Tiefer gehende Probleme?  Prokrastination ist mit schlechterer psychischer Gesundheit verknüpft – und mit ungesunder Lebensweise

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

11. Januar 2023

Prokrastination – auch „Aufschieberitis“ genannt – ist mit einem schlechteren Gesundheitszustand assoziiert. Das legen die Ergebnisse einer Kohortenstudie unter schwedischen Studenten nahe, die jetzt im JAMA erschienenen ist [1]

Dr. Fred Johansson vom Department of Health Promotion Science der Sophiahemmet University in Stockholm und sein Team hatten 3.525 Studenten untersucht. Sie fanden heraus, dass Prokrastination einhergeht mit:

  • einer schlechteren psychischen Gesundheit (Depression, Angst und Stresssymptome), 

  • Schmerzen in den oberen Extremitäten, 

  • ungesundem Lebensstil (schlechte Schlafqualität und Bewegungsmangel) und 

  • schlechterer psychosozialer Gesundheit (mehr Einsamkeit und wirtschaftliche Schwierigkeiten).

Prokrastination ist definiert als das freiwillige Aufschieben einer beabsichtigten Handlung, obwohl man weiß, dass das Verzögern die Situation verschlechtert. Vor allem unter jüngeren Menschen ist Prokrastination weit verbreitet. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens die Hälfte der Universitätsstudenten eine beständige und problematische Prokrastination betreibt, z.B. das Aufschieben des Lernens für Prüfungen oder das Schreiben von Arbeiten

Beschrieben wird Prokrastination als eine Form des Versagens der Selbstregulierung, die mit Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängt wie Impulsivität, Ablenkbarkeit und geringer Gewissenhaftigkeit. Die Neigung einer Person zu Prokrastination ist im Lauf der Zeit relativ stabil, allerdings wird das spezifische Prokrastinationsverhalten vom Kontext beeinflusst – wie z.B. der Abneigung gegenüber einer Aufgabe.

Studie liefert Längsschnittdaten

Bereits früher hatten Querschnittsuntersuchungen daraufhin gedeutet, dass Prokrastination mit psychischen und physischen Gesundheitsproblemen in Verbindung steht, allerdings gibt es bislang kaum Längsschnittdaten, schreiben Johansson und seine Kollegen. 

Ihre Studie basiert auf der Erhebung „Sustainable University Life“, die zwischen dem 19. August 2019 und dem 15. Dezember 2021 durchgeführt wurde. Studierende von 8 Universitäten im Großraum Stockholm und Örebro wurden zu 5 Zeitpunkten über ein Jahr hinweg beobachtet. Johansson und sein Team verwendeten für ihre Analyse die Daten von 3.525 Studenten aus 3 Zeitpunkten, um zu beurteilen, ob Prokrastination 9 Monate später mit schlechterer Gesundheit verbunden war.

2.229 der Teilnehmer waren Frauen (63%); das mittlere Alter lag bei 24,8 Jahren (Standardabweichung [SD] 6,2). Am Follow-up 9 Monate später nahmen noch 2.587 Probanden (73%) teil.

Die Forscher maßen die Prokrastination der Probanden anhand der Werte auf der schwedischen Version der Pure Procrastination Scale (PPS). Die Studenten bewerteten dort 5 Aussagen anhand der Likert-Skala von 1 („sehr selten oder trifft nicht auf mich zu“) bis 5 („trifft sehr oft oder immer auf mich zu“). Der zu erreichende Gesamtwert lag zwischen 5 und 25 – und je höher der Wert war, desto ausgeprägter die Prokrastination.

Höheres Prokrastinationsniveau bei Studenten technischer Fächer

Bei der Nachbeobachtung nach 9 Monaten wurden 16 Gesundheitsprobleme bewertet. Dazu gehörten: 

  • psychische Probleme (Depressions-, Angst- und Stresssymptome), 

  • einschränkende Schmerzen (Nacken und/oder oberer Rücken, unterer Rücken, obere und untere Extremitäten), 

  • ungesunde Lebensgewohnheiten (schlechter Schlaf, zu wenig Bewegung, Tabak-, Cannabis- und Alkoholkonsum sowie Auslassen des Frühstücks), 

  • psychosoziale Gesundheit (Einsamkeit und wirtschaftliche Schwierigkeiten) und 

  • der allgemeine Gesundheitszustand.

Der mittlere Prokrastinationswert bei Studienbeginn betrug 12,9 (SD 5,4). 

Ein Anstieg der Prokrastination um 1 SD war nach 9 Monaten mit höheren mittleren Symptomwerten von Depression (β [als Maß für die standardisierte Effektgröße] 0,13; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,09-0,17), Angst (β 0,08; 95%-KI 0,04-0,12) und Stress (β 0,11; 95%-KI 0,08-0,15) assoziiert; sowie mit beeinträchtigenden Schmerzen in den oberen Extremitäten (Relatives Risiko [RR] 1,27), schlechtem Schlaf (RR 1,09), körperlicher Inaktivität (RR 1,07), Einsamkeit (RR 1,07) und wirtschaftlichen Schwierigkeiten (RR 1,15). 

Geschlecht und Alter waren bei allen Prokrastinationsniveaus ähnlich. Aber Teilnehmer, die ein höheres Prokrastinationsniveau aufwiesen, studierten eher technische Fächer, waren ledig und wurden außerhalb Europas geboren. 

„Unsere Ergebnisse deuten hin, dass Prokrastination mit späteren psychischen Gesundheitsproblemen, einschränkenden Schmerzen, ungesunder Lebensweise und schlechterer psychosozialer Gesundheit in Verbindung steht. Berücksichtigt man, dass Prokrastination unter Universitätsstudenten weit verbreitet ist, könnten diese Ergebnisse für ein besseres Verständnis der Gesundheit von Studenten von Bedeutung sein“, schreiben die Autoren.

 
Unsere Ergebnisse deuten hin, dass Prokrastination mit späteren psychischen Gesundheitsproblemen, einschränkenden Schmerzen, ungesunder Lebensweise und schlechterer psychosozialer Gesundheit in Verbindung steht. Dr. Fred Johansson und Kollegen
 

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