Über aktuelle Fragestellungen, die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber jetzt prüfen sollten, sprach Coliquio mit Dr. jur. Florian Hölzel, Fachanwalt für Medizin- und Arbeitsrecht. Denn die sind brandaktuell, betreffen sie doch Maßnahmen zur Abmilderung der Energiekrise in den Arztpraxen oder arbeitsrechtliche Möglichkeiten, um auf die weiterhin oft alarmierenden Personalengpässe zu reagieren.
Coliquio: Die Energiekrise treibt die Branche um. Viele Ärztinnen und Ärzte fragen sich: Kann ich meine Arztpraxis aus Energiespargründen nur noch an 4 Tagen in der Woche öffnen?
Hölzel: Zulassungsrechtlich ist das absolut möglich. Die Präsenzpflicht der Ärztinnen und Ärzte verlangt schließlich nur, dass sie 25 Sprechstunden wöchentlich anbieten müssen. Die Verteilung auf die einzelnen Wochentage bleibt grundsätzlich den Einzelnen überlassen.

Dr. jur. Florian Hölzel
Das Problem ist jedoch die Realisierung der Sprechstundenpflicht während einer 4-Tage-Woche. Für das Praxispersonal darf die werktägliche Arbeitszeit nicht mehr als 8 Stunden betragen. Bei einer 4-Tage-Woche bedeutet das: Die Praxis muss dann zumindest teilweise in einem 2-Schicht-System geführt werden.
Coliquio: Welche Auswirkungen kann diese Maßnahme auf die Arbeitsverträge meiner ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter haben?
Hölzel: Die Verkürzung der Arbeitswoche wird problematisch, wenn Medizinische Fachangestellte (MFA) arbeitsvertraglich eine 5-Tage-Woche vereinbart haben. Hier sind einseitige Lösungen theoretisch denkbar. Die praktische Umsetzung ist allerdings schwierig.
Coliquio: Müssen Teammitglieder Änderungskündigungen denn akzeptieren?
Hölzel: Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes müssen Änderungskündigungen nur dann hingenommen werden, wenn sie sozial gerechtfertigt sind. Dies hängt von vielen Faktoren ab, die im Einzelfall geprüft werden müssen.
Videosprechstunden im Homeoffice?
Coliquio: Der ein oder andere mag mit der Möglichkeit liebäugeln, Videosprechstunden anzubieten. Dürfen angestellte Ärztinnen und Ärzte auch im Homeoffice Videosprechstunden durchführen?
Hölzel: Auch hier hängt die Zulässigkeit wieder von der Auslegung der zulassungsrechtlichen Normen zur Präsenzpflicht ab. Grundsätzlich ist die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an den Ort der Niederlassung, also an die Arztpraxis, gebunden. Ob dies in gleichem Umfang auch für Videosprechstunden gilt, muss aktuell jedoch bezweifelt werden. Nach meiner Auffassung ist die Zielrichtung des Gesetzes hier aber ja die Qualitätssicherung der ärztlichen Leistungserbringung und nicht die Bindung an den Praxissitz.
Maskenpflicht möglich?
Coliquio: Gerade in den Arztpraxen wird das Ansteckungsrisiko weiter hoch bleiben. Aktuell schaffen einige Bundesländer sogar die sogenannte Isolationspflicht ab. Können Praxisinhaber eine Maskenpflicht für das Praxispersonal anordnen?
Hölzel: Hier besteht ein Spannungsfeld zwischen Patientenschutz und Selbstbestimmungsrecht der Mitarbeitenden. Die Medizinerinnen und Mediziner werden diese Güter in der Entscheidung abzuwägen haben. Und da gibt es schließlich unterschiedliche Gesichtspunkte zu beachten: So wird bei der Behandlung von Hochrisikopatienten mit geschwächtem Immunsystem sicherlich anders verfahren werden als in der Regel-Sprechstunde.
Welche Auswirkungen hat das Urteil zur Arbeitszeiterfassung?
Coliquio: Vor wenigen Wochen erging ein Urteil zur Arbeitszeiterfassung, das hohe Wellen schlug. Müssen Ärztinnen und Ärzte als Arbeitgeber nun die Arbeitszeit des Praxispersonal erfassen? Und andersherum gefragt: Können angestellte Medizinerinnen und Mediziner eine Arbeitszeiterfassung vom Arbeitgeber verlangen?
Hölzel: Die Arbeitszeiterfassung gilt für alle Arbeitgeber unabhängig von ihrer Betriebsgröße und damit auch für Arztpraxen. Die in der medialen Reaktion auf das Urteil geäußerte Befürchtung einer „Rückkehr zur Stechuhr“ und zum „Tod der Vertrauensarbeitszeit“ gehen jedoch über das Ziel hinaus.
Wichtig ist zu schauen, was die vom Bundesarbeitsgericht benannten Normen im Einzelnen fordern – deshalb müssen wir aktuell noch auf die im Detail ausgeführte Urteilsbegründung warten.
Änderungen beim Nachweisgesetz
Coliquio: Seit August 2022 müssen Arbeitgeber bei Arbeitsverträgen konform zum neu erlassenen Nachweisgesetz agieren. Tun Sie das nicht, drohen Strafen. Worauf sollten Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber besonders achten?
Hölzel: Die Neuregelung des Nachweisgesetzes geht in Teilen weit über die bisherige Dokumentationspflicht hinaus. Hier ist Handeln das Gebot der Stunde.
Bei Altverträgen sollte sich der Arbeitgeber mit der Vorhaltung von Informationsblättern oder proaktiv über schriftliche Mitteilungen an Bestandsarbeitnehmer jetzt absichern.
Bei Neuverträgen gilt es die im Nachweisgesetz aufgeführten Informationen ordnungsgemäß umzusetzen, denn sonst drohen hier Bußgelder.
Dieser Artikel ist im Original am 21. November 2022 erschienen auf Coliquio.de .
Credits:
Lead image: Dreamstime.com
Medscape © 2023 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: Energiekrise, Personalengpässe, Arbeitsverträge: Ein Jurist gibt Tipps, um Probleme in Praxis und Klinik besser zu meistern - Medscape - 11. Jan 2023.
Kommentar