurden bei ärztlichen Konsultationen rekrutiert, bei denen sie um Unterstützung baten. An 75 Männer wurde anschließend ein Online-Fragebogen verschickt.
Dieser umfasste 15 Fragen: 3 zur Epidemiologie, eine zu den Beweggründen, 3 zur Einhaltung der Gebrauchsanweisung, 4 zu den Nebenwirkungen (z.B. Unwohlsein, Schmerzen, Hautreaktionen, Beeinträchtigung bei sportlichen Aktivitäten) und 4 zu möglichen sexuellen Auswirkungen. Der Rücklauf betrug 40,3% bzw. 37 Antworten.
Unter den Anwendern waren 40,5% zwischen 30 und 34 Jahre alt, 24,3% zwischen 24 und 29, 21,6% zwischen 35 und 39, 8,1% 40 Jahre und älter und 5,4% unter 24. Mit 78,4% lebte der weitaus größte Teil in einer Beziehung, die zum Zeitpunkt der Studie bei 76% der Teilnehmer bereits 1 bis 6 Jahre dauerte.
Als wichtigste Gründe für die Verwendung des Rings wurden das Teilen der Verantwortung für die Empfängnisverhütung (89,2%), das Vermeiden einer Schwangerschaft (78,4%), die Reversibilität der Anwendung (73%), die Schwierigkeit, geeignete und gut verträgliche Verhütungsmethoden für die Frau zu finden (67,6%) sowie seine einfache Anwendbarkeit (43,2%) genannt.
Angaben zur Verträglichkeit
Auf die Frage, wie belastend es sei, das Gerät 15 Stunden täglich zu tragen, wählten 33,3% auf einer Skala von 0 bis 10 den Wert 0 für „überhaupt nicht“, 42% einen Wert zwischen 1 und 3 und 16% einen Wert zwischen 8 und 10 für „sehr“".
Insgesamt hatten fast 20% der Befragten in den letzten 3 Monaten die Nutzung dieser Verhütungsmethode zumindest vorübergehend ausgesetzt.
Etwa 20% der Nutzer gaben an, keinerlei unerwünschte Wirkungen verspürt zu haben, 28,6% beschrieben ein Unwohlsein, 8,6% Schmerzen, 74,3% Hautreaktionen (Rötung, Reizung, Juckreiz) und 11,4% klagten über ein Unbehagen im Rahmen regelmäßiger sportlicher Aktivitäten.
In Bezug auf die Sexualität blieben die Häufigkeit der Sexualkontakte, ihre Qualität und die Libido bei 85,7%, 88% bzw. 88,6% der Befragten unverändert. Die Qualität der Paarbeziehung und die Libido verbesserten sich für 11,4%.
Foulonneau hob hervor, dass die Daten in Bezug auf die Sexualität beruhigend seien, während die Verträglichkeit nicht optimal zu sein scheine: 80% der Teilnehmenden hatten geringfügige unerwünschte Wirkungen und 3 Männer brachen die Anwendung sogar wegen zu schlechter Verträglichkeit ab.
Er wies darauf hin, dass eine der Limitierungen der Studie sicherlich darin bestehe, dass die Hälfte der Nutzer nicht an der Umfrage teilgenommen habe.
Obwohl die eigentliche Wirksamkeit des Verfahrens nicht analysiert worden war (die Spermiogrammdaten waren nicht vollständig), erwähnte Foulonneau, dass es während des Beobachtungszeitraumes in einem Fall zu einer ungewollten Schwangerschaft gekommen sei.
„Die Wirksamkeit der Methode ist die eigentliche Frage. Um diese zu beurteilen, sind jedoch umfassendere Untersuchungen erforderlich“, sagte Foulonneau gegenüber Medscape. „Diese Verhütungsmethode befindet sich noch in der Testphase, und da das Gerät derzeit keine CE-Kennzeichnung hat, sollte es in der täglichen Praxis auch nicht empfohlen werden“, schloss er.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Photographer: © Megaflopp
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Thermische Verhütung für den Mann: Wie (un)angenehm sind kontrazeptive Hodenringe? Eine kleine Studie klärt auf - Medscape - 16. Jan 2023.
Kommentar